Fragen und Antworten Was tun gegen den Fachkräftemangel?
Die Debatte um Fachkräftemangel hat an Fahrt gewonnen: Ein flexibler späterer Renteneintritt wird gefordert. Dürfen Senioren überhaupt länger arbeiten? Und wäre damit der Fachkräftemangel behoben? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wieviele Arbeitnehmer sind von der Diskussion betroffen?
Der Anteil von älteren Menschen an der Gesellschaft wächst seit Jahren. Diese Entwicklung spiegelt sich entsprechend auf dem Arbeitsmarkt wider. Während vor 15 Jahren noch mehr als die Hälfte der Menschen über 60 in Rente war, nämlich 62 Prozent, waren es 2014 nur noch 37 Prozent. 50 Prozent der Über-60-Jährigen sind inzwischen erwerbstätig. Im Jahr 2000 waren es nur 20 Prozent.
Auch die Erwerbstätigkeit bei Menschen über 65 nimmt zu. Im Sommer 2014 waren 173.000 von ihnen als sozialversicherungspflichtig beschäftigt registriert. Dieser Wert hatte sich innerhalb von nur sieben Jahren nahezu verdoppelt: 2007 lag er bei 96.000 Erwerbstätigen über 65. Von den Senioren zwischen 70 und 74 sind immerhin noch 43.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Dürfen Senioren rechtlich länger arbeiten?
Grundsätzlich ja. Allerdings legen Tarifverträge oft eine bestimmte Altersgrenze als Ende für Arbeitsverhältnisse fest. Teil des jüngsten Rentenpakets ist aber nicht nur der frühere Renteneinstieg mit 63 Jahren, falls bereits 45 Beitragsjahre erreicht sind. Das Paket regelt ebenfalls, dass Arbeitnehmer mit ihrer Firma eine feste Beschäftigungsdauer über das gesetzlich mögliche Renteneintrittsalter hinaus vereinbaren können.
Welche Branchen sind besonders vom Fachkräftemangel betroffen?
Besonders betroffen sind die sogenannten "Engpassberufe", 139 der 615 Berufsgattungen. Dort gehen nach einer Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) in den nächsten 15 Jahren rund 2,1 Millionen von derzeit 6,7 Millionen Fachkräften in den Ruhestand. Etwa jeder Dritte dieser Beschäftigten ist 50 Jahre alt oder älter - steht also in absehbarer Zeit vor dem Renteneintritt.
Ein Beispiel für solche "Engpassberufe" sind Berufskraftfahrer. Hier muss in den nächsten Jahren für etwa 230.000 Beschäftigte Ersatz gefunden werden, so die KOFA-Studie. In der Krankenpflege stünden 175.000 Fachkräfte vor dem Ausscheiden. Außerdem drohen bei Leitungskräften in der Sozialarbeit sowie im Tiefbau Lücken.
Kann der Fachkräftemangel durch eine flexible Rente ab 70 gelöst werden?
Eine längere Lebensarbeitszeit kann den Fachkräftemangel zwar erleichtern, aber nicht lösen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) setzt deshalb nicht allein auf mehr ältere Arbeitnehmer. "Wir müssen auch die Arbeitsmarktchancen für Frauen, An- und Ungelernte sowie Menschen mit Behinderung weiter verbessen", sagte er. Im Jahr 2012 waren in Deutschland beispielsweise lediglich 70,8 Prozent der Frauen berufstätig, der Vollzeitanteil liegt sogar nur bei 55 Prozent. Deshalb empfehlen Ökonomen zur Beseitigung des Fachkräftemangels dringend, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen. Außerdem fordern Arbeitgeberverbände seit Jahren, die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu erleichtern.