EU-Kommission bewertet Mitgliedsländer Gelobt, gemahnt - und streng getadelt
Deutschland: nicht schlecht, aber noch Luft nach oben. Italien und Spanien: auf gutem Weg, dürfen aber nicht nachlassen. Frankreich: stark verbesserungswürdig. Die EU-Kommission hat die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der 28 Mitgliedsländer bewertet.
Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die EU-Kommission hat ihre Kritik an der deutschen Wirtschaftspolitik noch einmal unterstrichen. Deutschland müsse für mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und in Bildung sorgen, sagte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn. "Wir empfehlen, dass Länder mit großen Außenhandelsüberschüssen - wie Deutschland - handeln, um die Binnennachfrage zu steigern", betonte er.
Das Argument der EU-Kommission: Deutsche Unternehmen exportierten dauerhaft mehr Güter als sie aus anderen EU-Ländern einführen. Um das auszugleichen, müsse Deutschland die Nachfrage im Inland ankurbeln: durch den Ausbau der Ganztagsbetreuung von Kindern oder durch die Senkung von Steuern und Sozialabgaben, vor allem für Geringverdiener. Neu ist die Kritik an der Mütterrente und der Rente mit 63: Das deutsche Rentensystem werde dadurch belastet, negative Folgen für Einkommen und Beschäftigung seien zu befürchten.
Frankreich wird streng ermahnt...
Drängender sind die Empfehlungen aber etwa an Frankreich. Die französische Industrie habe in vergangenen Jahrzehnten international dramatisch an Boden verloren. Frankreich müsse mehr tun, um die Arbeitskosten zu senken; die Sozialabgaben für die Unternehmen müssten weiter sinken. Und statt die Steuern weiter zu erhöhen, müsse Frankreich die öffentlichen Ausgaben zurückfahren. "Wenn Frankreich seine Ausgaben nicht ausreichend senkt, entwickeln sich die übermäßigen Steuererhöhungen der vergangenen Jahre zu einer Belastung für das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt", warnte Rehn.
...und auch Italien und Spanien bleiben nicht verschont
Mehr und konsequentere Reformen: Solche Empfehlungen hat die EU-Kommission auch für Italien und Spanien parat. Die spanische Regierung dürfe nicht nachlassen, den Arbeitsmarkt zu beleben. Und Italien müsse vor allem etwas tun, um die hohen Staatsschulden zu senken. "Die Staatsschulden in Italien sind die Hauptursache dafür, dass das Land verletzlich ist und sie sind das Haupthindernis für Wachstum und neue Jobs", sagte Rehn.
Österreich, Belgien und Niederlande dürfen sich freuen
Ihre Strategie im Kampf gegen die Krise hält die EU-Kommission nach wie vor für richtig: Die Kombination aus Sanierung der Staatshaushalte und Reformen habe sich bewährt. Nach langen Jahren der Krise sei das Wirtschaftswachstum zurückgekehrt, betonte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Die Sparpolitik habe Wachstum und die Entstehung von neuen Jobs gefördert.
Gegen die meisten Mitgliedsländer hatte die EU-Kommission während der Krise ein Verfahren eingeleitet wegen zu hoher Neuverschuldung. Auch gegen Deutschland. Die Bundesrepublik ist schon länger nicht mehr unter den Haushaltssündern. Und die Brüsseler Behörde empfahl, weitere sechs Länder aus dem Defizitverfahren zu entlassen – darunter Österreich, Belgien und die Niederlande.