US-Börsen auf Richtungssuche Kein Rückenwind von der Fed
Der unklare Zinskurs der US-Notenbank sorgte erneut für viel Unsicherheit bei den Wall-Street-Investoren. KI-Aktien stehen aber weiter im Fokus. Auch der DAX musste heute kräftig Federn lassen.
Die Unklarheit beim zukünftigen Zinskurs der Notenbank bereitet den Anlegern an der Wall Street weiter Kopfzerbrechen. Die Investoren versuchten auch heute wieder, im Nachgang zum gestrigen Zinsentscheid der Fed, die uneinheitliche Datenlage in Bezug auf den wahrscheinlichsten Zeitpunkt der ersten Zinssenkung der US-Notenbank Fed zu interpretieren. Trotz jüngster Entspannungssignale von der Preisfront bleiben die Währungshüter aber weiter vorsichtig.
Analysten zeigten sich ebenfalls zurückhaltend. "Aus wirtschaftlicher Sicht ist es vielleicht gar nicht so entscheidend, ob 2024 weniger und 2025 dafür mehr Zinssenkungen kommen, sollte sich die Inflation weiter abkühlen", kommentierte Konstantin Oldenburger, Analyst vom Broker CMC Markets.
Konkret tendierten die großen Wall-Street-Indizes heute erneut uneinheitlich und boten damit wie schon zuletzt ein vertrautes Bild. Während die Technologieaktien und Indizes weiter vom Boom um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) profitierten und zwischenzeitlich neue Rekordstände feierten, herrschte bei den Standardwerten weiterhin Tristesse.
Der Leitindex Dow Jones grenzte seine Verluste allerdings im Verlauf ein und verlor letztlich 0,17 Prozent auf 38.647 Punkte. Der Index weist damit mit einem Anstieg von weniger als drei Prozent seit Jahresbeginn eine deutlich unterdurchschnittliche Wertentwicklung auf.
Neue Rekordstände gab es im Vormittagshandel in New York hingegen sowohl beim Nasdaq-Composite-Index als auch beim Auswahlindex Nasdaq 100, allerdings konnten die Indizes die hohen Niveaus im Verlauf nicht halten. Die Nasdaq-Investoren können sich aber über eine Wertentwicklung im laufenden Jahr von knapp 30 Prozent freuen. Der Composite-Index gewann heute 0,34 Prozent auf 17.667 Zähler, der Auswahlindex Nasdaq 100 rückte um 0,57 Prozent vor.
Der marktbreite S&P-500-Index, bisher mit einem Jahresplus von knapp 24 Prozent ebenfalls sehr erfolgreich unterwegs, markierte sein Tageshoch heute bei 5.437 Zählern knapp unter seiner Bestmarke bei 5.441 Zählern. Der Schlussstand lag dann bei 5.433 Punkten, ein moderater Zuwachs von 0,23 Prozent.
Analysten zeigten sich heute beim Blick auf die Einzelwerte insbesondere von den Broadcom-Quartalszahlen durchweg begeistert. Der Chiphersteller habe mit Umsatz und Ergebnis je Aktie die Konsensschätzungen übertroffen, schrieb der Bernstein-Analyst Stacy Rasgon. Dazu komme der angehobene Umsatzausblick, der nun knapp über der Konsensprognose liege.
Für die Erlöse mit KI-Produkten sei Broadcom nun optimistischer als bisher, aus seiner Sicht aber immer noch konservativ. Das Kerngeschäft bleibe zyklisch schwach, sollte aber die Talsohle erreicht haben und könnte sich erholen. Zudem hat die Übernahme der Softwarefirma VMware Broadcom einen Wachstumsschub beschert.
Der Umsatz sei im zweiten Quartal im Jahresvergleich um 43 Prozent auf 12,5 Milliarden Dollar gestiegen, sagte die Finanzchefin des Spezialisten für Netzwerk-Chips, Kirsten Spears. Der bereinigte operative Gewinn habe um 31 Prozent auf 7,4 Milliarden Dollar zugelegt. Die Aktie sprang an der Nasdaq um 12,2 Prozent nach oben, in der Spitze wurde sogar ein Plus von 17 Prozent erzielt. Wie zuletzt auch Nvidia sollen Broadcom-Aktien im Verhältnis 10:1 gesplittet werden.
Der DAX hat am Nachmittag seine Verluste deutlich ausgeweitet und empfindliche Verluste hinnehmen müssen. Am Ende des Tages verlor der deutsche Leitindex 1,96 Prozent auf 18.265 Punkte. Der Markt folgte dabei einer schwächeren Tendenz der Standardwerte in New York, wo der Leitindex Dow Jones wie schon zuletzt erneut nachgibt.
