Hohe Zahl an Sprengungen Was Geldautomaten sicherer machen könnte
Immer wieder sprengen Kriminelle Geldautomaten. Bei erfolgreichen Taten beträgt die Beute im Durchschnitt mehr als 100.000 Euro. Banken, Behörden und Versicherungen hadern, was zu tun ist.
Regelmäßig trifft es Geldautomaten auf dem Land, von denen es nicht weit zur Autobahn ist. In Dörfern ist nachts kaum jemand unterwegs. Wer sich an den Geräten zu schaffen macht, fällt nicht auf. Die nächste Polizeistation ist oft weit entfernt. Die Taten gehen schnell: Sprengladung anbringen, Deckung suchen, Zündung und schnell das Geld zusammenraffen. Die Täter springen in zuvor gestohlene schnelle Autos und preschen davon.
Das Bundesinnenministerium gab vor einem Jahr auf eine Parlamentsanfrage Zahlen heraus. Danach verlaufen ein Drittel bis die Hälfte der Sprengungen für die Täter erfolgreich. Ihre Beute liegt im Durchschnitt bei mehr als 100.000 Euro. Vergangenes Jahr flogen in fast 500 Fällen Automaten in die Luft.
Wenig Interesse am Schutz der Automaten?
Oft heißt es, Banken hätten wenig Interesse an teurem Schutz ihrer Geldautomaten. Schäden seien versichert. Versicherungsprämien sind allerdings vom Risiko abhängig. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft weist darauf hin, dass Lage, Sicherungsniveau und Füllmenge von Geldautomaten bei Versicherungen genau kalkuliert würden. Doch die Versicherer sind mit ihren Kunden nicht zufrieden. Verbandssprecher Christian Ponzel sagt dem Hessischen Rundfunk, dass die Maßnahmen der Banken "offenbar noch immer nicht ausreichen".
Die Polizei hat zunächst die Gefahren im Auge, die von unkontrollierten Sprengungen, aber auch riskantem Fahrverhalten von Tätern auf der Flucht ausgehen. Schwierig ist, dass bei Sprengungen Polizisten aus entfernten Stationen kommen. Sie können daher den schnellen Tätern wenig entgegensetzen. Vor vier Wochen veranstalteten Bundes- und Länderpolizeien drei Tage lang eine Fahndungsaktion gegen Täter, die Geldautomaten sprengen. Bei Tausenden Kontrollen wurden 180 Straftaten festgestellt. Über Erfolge bei Geldautomaten-Tätern wird - auch auf Nachfrage - nichts berichtet.
Die Politik erhöht den Druck
Das Bundesinnenministerium, zuständig für die Bundespolizei, macht Druck. Innenministerin Nancy Faeser hatte Ende vergangenes Jahr einen "Runden Tisch zu Geldautomatensprengungen" anberaumt. Teilnehmer aus Bankgewerbe, Versicherungswirtschaft und Behörden vereinbarten in einer gemeinsamen Erklärung neue Sicherheitseinrichtungen.
Auf Dauer dürfte es nicht so herrschaftsfrei und gleichberechtigt zugehen, wie das an runden Tischen üblich ist. "Für den Fall, dass die gemeinsame Erklärung nicht ausreichend umgesetzt wird und sich die Kriminalitätslage nicht nachweislich und im erforderlichen Umfang verbessert, wird sich das Bundesministerium des Inneren umgehend und mit Nachdruck für gesetzliche Verpflichtungen der Geldautomatenbetreiber einsetzen", so eine Sprecherin der Innenministerin gegenüber dem Hessischen Rundfunk.
Der Zusammenschluss der Bankenverbände "Deutsche Kreditwirtschaft" kontert: "Eine gesetzliche Regelung ist aus unserer Sicht der falsche Ansatz und wird der grundsätzlichen Aufgabenverteilung in unserem staatlichen Gemeinwesen nicht gerecht".
Kleine, ländliche Filialen im Fokus der Täter
Betroffen sind meist Volksbanken und Sparkassen. Aus einem Branchenverband heißt es, dauernde Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen der Lokalbanken sei unfair: "Wir sind die Opfer, nicht die Täter". Volksbanken und Sparkassen betreiben im Unterschied zu Geschäftsbanken noch viele Geldautomaten auf dem Land.
Die Bundesbank ist für ihre gesetzliche Aufgabe, die Bevölkerung mit Bargeld zu versorgen, auf Lokalbanken angewiesen. Der damalige Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann hatte bei Faesers "Rundem Tisch" ausdrücklich auf die große Bedeutung von Geldautomaten zur Bargeldversorgung hingewiesen. Klar ist, dass es für Sparkassen und Volksbanken schwieriger wird, wenn sie allgemein zu mehr Sicherheit gezwungen werden. Sie plädieren für maßgeschneiderte Sicherheit an jedem einzelnen Geldautomaten.
Diskutiert wird, die Räume, in denen Automaten stehen, nachts abzuschließen. Bessere Videoüberwachung und Sicherheitstechnik - etwa Nebelwerfer bei Einbrüchen - sind teuer. Geldautomaten, die jetzt bereits um 30.000 Euro kosten, können auch mechanisch stabiler gebaut werden, was jedoch stärkere Sprengladungen provozieren könnte.
Außerdem werden Klebefallen diskutiert: Wenn ein Automat gesprengt wird, fließt schnellhärtender Klebstoff über das Geld. Die Bundesbank hat das Verfahren vor vier Wochen genehmigt. Sie ist im Spiel, wenn geschädigte Banken einen Klumpen verpappter Scheine umtauschen möchten. Ungeklärt sind noch Arbeits- und Gesundheitsschutz. Klebe- und Farbpatronen dürfen keine Gifte verdunsten und müssen bei Wartungsfehlern sicher sein.
Viele Täter kommen aus den Niederlanden
"In den Niederlanden konnten wir bereits beobachten, dass verstärkte Präventionsmaßnahmen die Verdrängung der Taten an andere Orte - auch nach Deutschland - zur Folge haben", sagt Innenministerin Faeser. Diese Wirkung ist umstritten. In den Niederlanden wird viel weniger Bargeld verwendet. Es gibt viel wenigere Geldautomaten, allemal auf dem Land. Wegen des geringeren Alltagsbedarfs sind sie mit deutlich weniger Scheinen gefüllt.
Die meisten bekannten Sprengtäter kamen zuletzt aus den Niederlanden. Die Antwort einer kleinen Anfrage von AfD-Bundestagsabgeordneten zeigte, dass im Jahr 2020 von 168 ermittelten Verdächtigen 111 aus den Niederlanden anreisten. In einem Lagebild des Bundeskriminalamtes heißt es: "Es handelt sich überwiegend um Personen aus der Region Utrecht/Amsterdam, die häufig einen marokkanischen Migrationshintergrund aufweisen."
Unter Sicherheitsexperten von Banken und Kriminalisten gilt es als wahrscheinlich, dass Verbindungsleute in Deutschland Bankfilialen und Fluchtwege ausbaldowern. Für eine Organisation in Deutschland spricht auch, dass Täter zu Fuß fliehen und schnell verschwunden sind, wenn sie auf ihren oft halsbrecherischen Fluchten Unfälle bauen oder von Verfolgern bedrängt werden.