Strategie vorgestellt EU plant mehr Transparenz für Kleinanleger
Um private Investitionen anzuregen, will die EU-Kommission Kleinanleger besser schützen und ihnen erfolgversprechende Angebote liefern, denen sie vertrauen können. Was beinhaltet die neue Strategie?
Unter anderem mit strengeren Transparenzvorschriften und mehr Regeln für den Verkauf von Finanzprodukten auf Provision will die EU-Kommission Kleinanleger stärker schützen. Dafür hat sie heute in Brüssel ihre Kleinanlegerstrategie vorgestellt.
Was ist das Ziel der Kleinanlegerstrategie?
Bislang bekämen europäische Verbraucher noch nicht das beste Angebot, wenn es um ihre Investitionsentscheidungen gehe, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Das sei aber wichtig, wenn private Investitionen zur Finanzierung der EU-Wirtschaft insgesamt angeregt werden sollten. "Deshalb legen wir heute die Messlatte höher, was die fachkundige, unvoreingenommene und unkomplizierte Beratung für Anlageprodukte angeht, damit die Menschen die beste Rendite für ihr Geld bekommen."
Grundsätzlich will die EU-Kommission mit ihrer Strategie dazu beitragen, dass mehr Bürgerinnen und Bürger ihr Geld in Aktien oder Fonds anlegen, als es auf Sparkonten mit niedrigem Ertrag zu parken. Brüssel begründet dies unter anderem mit der steigenden Notwendigkeit zur privaten Altersvorsorge. Derzeit mangele es vielen Menschen schlicht an "Vertrauen" in die Kapitalmärkte, so Dombrovskis. So sind viele Verbraucher laut der EU einem wachsenden Risiko ausgesetzt - etwa, durch unrealistische Marketinginformationen unangemessen beeinflusst zu werden. Einige Anlageprodukte seien zudem mit ungerechtfertigt hohen Kosten verbunden.
Die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness möchte dabei vor allem Regeln für die Kaufberatung von Finanzprodukten anfassen. Mehr als in jedem anderen Bereich der Finanzdienstleistungen sei es in der Anlageberatung wichtig, Interessenkonflikte zu vermeiden, sagte sie bereits in einer Rede Ende April.
Lange wurde daher über ein Provisionsverbot diskutiert. Das plant die Kommission dem Vorschlag nach aber zunächst nicht. Darin ist lediglich ein Verbot von Provisionen bei bestimmten Käufen ohne Beratung vorgesehen. Drei Jahre nach Annahme der Vorschläge zum Schutz von Kleinanlegern will sie aber den Erfolg überprüfen und gegebenenfalls alternative Maßnahmen vorschlagen, "einschließlich einer weiteren Ausweitung des Provisionsverbots", heißt es im Gesetzesvorschlag.
Was sind Provisionen?
Anlageberatung ist nicht umsonst: "Machen Sie sich bewusst, dass eine Anlageberatung immer etwas kostet - entweder eine eingepreiste Provision oder ein Honorar", heißt es von der Finanzaufsicht BaFin. Kreditinstitute und Versicherer zahlen für den Vertrieb zum Beispiel von Fondsanteilen oder Lebensversicherungen Anlageberatern eine Provision. Sprich: Sie erhalten prozentual Geld für die Vermittlung von Finanzprodukten. Je teurer das Produkt, desto mehr Provision bekommt in der Regel der Vertreter. Zudem wird sie aus der Anlagesumme oder den daraus erwirtschafteten Erträgen finanziert, indirekt zahlt also der Endkunde.
Eine Alternative ist die Honorarberatung. Hier bezahlt der Verbraucher für die Beratungsleistung an sich, beispielsweise nach Zeitaufwand oder pauschal vereinbart - allerdings auch dann, wenn sich der Anleger am Ende gegen die Empfehlung des Beraters entscheidet.
Was schlägt die Kommission noch vor?
Über das Verbot von Provisionen bei bestimmten Käufen ohne Beratung hinaus sollen strengere Transparenzvorschriften den Kleinanlegern besseren Schutz beim Kauf von Finanzanlagen gewährleisten. Verbraucher sollen nach Willen der Kommission etwa leichter Zugang zu wichtigen und leicht verständlichen Informationen bei Geldanlage-Produkten bekommen. Finanzfirmen könnten verpflichtet werden, künftig alle Kosten und Risiken ihrer Produkte offenzulegen - auch versteckte Gebühren. Dazu soll es "Risikowarnungen" geben, damit Kleinsparer nicht die falsche Entscheidung treffen.
Des Weiteren möchte die Kommission hohe Standards für die berufliche Qualifikation von Finanzberatern beibehalten. Zudem sollen Kleinanleger vor "irreführendem Marketing" geschützt werden. Das gelte auch für Werbung in sozialen Medien oder mithilfe von Prominenten und Influencern.
Wie sieht die Finanzbranche die Pläne?
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hatte bereits im Vorfeld kritisiert, das Ziel der Kommission, breite Bevölkerungsschichten an die Finanzmärkte zu bringen und ihnen den Vermögensaufbau zu erleichtern, werde nur teilweise erreicht. Generell hatte sich die Finanzbranche gegen einen Wechsel ausschließlich zur Honorarberatung ausgesprochen. Vor allem Verbraucher mit geringen und mittleren Anlagebeträgen würden so von der Beratung abgeschnitten, da sie zu teuer wäre, argumentiert die Deutsche Kreditwirtschaft, in der die fünf großen Bankenverbände organisiert sind.
Auch Deutschlands oberster Versicherungsaufseher Frank Grund bekräftigte unlängst, die BaFin sei immer skeptisch gegenüber einem Provisionsverbot gewesen. Zumindest "komplexere Altersvorsorgeregelungen" erforderten eine angemessene Beratung, die auch entsprechend bezahlt werden müsse.
Was fordern Verbraucherschützer?
Aus Sicht von Verbraucherschützern entsteht durch Provisionen dagegen ein Interessenkonflikt, der zur Empfehlung teurer oder unpassender Anlagen führen kann. "Nach allem, was wir wissen, hat die Kommission gravierende Probleme bei der Vermittlung von Anlageprodukten identifiziert", sagte Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). "Es ist extrem enttäuschend, dass sich die Kommission dennoch nicht auf die Seite von Verbrauchern gestellt hat und auf Druck der Finanzlobby offensichtlich kein allgemeines Provisionsverbot vorgeschlagen will."
Maßnahmen wie eine verschärfte Geeignetheitsprüfung und gute Qualifikation der Vermittler oder eine sogenannte Kostenbenchmark, um die Kosten zu senken, seien zwar sinnvoll. "Das Problem des Interessenskonflikts aufgrund der Provisionen würde damit jedoch nicht an der Wurzel gepackt", sagte die Leiterin des Teams Finanzmarkt beim vzbv.
Wie geht es weiter?
Die Vorschläge der Kommission müssen nach der Vorlage sowohl vom Europäischen Parlament als auch von den EU-Ländern beraten werden. Das Parlament muss eine gemeinsame Position finden und auch die EU-Staaten müssen sich auf einen Kompromiss einigen. Anschließend verhandeln dann Parlament und die Länder. Erst wenn sich hier geeinigt wurde, können die neuen Regeln in Kraft treten. Erfahrungsgemäß dauert das mindestens mehrere Monate.