US-Tech-Werte setzen ihre Rally in New York zwar fort, der heimische Markt konnte davon aber nicht profitieren. Zur Eröffnung wurden noch 18.632 Zähler im DAX erreicht nach einem Schlussstand am Vortag bei 18.630 Zählern. Der industrie- und exportlastige MDAX sackte ebenfalls deutlich um 2,61 Prozent ab auf 26.075 Zähler.
Ernüchterung herrschte insbesondere über die verhaltene Reaktion der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nach der gestrigen Zinssitzung. Dies, nachdem die Anleger am Vortag noch euphorisch auf besser als erwartet ausgefallene Inflationszahlen reagiert hatten.
Damit setzte sich die derzeitig unstete Berg- und Talfahrt an der Börse fort, da weiterhin unklar bleibt, wann und in welchem Ausmaß die US-Notenbank Fed die Zinswende einleiten wird. Die Anleger hatten gestern zwar nicht mit einer Zinssenkung gerechnet, Fed-Chef Jerome Powell äußerte sich aber im Hinblick auf künftige Senkungen zurückhaltend. Die Fed strebe nur noch eine Zinssenkung in diesem Jahr an, so der Bankchef. Zuvor waren bis zu drei Senkungen erwartet worden.
"Der Fed fehlt im Moment die Zuversicht, einen konkreten Termin für eine erste Zinssenkung zu nennen", schreibt CMC Markets Analyst Jochen Stanzl. Die US-Notenbank wolle weiter abwarten und die Daten beobachten, bevor sie aktiv werde.
"Das Fazit des gestrigen 'Super-Mittwochs' ist schnell geschrieben", meinen auch die Fachleute von Index Radar. "Auch wenn die US-Inflationsdaten weniger stark gestiegen sind als erwartet, hält die US-Notenbank an ihrer Hochzinspolitik fest und will weiterhin datenabhängig entscheiden."
Auch die Stimmung für die Autobranche trübte sich heute merklich ein. Autowerte litten unter den von der EU-Kommission angekündigten Strafzöllen auf Elektroautos aus China. Die Autobranche in Deutschland, einer der wichtigsten Industriesektoren überhaupt und im DAX prominent vertreten, kritisiert die Entscheidung, da sie einen Handelskrieg fürchtet. Am DAX-Ende standen die Papiere der VW-Holding Porsche SE.
Alle 40 im DAX enthaltenen Aktien schlossen im Minus, wobei sich die T-Aktie mit einem Mini-Minus von 0,04 Prozent am besten hielt.
Der Euro ist am späten Nachmittag unter die Marke von 1,08 Dollar gefallen und weitete damit seine Verluste im europäischen Geschäft au. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung im US-Handel mit 1,0743 Dollar. Produktionsdaten aus dem Euroraum bewegten die Kurse zuvor kaum. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0784 (Mittwoch: 1,0765) US-Dollar fest
Der Euro wurde zuletzt stark durch Entwicklungen in den USA bewegt. Am Mittwoch hatten schwächere Inflationsdaten den Euro zunächst steigen lassen, bevor die US-Notenbank Fed am Abend ihre Zinsprognose für dieses Jahr anhob.
In den USA sind die Erzeugerpreise im Mai weniger als erwartet gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat erhöhten sie sich um 2,2 Prozent, wie das Arbeitsministerium heute in Washington mitteilte. Volkswirte hatten mit einem Anstieg um 2,5 Prozent gerechnet. Der Kernindex ohne die Preise für Energie und Lebensmittel stieg im Jahresvergleich um 2,3 Prozent, während 2,5 Prozent erwartet worden waren.
Die Erzeugerpreise beeinflussen auch die Verbraucherpreise, an denen die US-Notenbank Fed ihre Geldpolitik ausrichtet. Die US-Notenbank hatte am Mittwoch nur eine Leitzinssenkung in diesem Jahr signalisiert. Zuvor waren es noch drei gewesen. Grund für die Zurückhaltung ist die immer noch hartnäckige Inflation.
Von Konjunkturseite kommen Nachrichten, die den Investoren nicht gefallen dürften: Die Industrieproduktion in der Eurozone hat im April überraschend einen leichten Dämpfer verzeichnet. Sie schrumpfte im Vergleich zum Vormonat um 0,1 Prozent, teilte das Statistikamt Eurostat mit. Volkswirte wurden von der Entwicklung überrascht. Sie hatten mit einem Anstieg um 0,2 Prozent gerechnet und damit den dritten Produktionszuwachs in Folge erwartet.
Der Chef der Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera, Werner Ponikwar, rechnet nach einer schwächelnden Nachfrage mit einer raschen Erholung des Ausrüster-Marktes. "Wir sehen aus heutiger Perspektive nicht, dass dieser Markt jetzt eine Pause macht", sagte Ponikwar in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters am Randes des "Handelsblatt Wasserstoff-Gipfels". Es gebe zwar eine abwartende Haltung, diese sei aber nur vorübergehend. "Wir glauben, dass der Markt über die nächsten zehn, 20 Jahre extrem stark wachsen wird und wir wollen weiterhin dort eine sehr, sehr wichtige Rolle spielen."
