Marktmacht von Google "Süß, aber in der Masse ungesund"
Die Marktmacht von Google ist vielen, vor allem in Europa, unheimlich. Der Marktanteil der Suchmaschine liegt bei mehr als 90 Prozent. Und zu Google gehören viele weitere Firmen. Im Gespräch mit tagesschau.de vergleicht der Buchautor Torsten Fricke Google mit Zucker.
tagesschau.de: Das Verfahren der EU-Kommission läuft seit längerem, warum jetzt die Kartellbeschwerde?
Torsten Fricke: Ich glaube, dass man folgendes mittlerweile verstanden hat: Die Technik von Google ist hervorragend, ohne Frage, und natürlich wird niemand gezwungen, Google-Produkte zu benutzen. Insofern verdient es Respekt, dass Google sich diesen Marktanteil erarbeitet hat. Aber es sind viele Dinge einfach nicht nachvollziehbar: Google ist das größte Medienunternehmen in Deutschland, es ist aber gleichzeitig nicht reguliert. Schauen Sie sich die Zeitungen, Radio- und Fernsehsender an, wo Regeln gelten. Für Google gelten die nicht. Und da fragt man sich: Muss es da nicht auch Regeln geben?
Torsten Fricke ist Journalist und Buchautor aus München. Gemeinsam mit Ulrich Novak verfasste er "Die Akte Google", im Untertitel: "Wie der US-Konzern Daten missbraucht, die Welt manipuliert und Jobs vernichtet". Fricke hat ursprünglich beim "Münchner Merkur" volontiert, bei Zeitungen gearbeitet, unter anderem als stellvertretender Chefredakteur der "Abendzeitung" in München. Er war Unternehmenssprecher bei Premiere / Sky und ist heute Geschäftsführer von TV Media, einer PR-Firma und Medienberatung.
tagesschau.de: Ist Google der EU-Kommission in den vergangenen Jahren entgegenkommen?
Fricke: Nach meiner Kenntnis nicht, zumindest nicht in den wesentlichen Punkten. Das will Google nicht. Google will den Marktanteil weiter ausbauen, auch in anderen Bereichen, das ist aus deren Sicht auch absolut verständlich, Google will schließlich Umsatz machen. Aber es ist Sache der Politik, die Spielregeln aufzustellen, und zwar so, dass auch andere Marktteilnehmer überhaupt eine Chance haben. Google bestimmt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Wissenschaft, beeinflusst uns Verbraucher und Google ist über den Algorithmus, auch das ist mittlerweile belegt, in der Lage, Wahlen zu beeinflussen.
tagesschau.de: Eine Strafe könnte mehr als 6,6 Milliarden Euro betragen. Wie empfindlich würde Google dies treffen?
Fricke: Google hat in der Vergangenheit öfter Strafen zahlen müssen, zum Beispiel, weil sie dafür gesorgt und es nicht unterbunden haben, dass illegal Medikamente von Kanada in die USA verkauft worden sind. Das hat 500 Millionen US-Dollar gekostet. Das ist zwar eine große Summe für alle anderen Marktteilnehmer, aber für Google selber wird das kein Schlag ins Kontor sein. Statt Strafen auszusprechen, wäre es wichtiger, dafür zu sorgen, dass es einfach mehr Wettbewerb gibt, da haben alle am Ende mehr davon.
tagesschau.de: Bislang wurden die europäischen Initiativen gegen Google im Silicon Valley eher belächelt, heißt es. Könnte sich das jetzt ändern?
Fricke: Ich glaube, dass man das mittlerweile bei Google schon verstanden hat. Man sieht das auch, wenn man sich den Geschäftsbericht von Google durchsieht. Jedes Unternehmen muss ja veröffentlichen, welche Risiken es sieht und Google hat sehr ausführlich geschildert, dass es eben das Risiko sieht, dass sich Gesetze ändern, dass man in Prozesse verstrickt werden könnte oder sich womöglich anderen Regeln unterwerfen muss. Ich glaube, dass Google das nicht auf die leichte Schulter nimmt.
tagesschau.de: Kann Google darauf bauen, dass die US-Regierung dem Unternehmen beisteht und welche Rolle könnte das in dem weiteren Verfahren spielen?
Fricke: Ich glaube schon, dass die US-Regierung versuchen wird, da Google beizustehen. Weil sie das sicherlich auch als Zeichen werten wird für ein vermeintlich amerikafeindliches Handeln. Die amerikanische Regierung weiß natürlich, was sie an Google hat und es gibt auch enge Beziehungen zwischen der Google-Führung und Barack Obama, auch das ist belegt. Aber wie weit die Regierung sich dann aus dem Fenster wagt? Ob es zu einem Streit zwischen Europa und den USA in dieser Frage kommen könnte, da bin ich mir nicht sicher.
tagesschau.de: Warum hat sich keine wirkliche Alternative zu Google entwickeln können?
Fricke: Google hat eine hervorragende Technik und von Anfang an darauf gesetzt, das Beste zu haben und sehr, sehr schnell zu sein. Das Geschäftsmodell hat man erst einmal hintenangestellt. Dadurch haben sie einen enormen Markanteil gewonnen, zu Recht, und anschließend die Bezahlschraube hochgedreht und Werbung eingeführt. Sie haben das eben richtig gemacht: Großer Marktanteil und dann anschließend an die Refinanzierung gedacht. Ich würde sagen Google ist wie Zucker, Google ist auch süß und sehr bekömmlich, aber in der Masse ist es leider auch ungesund.
Das Interview führte Andreas Trabusch, tagesschau.de