Schuldenkrise in Europa Eurobonds - der letzte Ausweg?
Bislang gibt jeder Staat eigene Anleihen aus - und zahlt die auf dem Markt geforderten Zinsen. Bei den ohnehin kriselnden Euro-Ländern sind die sehr hoch. Das verschärft die Krise weiter. Eurobonds könnten ein Ausweg sein - doch dann müsste die Politik eingestehen, dass der Vertrag von Maastricht gescheitert ist.
Von Ralph Sartor, tagesschau.de
Angesichts der Lage in Griechenland und in anderen Euroländern werden schon länger Forderungen nach sogenannten Eurobonds laut. Dabei handelt es sich um gemeinsame Anleihen der Euro-Länder - alle Staaten stehen also für diese Bonds gerade.
Bislang gibt jeder Staat seine eigenen Anleihen heraus. Sie lassen sich derzeit nur zu höchst unterschiedlichen Zinssätzen am Markt platzieren - Staaten, deren Haushalte nach Ansicht der Marktteilnehmer so stabil sind, dass eine Rückzahlung der Gelder sehr wahrscheinlich ist, müssen nur geringe Zinsen bezahlen. Das gilt zurzeit vor allem für Deutschland. Staaten mit hohen Schulden und/oder hohen Defiziten - wie etwa Griechenland oder Portugal - müssen deutlich höhere Zinsen zahlen.
Zinssatz zwischen Griechenland und Deutschland
Eurobonds, für die die Staaten gemeinsam bürgen, würden diese Unterschiede nivellieren - der Zinssatz läge vermutlich über dem aktuellen deutschen Satz, aber deutlich unter dem, den Griechenland und Portugal zurzeit zahlen müssen. Und er läge vermutlich deutlich näher an dem der stabilen Staaten. Denn, so argumentieren die Befürworter, eine gemeinsame Anleihe wäre gerade für internationale Anleger attraktiver. Zum anderen sind die Volkswirtschaften stabilerer Staaten wesentlich größer als die Griechenlands oder Portugals - und selbst als die Italiens. Die Refinanzierungsprobleme dieser Staaten wären vermutlich durch Eurobonds mit einem Schlag gelöst - sie müssten zudem nicht mehr die extrem hohen Zinssätze zahlen, die sie aktuell auf dem Markt aufbringen müssten und die die Krise dieser Staaten noch verschärfen.
Eurobonds-Gegner wie Deutschland fürchten, ein gemeinsamer Zinssatz für alle Euro-Staaten nähme den Schuldenstaaten die Motivation, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Dem hält EU-Währungskommissar Olli Rehn schon länger entgegen, Eurobonds könnten die Haushaltsdisziplin stärken und das gemeinsame Währungsgebiet stabiler machen. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, die Wirtschaftsaufsicht und den Euro-Stabilitätspakt zu verschärfen und die Ausgabe von Eurobonds an haushaltspolitische Bedingungen zu knüpfen.
Genau in diese Richtung gehen die Vorschläge von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Er will, dass die Eurostaaten ihre Haushalte künftig der EU-Kommission zur Genehmigung vorlegen müssen. Und er will eine noch strengere Überwachung der Staaten, die bereits in finanziellen Problemen sind. Er schlägt zudem verschiedene Varianten von Eurobonds vor. Zum einen könnten künftig alle Eurostaaten gemeinsame Anleihen für alle Schulden ausgeben, zum anderen schlägt er auch eine Möglichkeit vor, nach der die Eurostaaten nur anteilig für die Schulden haften. Zudem lässt er die Möglichkeit offen, dass es auch künftig noch nationale Anleihen geben kann - parallel zu gemeinsamen Eurobonds.
EFSF-Eurobonds - Variante mit besonderem Charme
Zudem wird schon länger eine Eurobonds-Variante diskutiert, die zusätzlichen Charme hat: Der Rettungsfonds für finanziell angeschlagene Euro-Staaten (EFSF) könnte Eurobonds ausgeben und von den Erlösen Staatsanleihen der Krisenstaaten kaufen, die zurzeit auf den Märkten mit Abschlägen gehandelt werden. Und diese Abschläge sind deutlich: Bei Griechenland, Portugal und Irland liegen sie bei zehnjährigen Anleihen bei mehr als 40 Prozent. Verkaufen nun private Investoren diese Anleihen zu den aktuellen Marktpreisen, gibt es einen Schuldenschnitt zulasten dieser privaten Investoren - ohne, dass es eine Staatspleite dieser Länder gegeben hätte.
Auch Eurobonds würden Milliarden kosten, auch die deutschen Steuerzahler - sie müssten schließlich für die Staatsschulden anderer Länder mit haften. Und genau das, so ein weiteres Argument der Kritiker, verstoße gegen den Maastricht-Vertrag und die "No-Bailout"-Klausel, nach der kein Staat für die Schulden eines anderen Staates aufkommen darf. Doch genau das passiert heute auch schon - mit Rettungsschirmen und gegenseitigen Hilfen, bei denen diese Haftung aber offiziell als Kredit deklariert wird, der ja zurückgezahlt werden soll.
"Der billigste Weg - auch für Deutschland"
Die Politik müsste sich also für Eurobonds offen dazu bekennen, dass die "No-Bailout"-Klausel nicht mehr gilt. Nach Ansicht vieler Experten wäre das aber - zumindest mittlerweile - der billigste Weg, da er helfen könnte, die Märkte zu beruhigen und die Spekulationen gegen einzelne Länder zu beenden. Und nur dann könnten auch die notwendigen Sanierungsmaßnahmen für die Staatshaushalte mit der erforderlichen Ruhe und Gründlichkeit angegangen werden. "Wir werden erst Ruhe bekommen, wenn wir die Eurobonds kriegen", erklärt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der seit langem für diese Variante plädiert. Und das sei am Ende für Deutschland günstiger als der jetzt eingeschlagene Weg.