Die EU-Kommission tendiert Insidern zufolge dazu, die Übernahme der italienischen Staatsairline ITA Airways durch die Lufthansa zu genehmigen. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von drei mit der Sache vertrauten Personen. Die EU-Kommission habe allerdings noch keine endgültige Entscheidung getroffen, hieß es. Die offizielle Frist dafür endet am 4. Juli.
Der Beschluss der Brüsseler Behörde wird Ende des Monats erwartet. Die Lufthansa lehnte einen Kommentar ab. Zuletzt waren die Langstreckenflüge zwischen Italien und Nordamerika der schwierigste Punkt. Die EU-Kommission befürchtet Nachteile durch steigende Ticketpreise oder ein schlechteres Angebot für die Verbraucher.
Aktien von SDAX-Mitglied Borussia Dortmund legten über zwei Prozent zu, nachdem Trainer Edin Terciz heute überraschend seinen Rückzug bekannt gegeben hat. Seit Ende Mai waren die Aktien um bis zu 17 Prozent gefallen, nachdem das Champions-League-Finale gegen Real Madrid verloren gegangen war.
Der Bundesligist entsprach am Donnerstag der Bitte des Fußball-Lehrers, den Vertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Der enttäuschende fünfte Platz in der Bundesliga erwies sich für Terzic als zu große Hypothek. Zwar qualifizierte sich der BVB aufgrund einer Sonderregelung dennoch für die kommende Saison in der lukrativen Champions League, verspielte aber viel Kredit. Der bisherige Assistent Nuri Sahin wird nun als möglicher Nachfolger von Terzic gehandelt.
Die wachsende Beliebtheit von ChatGPT spült OpenAI einem Medienbericht zufolge immer mehr Geld in die Kassen. Der auf das Gesamtjahr hochgerechnete Umsatz des KI-Entwicklers habe sich im Vergleich zu Ende 2023 auf 3,4 Milliarden Dollar verdoppelt, schrieb der Branchendienst "The Information". Im vergangenen Sommer hätten die mit zwölf multiplizierten monatlichen Erlöse bei rund einer Milliarde Dollar gelegen.
Eine Vielzahl von Unternehmen baut die KI ChatGPT in ihre Produkte ein. OpenAI-Partner Microsoft nutzt die Technologie unter anderem für seinen "Copilot". Vor einigen Tagen hatte auch Apple eine Kooperation mit OpenAI angekündigt. "Siri", die digitale Assistentin des iPhone-Anbieters, soll künftig für bestimmte Aufgaben auf die Hilfe von ChatGPT zurückgreifen.
Der Fernbus- und Bahnbetreiber Flix sucht Insidern zufolge nach Alternativen zu seinem geplanten Börsengang und spricht daher mit Finanzinvestoren über einen Einstieg. Darunter sei die schwedische EQT, die einen Minderheitsanteil an Flix übernehmen könnte, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen heute der Nachrichtenagentur Reuters. Die Gespräche stünden aber noch am Anfang.
Das "Handelsblatt" berichtete unter Berufung auf Finanz- und Private-Equity-Kreise, es gehe um einen Anteil von 30 Prozent. Flix könne dabei mit 3,2 Milliarden Euro bewertet werden, bestätigte einer der Insider. Das sei mehr als die Banken derzeit bei einem Gang an die Börse für erzielbar hielten.
Adobe hat dank einer starken Nachfrage nach seinen KI-Werkzeugen die Expertenerwartungen beim Umsatz übertroffen und seine Aktie auf einen Höhenflug geschickt. Der "Photoshop"-Anbieter gab am Abend nach US-Börsenschluss einen Umsatz im zweiten Quartal von 5,31 Milliarden Dollar bekannt. LSEG-Daten zufolge hatten Analysten mit 5,29 Milliarden gerechnet. Die Adobe-Aktie lag im nachbörslichen Handel zunächst zwölf Prozent im Plus.
Adobe hat sein Vorzeige-Programm, die Bildbearbeitung "Photoshop", mit der selbst entwickelten Künstlichen Intelligenz (KI) "Firefly" ausgerüstet. Anders als Konkurrenzprodukte wie "Dall-E" oder "Midjourney" kann sie den Angaben zufolge unter anderem eine hastige Entwurfszeichnung als Grundlage nehmen, um daraus mit Hilfe zusätzlicher Anweisungen ein professionelles Bild zu erstellen. Die Analysten des Research-Hauses Melius wiesen allerdings darauf hin, dass der Wettbewerb härter werde. KI-gestützte Programmierhilfen begünstigten die Gründung von Startups.