Wirecard und CumEx Was lehren die Finanzskandale?
Die Wirecard-Affäre und die dubiosen CumEx-Geschäfte der Banken haben Schäden in Milliardenhöhe angerichtet. Doch reichen die Konsequenzen, die aus den Finanzskandalen gezogen wurden?
Bis vor drei Jahren saß Gerhard Schick für die Grünen im Bundestag. Als Obmann im damaligen Untersuchungsausschuss zu den CumEx-Geschäften war er an der politischen Aufarbeitung beteiligt. Heute ist Schick Vorstand des Vereins Finanzwende. Wenn er über die Praktiken des Steuerskandals spricht, dann klingt er noch immer fassungslos.
Diese Gier, diese Bereitschaft, die Regeln zu überschreiten, diese Vorstellung einiger Finanzexperten, dass man über der Gesellschaft, über dem Recht steht, einem niemand was kann, weil man einfach besser versteht, wie man am Finanzmarkt tricksen kann, das ist alles schon sehr, sehr erschreckend.
1000 Beschuldigte, Dutzende Verfahren
Jahrelang haben Banken durch CumEx-Geschäfte den deutschen Fiskus getäuscht. Menschen haben sich bereichert, indem Sie sich durch einen Trick Kapitalertragssteuern vom Staat mehrfach erstatten ließen. Die juristische Aufarbeitung von CumEx hat erst begonnen - und sie ist sehr kleinteilig. Allein in Nordrhein-Westfalen haben Ermittlungsbehörden rund 1000 Beschuldigte ermittelt, bundesweit wurden Dutzende Verfahren eröffnet.
"Das war eben nicht nur eine Bank, es waren nicht zwei Banken, sondern es war anscheinend ein Geflecht aus vielen Gruppen, Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten, wir haben ein Geflecht an Personen und an Institutionen, die hier gemeinsam agiert haben", sagt Mark Tüngler, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz DSW.
Der Schaden für den deutschen Staat liegt im Milliardenbereich - wie hoch er tatsächlich ist, das kann bis heute nur geschätzt werden. Obwohl schon im Jahr 2007 ein Hinweis eines Informanten zu zweifelhaften CumEx-Geschäften bei der Finanzaufsicht BaFin eingegangen sein soll, schob die Politik erst 2012 den illegalen Geschäften einen Riegel vor. Für Tüngler viel zu spät. Die Lehren aus CumEx liegen für ihn auf der Hand: "Wir brauchen eine Aufsicht und auch eine Staatsanwaltschaft, die dann mal zubeißt, die auch die Kenntnisse hat und auch so ausgerüstet ist, mit Zugriffsmitteln. Dass dann auch tatsächlich die, die das System ausnutzen, auch wirklich fürchten müssen, dass sie auffliegen."
Deutschlands Ruf "systematisch zerstört"
Das sieht auch Gerhard Schick vom Verein Finanzwende so. Er zieht Parallelen zu einem anderen Fall, den Bilanzskandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard. Zu den Versäumnissen gehöre auch hier, dass Hinweise zu spät ernstgenommen wurden - und noch schlimmer: "In Deutschland haben Whistleblower es erleben müssen, dass sie verpfiffen worden sind", beklagt Schick. Das sei das Schlimmste gewesen, was hätte passieren können: "Der deutsche Staat hat auch seinen eigenen Ruf als jemand, an den man sich wenden kann, systematisch zerstört."
Im Bundesfinanzministerium will man das künftig verhindern. Der gesetzliche Schutz für Whistleblower soll verbessert und die Finanzaufsicht BaFin reformiert werden. Sie soll künftig schlagkräftiger sein, mehr Kompetenzen, mehr Personal erhalten und mit Mark Branson einen neuen Chef bekommen.
Doch ob Schlupflöcher für kriminelles Verhalten damit der Vergangenheit angehören werden? Schick ist skeptisch: "Wir müssen davon ausgehen, dass jetzt im Moment wieder etwas anderes stattfindet, was wir noch nicht kennen." Wer Finanzskandale erfolgreich aufarbeiten will, muss Kriminellen in Zukunft einen Schritt voraus sein. Ob das den deutschen Behörden gelingt, müssen sie aber erst noch beweisen.