Klimaschädliche Titel übergewichtet Greenpeace kritisiert Anleiheportfolio der EZB
Auch Geldpolitik kann einen Klimaaspekt haben: Greenpeace wirft der EZB vor, klimafreundliche Geschäftsmodelle zu benachteiligen. Die Umweltschützer fordern einen Umbau des Anleiheportfolios.
Ganz allmählich steuert die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem Kampf gegen die Inflation wieder auf eine neutralere Geldpolitik zu. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass es möglicherweise im Lauf des nächsten Jahres wieder zu Zinssenkungen kommt, ist die Einstellung des erweiterten Anleihekaufprogramms APP. Tatsächlich hat die EZB die Zukäufe von Staatsanleihen, aber auch Pfandbriefen und Unternehmensanleihen seit Anfang Juli eingestellt. Das heißt, auslaufende Anleihen werden nicht mehr ersetzt, womit dem Finanzsystem schrittweise Liquidität entzogen wird.
Dagegen regt sich nun Kritik von ungewöhnlicher Seite. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wirft der EZB wegen des Kaufstopps mangelndes Engagement im Kampf gegen den Klimawandel vor. Mit dieser Vorgehensweise würden noch in 15 Jahren klimaschädliche Titel von Ölkonzernen massiv im EZB-Portfolio übergewichtet bleiben, beklagte Greenpeace unter Verweis auf eine neue Studie der Umweltschutzorganisation.
Klimafreundliche Geschäftsmodelle blieben so auf der Strecke. "Dieses unverantwortliche Handeln geht auf Kosten ihrer Glaubwürdigkeit", erklärte Greenpeace-Finanzexperte Mauricio Vargas. Die EZB unterlaufe aktiv die Klimaschutzbemühungen der EU. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.
Was hat Klimaschutz mit Geldpolitik zu tun?
Tatsächlich hatte die EZB im vergangenen Jahr begonnen, ihre Anleihekäufe stärker an Klimaaspekten auszurichten. So wurden insbesondere zunehmend Anleihen von Emittenten mit geringeren Treibhausgasemissionen ausgewählt. EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte damals auf die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Preisstabilität hingewiesen. So könnten etwa Extremwetterereignisse Missernten zur Folge haben, die die Preise steigen ließen. Niedrige Pegelstände schiffbarer Flüsse trieben zudem die Transportkosten nach oben. Das Thema Klima liege folglich "im Kernbereich unserer Tätigkeiten" so Schnabel.
Eine solche Steuerung ist mit dem Auslaufen des Kaufprogramms nun nicht mehr möglich. Zumindest nicht, wenn die Zentralbank wie vorgesehen ihren Anleihenbestand passiv auslaufen lässt, also die Papiere bis zu ihrer Fälligkeit behält.
Aktive Umschichtung des EZB-Portfolios?
Greenpeace fordert aber nun eine aktive Umschichtung des Portfolios. In ihrer Studie schlägt die Umweltschutzorganisation der EZB eine Strategie des "Green Unwinding" (Grüne Abwicklung) vor. Dazu gehört auch der aktive Verkauf von Anleihen. "Die EZB muss Anleihenbestände großer Klimasünder wie ENI, TotalEnergies, Shell und BP sofort abbauen", forderte Vargas. Durch Schärfung ihres Klima-Ratings für Unternehmen und den aktiven Verkauf besonders klimaschädlicher Bonds könne die Zentralbank ihren Kampf gegen die Inflation verstärken und zugleich die Klimaziele der EU unterstützen.
Auch Schnabel hatte im Januar angeregt, den Anleihenbestand aktiv in Richtung grünerer Titel umzuschichten. Es ist aber auch innerhalb der Notenbank umstritten, ob solche Transaktionen noch im Rahmen des geldpolitischen Mandats lägen. Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch etwa wies darauf hin, dass es vielmehr Aufgabe der Regierungen sei, den Klimawandel zu bekämpfen. Die EZB solle nicht die Fehler der anderen zu korrigieren versuchen.