Gewinnmitnahmen Börsen kommen nicht mehr voran
An sich sind die Investoren recht zufrieden mit den jüngsten Unternehmenszahlen. Dass die jüngste Erholung zur Wochenmitte dennoch stockte, lag wohl vor allem an Gewinnmitnahmen.
Nach zwei Gewinntagen ist die Erholung an der Wall Street zum Stillstand gekommen. Der Leitindex Dow Jones ging mit 38.460 Punkten 0,11 Prozent tiefer aus dem Handel. "Die Anleger werden etwas vorsichtiger, obwohl die Konzernbilanzen immer noch ziemlich stark zu sein scheinen", sagte Brian Nick vom Finanzdienstleister The Macro Institute. Jedenfalls nutzten einige Anlegerinnen und Anleger die jüngste Aufwärtsbewegung, um ihre Gewinne mitzunehmen.
Die Auftragseingänge langlebiger Güter deuteten auf eine robuste Verfassung der US-Industrie hin. Die Bestellungen für Güter wie Flugzeuge und Maschinen legten im März um 2,6 Prozent zum Vormonat zu. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten lediglich mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent gerechnet. Das Bestellplus aus dem Vormonat wurde im Zuge einer Revision allerdings deutlich eingedampft - auf 0,7 Prozent von zunächst für Februar gemeldeten 1,3 Prozent.
An der Technologiebörse Nasdaq wurden die Kurse zunächst von der Erholung der Tesla-Aktie und ermutigenden Zahlen von Texas Instruments angetrieben. Am Ende blieb aber nur ein Plus von 0,32 Prozent im Nasdaq 100.
Nach Börsenschluss erwarten die Investoren noch die Quartalsberichte der Facebook-Mutter Meta und des IT-Konzerns IBM.
Auch am deutschen Aktienmarkt hatte es zunächst nach dem dritten Erholungstag in Folge ausgesehen. Am Nachmittag driftete der DAX dann aber fast kontinuierlich nach unten und schloss 0,27 Prozent tiefer bei 18.088 Punkten. Der Schlusskurs des DAX wird übrigens künftig erst um 18.00 Uhr vorliegen. Die Deutsche Börse hat die Berechnungszeit des deutschen Leitindex' an die europäischen Stoxx Indizes angeglichen.
Rückenwind für den DAX war zunächst von der Konjunkturseite gekommen. Der wichtigste deutsche Frühindikator, das ifo-Geschäftsklima, stieg auf 89,4 Punkte von revidiert 87,9 Zählern im Vormonat. Das war bereits der dritte Anstieg in Folge. Das schürt Hoffnungen auf eine konjunkturelle Wende zum Besseren, zumal zuletzt auch andere Frühindikatoren positiv überrascht hatten.
"Von nun an sollte die deutsche Wirtschaft wieder wachsen, nachdem sich die Unternehmen an die höheren Leitzinsen gewöhnt haben und die Energiekosten gefallen sind", kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Die Feinunze Gold kostet zur Stunde 2.322 Dollar und damit etwa so viel wie gestern Abend. Seit seinem Rekordhoch bei rund 2.432 Dollar hat das gelbe Edelmetall über 100 Dollar eingebüßt. Der Euro liegt mit 1,07 Dollar ebenfalls kaum verändert im Markt.
Der Bitcoin hat seine zu Wochenbeginn erzielten Gewinne bereits wieder aufgezehrt. Am Abend kostete eine Einheit der bekanntesten Kryptowährung um 60.100 Dollar. Am Wochenende hatte das zuvor mit Spannung erwartete "Halving" stattgefunden, durch das die Belohnung für die Verifizierung von Bitcoin-Transaktionen alle vier Jahre halbiert wird. Das war in der Vergangenheit in der Regel mit Kurszuwächsen einhergegangen. Die moderate Kursreaktion am Montag und die Verluste seit Dienstag deuten aber darauf hin, dass die Anleger den Effekt des "Halving" bereits antizipiert hatten. Die Aussicht auf global sinkende Kapitalmarktzinsen dürfte die Attraktivität von Bitcoin perspektivisch aber erhöhen, meinte Timo Emden von Emden Research.
Die Ölpreise drehten nach anfänglichen Zuwächsen ins Minus. Am späten Abend kostet ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 87,17 Dollar und damit 1,4 Prozent weniger als am Vortag. Auch der unerwartet deutliche Rückgang der Ölreserven in den USA stützte die Notierungen nur wenig. Die Bestände an Rohöl sanken im Vergleich zur Vorwoche um 6,4 Millionen auf 453,6 Millionen Barrel. Das war der größte Rückgang seit Januar. Analysten hatten im Schnitt mit einem Anstieg um 2,0 Millionen Barrel gerechnet.
Der auffälligste Titel unter den großen Technologietiteln an der Nasdaq war Tesla. Die Aktie erholte sich nach ihrem monatelangen Kursverfall zweistellig. Der Elektroautobauer hat eine frühere Markteinführung neuer Modelle angekündigt und damit die Anleger trotz eines Umsatzrückgangs erfreut. Man werde die ursprünglich für das zweite Halbjahr 2025 geplante Produktion auf den Jahresanfang 2025 oder gar auf Ende 2024 vorziehen, sagte Tesla-Chef Elon Musk.
