plusminus-Recherche Geldwäsche "as a service"
Deutschlands Wirtschaft ist im Visier professioneller Geldwäscher. Sie suchen auf Plattformen im Darknet nach Firmen, die Gelder für sie waschen. Das organisierte Verbrechen missbraucht dafür legale Unternehmen.
"Haben 300.000 Euro Einnahmen und würde diese gerne mit Beteiligung von zehn bis 20 Prozent säubern. Wer kann mir dabei helfen?" oder "Suche Zwischenhändler, die im Umfeld 'Trading' aktiv sind", um Gelder "zu säubern." Das sind Anfragen Krimineller aus einem Forum im Darknet. Sie suchen Firmen, die illegale Gelder über ihre Bücher laufen lassen.
Das sei eine typische Form der sogenannten handelsbasierten Geldwäsche, sagt Arndt Sinn vom Zentrum für Europäische und internationale Strafrechtsstudien (ZEIS): "Es gibt Akteure, die für kriminelle Organisationen Geldwäsche anbieten. Das nennt man 'Crime as a Service'." Alles, was man handeln kann, würde zur Geldwäsche auch genutzt, so Sinn.
Die Vorgehensweisen bei handelsbasierter Geldwäsche sind vielfältig. Zu hohe oder zu niedrige Rechnungen, Mehrfachabrechnungen von Waren und Dienstleistungen, Lieferungen mit abweichendem Inhalt oder Phantomrechnungen, also Rechnungen für Lieferungen, die es gar nicht gab: Das sind typische Erscheinungsformen der Geldwäsche mit Hilfe von Unternehmen.
"Die handelsbasierte Geldwäsche unterliegt immer neuen Entwicklungen und Trends. Versuche handelsbasierter Geldwäsche, etwa in Form falsch oder mehrfach ausgestellter Rechnungen, sind ein andauerndes Problem, dem bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde", resümiert Markus Herbrand, Mitglied des Bundestags und Obmann der FDP im Finanzausschuss der abgelaufenen 19. Wahlperiode. Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung befinde sich in Deutschland in einem desolaten Zustand, so Herbrand weiter.
Rund 100 Milliarden Euro pro Jahr
Rund 100 Milliarden Euro an schmutzigem Geld schleust das organisierte Verbrechen jährlich nach Deutschland. Der genaue Anteil der handelsbasierten Geldwäsche lasse sich zwar nur schwer abschätzen, sagt Lisa Paus, Sprecherin für Finanzpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, aber: "Es werden in der Praxis immer wieder Fälle aufgedeckt, die auf ein sehr ernstzunehmendes Problem hindeuten. Über große Handelsvolumina können schnell riesige Summen gewaschen werden." Der Wirtschaftsstandort Deutschland sei sehr attraktiv - gerade auch für handelsbasierte Geldwäsche. Den Grund sieht Paus auch in schwachen Kontrollen und fehlender Transparenz. "Die Einfallstore bei Handelsaktivitäten sind so vielfältig wie der Einfallsreichtum der Geldwäscher", so die Grünen-Politikerin.
Der Bundestagsabgeordnete Sepp Müller von der CDU ist ebenfalls Mitglied des Finanzausschusses der vergangenen Wahlperiode. Er mahnt an, dass die vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeiten von der neuen Regierung jetzt auch genutzt und konsequent angewandt werden sollten: "Leider hat sich gezeigt, dass das SPD-geführte Finanzministerium mit seinen nachgeordneten Behörden wie FIU (Financial Intelligence Unit) und BaFin beim Kampf gegen die Geldwäsche noch deutlich mehr machen könnten als bisher."
Ein Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag erklärt auf Anfrage, in der vergangenen Legislaturperiode habe die Bundesregierung auf Betreiben der SPD den Kampf gegen Geldwäsche deutlich verschärft. Auch der sogenannte All-Crimes-Ansatz fällt darunter. Seither ist jede Vortat, aus der das kriminelle Geld stammt, relevant - nicht nur bestimmte, wie zuvor etwa Drogen- oder Menschenhandel.
Taten oft nur schwer zu ermitteln
Doch die Einbeziehung von Alltagskriminalität helfe wenig, fürchtet Wissenschaftler Sinn: "Ich glaube nicht, dass der All-Crimes-Ansatz sehr hilfreich ist, weil diese Vortaten, die typisch für die organisierte Kriminalität sind, um nur einige zu nennen - Drogen, Waffen, Menschenhandel - auch vorher schon Vortaten waren, wenn sie bandenmäßig oder als kriminelle Organisation in Deutschland begangen wurden", sagt er. "Wir lösen das Problem nur, wenn wir Wissen bündeln, wenn wir unsere Kontrollbehörden so aufstellen - personell und auch mit entsprechender Technik -, dass sie agieren können, natürlich in den rechtsstaatlichen Grenzen, die unser Grundgesetz uns vorgibt."
Nur wenige Geldwäsche-Fälle landen vor Gericht, da es in Deutschland für ein Verfahren, unabhängig vom All-Crime-Ansatz, hohe Hürden gibt. So muss meist das zu Grunde liegende Delikt nachweisbar sein. Zudem ende hier auch oftmals die Bereitschaft der Staatsanwaltschaften, Auslandsermittlungen zu initiieren, da Auskünfte aus dem Ausland oft nur zögerlich, unvollständig oder gar nicht zu erhalten seien, so ein Geldwäsche Ermittler, der anonym bleiben möchte im Interview mit dem ARD-Magazin plusminus: "Die Bereitschaft vieler Staatsanwaltschaften, ein Verfahren wegen Geldwäsche ohne bekanntes Grunddelikt zu führen, ist vielfach gleich Null", so die Erfahrung des Ermittlers.
Gewerkschaft für effiziente Finanzpolizei
Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft der Polizei fordert eine Finanzpolizei: "Unser Ansatz ist, dass wir die Finanzermittlungen aus dem Strafverfahren rausholen in ein Vorfeld der präventiven Finanzermittlungen. Dann können wir uns auf die Suche nach inkriminiertem Vermögen machen, auch wenn wir gar keine Straftat erkennen im Augenblick. Denn es gibt ja Leute, die betreiben Geldwäsche so abgeschottet - als Dienstleistung für die organisierte Kriminalität -, dass man nie zu irgendeiner Vortat kommt."
Da Geldwäscher nicht auf Rendite aus sind, sind Verzerrungen im Markt-Preismechanismus vorprogrammiert. Konrad Duffy von der Bürgerbewegung Finanzwende warnt, die neue Bundesregierung müsse dringend handeln. Denn die handelsbasierte Geldwäsche betreffe Unternehmen, die hier im Wettbewerb stehen mit solchen, die illegale Gelder für sich nutzen würden: "Es ist ein Riesenproblem für unsere Demokratie, wenn der Rechtsstaat nicht dafür sorgen kann, dass diese kriminellen Strukturen zurückgedrängt werden und das schmutzige Geld aus der Gesellschaft rausgedrängt wird."
Um das zu erreichen, so Experte Sinn, müsse die für die Geldwäsche-Bekämpfung zuständige Behörde besser ausgestattet sein. Schmutziges Geld in Waren- und Finanzströmen sei nur mit Hilfe von einem auf Künstlicher Intelligenz basierten Risk-Management-System aufzuspüren.
Über dieses Thema berichtet das ARD-Magazin plusminus heute Abend um 21:45 Uhr im Ersten.