Zustimmung für Tsipras bröckelt Nein, ja, vielleicht
Mit seinen Manövern hat Griechenlands Ministerpräsident Tsipras die Geldgeber düpiert, doch auch die Griechen sind mittlerweile verunsichert. Welche Folgen ein "Nein" beim Referendum hätte, ist völlig unklar. Die Folge: Die Zustimmung für die Vorschläge aus Brüssel wächst.
Kurz vor dem Referendum am Sonntag in Griechenland wächst offenbar die Zustimmung zu den von den internationalen Gläubigern des Landes vorgeschlagenen Reformmaßnahmen. In einer jüngsten Umfrage zeigte sich nun eine knappe Mehrheit für "Ja".
47,1 seien für, 43,2 Prozent dagegen, ergab die Befragung unter 1000 Menschen aller Altersgruppen in verschiedenen Teilen des Landes, die die konservative Zeitung "Eleftheros Typos" veröffentlichte.
Ein Grund dafür könnte der undurchsichtige politische Kurs von Ministerpräsident Alexis Tsipras sein. So lehnte der in den vergangenen Tagen zunächst ein letztes Angebot des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker ab, dann schickte er einen Brief nach Brüssel, dass er die Forderungen im Grundsatz akzeptiere - allerdings mit deutlichen Modifikationen. Und schließlich rief er die Griechen in einer TV-Rede auf, das Maßnahmenpaket der EU doch abzulehnen. Dabei ist die Frist aus Brüssel für dieses Paket am 30. Juni abgelaufen.
Kritik am Referendum
In einem Leitartikel rechnete nun die links-liberale Online-Zeitung "To Vima"mit Tsipras ab: "Herr Ministerpräsident, das Land ist dank Ihrer Fehler und ihrer Entscheidungen praktisch bankrott", schrieb das Blatt in dem Artikel, der wie ein Brief an den Regierungschef abgefasst war. "Erkennen Sie endlich an, dass Sie das Volk in ein spalterisches Referendum führen."
Tatsächlich stehen sich Befürworter und Gegner der Tsipras-Linie immer erbitterter gegenüber. Auf den Straßen der Hauptstadt Athen demonstrieren regelmäßig Tausende für oder gegen den Kurs des Ministerpräsidenten.
Auch innerhalb der Links-Rechts-Regierung löst das geplante Referendum nun Spannungen aus. Beim rechtspopulistischen Koalitionspartner ANEL (Unabhängige Griechen) verlangten Abgeordnete, die Volksabstimmung abzusagen. Andere kündigten an, entgegen der Empfehlung von Tsipras mit Ja zu stimmen.
Auch der frühere griechische Ministerpräsident Kostas Karamanlis rief die Griechen dazu auf, beim Referendum über die Reformvorschläge der Gläubiger mit einem "Ja" zu stimmen. "Europa ist unsere Heimat, Griechenland ist untrennbar mit Europa verbunden", sagt der konservative Politiker in einer Fernsehansprache.
Klage gegen das Referendum
Noch ist aber nicht sicher, ob das Referendum tatsächlich stattfinden kann. So muss Griechenlands Staatsrat, das höchste Verwaltungsgericht des Landes, darüber entscheiden, ob die geplante Volksabstimmung über den Spar- und Reformkurs rechtmäßig ist. Wie der staatliche Rundfunk ERT berichtete, hatten zwei Bürger - ein Ingenieur und ein Jurist - gegen das Referendum geklagt.
Der Staatsrat will heute in einer Sondersitzung über die Klage entscheiden. Die Kläger hatten ihren Einspruch damit begründet, dass die Volksabstimmung nicht den - in der Verfassung vorgeschriebenen - Anforderungen entspreche. Sie wollen erreichen, dass der Staatsrat die Abhaltung des Referendums mit einer einstweiligen Verfügung unterbindet. Griechische Verfassungsrechtler räumten der Klage nach Medienberichten allerdings kaum Erfolgschancen ein.