Die Krise um den Mittelstreckenjet 737 MAX hat dem US-Flugzeughersteller Boeing im ersten Quartal einen weiteren Verlust eingebrockt. Unter dem Strich lag der Fehlbetrag mit 355 Millionen Dollar allerdings 16 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor, wie der Konkurrent des weltgrößten Flugzeugbauers Airbus kurz vor US-Börsenbeginn mitteilte. Analysten hatten ein noch größeres Minus erwartet. Auch der bereinigte Mittelabfluss fiel mit 3,9 Milliarden Dollar nicht ganz so hoch aus wie erwartet.
Am deutschen Markt hellten positiv aufgenommene Zahlen des niederländischen Halbleiter-Zulieferers ASM International (ASMI) die Stimmung auf. Im DAX war die Infineon-Aktie mit einem Plus von über fünf Prozent der mit Abstand größte Kursgewinner. Im MDAX lag die Aixtron-Aktie vorn, im SDAX haussierten Papiere von Elmos Semiconductor.
ASMI profitiert nach eigenen Angaben von einer überraschend starken Nachfrage aus China. Analysten gefiel die höher als erwartet ausgefallene Profitabilität im Quartal. Gute Zahlen des US-Konzerns Texas Instruments vom Vorabend schoben die europäischen Technologiewerte zusätzlich an.
Die Deutsche Börse bleibt dank einer Übernahme und gut laufender Geschäfte auf Rekordkurs. Der Reingewinn des Börsenbetreibers stieg zum Jahresauftakt überraschend deutlich um fünf Prozent auf 497,6 Millionen Euro. Die Erlöse zogen um 16 Prozent auf 1,43 Milliarden Euro an. Die Aktie lag dennoch im Minus, Marktbeobachterinnen und Marktbeobachter sprachen von Gewinnmitnahmen.
Im MDAX brach die Evotec-Aktie zeitweise um rund 40 Prozent ein - und damit so stark wie noch nie. Mit zwischenzeitlich 8,63 Euro markierte sie den niedrigsten Stand seit sieben Jahren. Der Hamburger Biotech-Konzern sorgte mit seinem Geschäftsausblick für herbe Enttäuschung unter den Anlegern: Das Unternehmen peilt für das bereinigte Ebitda ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich an. "Der Konsensus lag bei einem Anstieg von 140 Prozent", erklärte ein Händler. Gestern Abend hatte Evotec den neuen Konzernchef Christian Wojczewski vorgestellt, der allerdings erst im Juli antreten wird.
Hugo Boss will sich komplett von seinem Russland-Geschäft trennen. Der Modekonzern wolle seine russische Tochtergesellschaft an den langjährigen Großhandelspartner Stockmann JSC verkaufen, teilte eine Sprecherin des MDAX-Konzerns auf Anfrage mit. Die russischen Behörden hätten bereits zugestimmt. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hatte Hugo Boss im März 2022 seine Filialen in Russland geschlossen und das Online-Geschäft ausgesetzt. Zusammen mit der Ukraine habe das Russland-Geschäft 2021 rund drei Prozent des Konzernumsatzes ausgemacht. Das Modelabel war im vergangenen Jahr in die Kritik geraten, weil über den Großhandel weiter Ware in Russland verfügbar ist.
Das Jenaer Software-Unternehmen Intershop steckt nur noch leicht in den roten Zahlen. In den ersten drei Monaten des Jahres stand unterm Strich ein Minus von etwa 100.000 Euro. Intershop hatte das vergangene Jahr mit 3,6 Millionen Euro Verlust abgeschlossen. Das erste Quartal 2023 war mit einem Minus von etwa einer Million Euro abgeschlossen worden.
Die Tübinger Biotechfirma CureVac muss nach höheren Verlusten im vergangenen Geschäftsjahr Kosten senken und will mehr als ein Zehntel der Arbeitsplätze streichen. Über ein Freiwilligen-Programm sollen 150 Jobs abgebaut werden, wie das Unternehmen, das in der Pandemie mit der Entwicklung seines Corona-Impfstoffs scheiterte, mitteilte. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht geplant. Gegenwärtig hat CureVac weltweit rund 1.100 Beschäftigte. Unternehmensstrukturen sollen gestrafft und die Betriebskosten gesenkt werden. Zur Höhe der ab dem zweiten Halbjahr erhofften Einsparungen äußerte sich CureVac nicht.
Eine düstere Prognose von Kering lastete auf dem Luxusgüter-Sektor. Der französische Modekonzern (Gucci, Yves Saint Laurent, Balenciaga) rechnet nach einem mageren Auftakt mit einem deutlichen Ergebniseinbruch im ersten Halbjahr. Das wiederkehrende operative Ergebnis dürfte gegenüber dem Vorjahreswert von gut 2,7 Milliarden Euro nun um 40 bis 45 Prozent sinken.