Finanzhilfen für Griechenland Ein Marshallplan ist mühsame Kleinarbeit
In Griechenland werde zu viel gespart und zu wenig in den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft investiert. So lautet ein gängiger Vorwurf. Aber schon im vergangenen Jahr hat die EU teilweise umgesteuert. Fördermittel sollen schneller zum Einsatz kommen und in zukunftsträchtige Projekte fließen.
Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
New Deal, Marshall- oder Herkulesplan: Mit großartigen Begriffen ist die Politik schnell dabei, wenn es um den wirtschaftlichen Aufbau im Fast-Pleitestaat Griechenland geht.
So forderte Daniel Cohn-Bendit, Chef der Grünen im Europaparlament gerade wieder: "Jetzt muss man einen Plan finden für Griechenland, wo einerseits ein Schuldenerlass, andererseits eine Reform besprochen wird und einen Marshallplan, einen Investitionsplan. Sonst kann keine Wirtschaft wieder angekurbelt werden."
Konkrete Arbeit statt Worthülsen
Im Prinzip sei gegen solch vielversprechende Etiketten nichts einzuwenden, sagt Janis Emmanoulidis. Aber am Ende komme es auf den Inhalt an, so der Forscher am European Policy Centre in Brüssel: "Es muss sich dahinter wirklich Substanz verbergen. Das ist das Zentrale", sagt der Wissenschaftler. "Wenn sich dahinter nur Worthülsen wie eine Formulierung in den Abschlusserklärungen der EU-Gipfel befinden, hilft das natürlich nicht weiter. Konkrete Arbeit muss geleistet werden."
Und das passiert bereits, allerdings eher hinter den Kulissen. Seit Sommer ist die so genannte Task Force Griechenland im Einsatz. Das Expertenteam um Horst Reichenbach aus Deutschland soll die Griechen dabei unterstützen, erst einmal die Milliardenhilfen zu nutzen, die bereits vorhanden sind.
Reichenbach, ein erfahrener Krisenmanager, hat die Europäischen Strukturfonds im Blick: "Auf der Finanzseite sind die Strukturfonds vorhanden. Und die Strukturfonds bis 2013 gut zu absorbieren ist an sich schon eine große Aufgabe, so dass weitere Marshall-Fund-Finanzmittel eigentlich kaum in sinnvolle Projekte umzumünzen sein könnten."
Hinter dem Begriff EU-Strukturfonds verbergen sich mehrere Finanzinstrumente, mit denen die Europäische Union die Lebensverhältnisse in den Mitgliedsstaaten angleichen will. Zwischen 2007 und 2013 stellt Brüssel dafür 347 Milliarden Euro zur Verfügung. Da die EU-Staaten die selbe Summe noch einmal drauflegen, kommen so fast 700 Milliarden Euro zusammen.
Mit 200 Milliarden Euro fließen die meisten Mittel in den Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) - auch Regionalfonds genannt. Er soll ärmere Regionen dabei unterstützen, Anschluss an die wirtschaftliche Niveau der wohlhabenderen Regionen der EU zu finden. Der EFRE fördert deshalb in Kofinanzierung vor allem den Aufbau moderner wirtschaftlicher Strukturen und die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze. Allerdings erhaltenen auch wohlhabende Staaten wie Deutschland Mittel aus dem Fonds. Zwischen 2007 und 2013 flossen so 17 Milliarden Euro in die Bundesrepublik.
Mit dem Europäische Sozialfonds (ESF) will die EU die Entstehung von Arbeitsplätzen im Staatenbund fördern. Für dieses Ziel hat die Union zwischen 2007 und 2013 rund 76 Milliarden Euro bereitgestellt - rund zehn Prozent des gesamten EU-Haushalts.
Mit dem Kohäsionsfonds will die EU schließlich die Integration der transeuropäischen Verkehrsnetze und die Umwelt fördern. Dafür wird er zwischen 2007 und 2013 mit rd. 70 Milliarden Euro ausstaffiert.
Für Griechenland sind über die gesamte Periode 20,4 Milliarden Euro vorgesehen - deutlich weniger, als Deutschland bekommen soll (26,3 Mrd. Euro). In den Jahren 2011 und 2012 stehen jeweils 2,8 Milliarden Euro für Griechenland abrufbereit.
Griechen haben erst ein Drittel der Gelder abgerufen
Erst rund ein Drittel der ihnen zustehenden Gelder haben die Griechen in der bis Ende nächsten Jahres laufenden Förderperiode abgerufen. Für einen großen Teil müssen noch vernünftige Projekte gefunden werden. Und genau dabei soll die Task Force helfen. Das Land habe durchaus Potenzial, wie Wirtschaftswissenschaftler Emmanoulidis aufzählt: "Im Bereich der Tourismusindustrie hat man sicherlich noch nicht all das ausgeschöpft. Darüber hinaus sind Infrastrukturprojekte eine Möglichkeit, Wirtschaftsentwicklung auch in anderen Regionen des Landes zu fördern und nicht nur in den Kernregionen wie Athen", sagt Emmanoulidis. "Der Energiebereich ist einer, wo die Überlegung da ist, dass man regenerative Energien in Griechenland fördert. Vor allem was Solarenergie angeht."
"Geld kann oft nicht sinnvoll genutzt werden"
Außerdem hat die EU den Anteil der Projektkosten gesenkt, die Griechenland aus eigener Kasse beisteuern muss. So will Brüssel verhindern, dass sinnvolle Investitionen am harten Sparkurs scheitern. Und Griechenland brauche ganz praktische Hilfe, meint der CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper: "Es ist tatsächlich so, dass viel europäisches Geld in der Pipeline ist, was wir gerne ausgeben würden, was aber vor Ort gar nicht sinnvoll eingesetzt werden kann."
Der CDU-Politiker sagte weiter: "Deswegen müssen wir mehr an die Regionalverwaltung ran, müssen wir mehr Expertenwissen dort reinbringen, dass wir dort dann auch diese Gelder wirklich nutzen können."
Finanzhilfen könnten Firmengründungen ermöglichen
Aber auch wenn es gelingt, das Tempo zu erhöhen: Vor allem bei Investitionen in die Infrastruktur dauert es viele Jahre, bis sie sich voll auszahlen. Inzwischen brauchen vor allem kleine und mittlere Firmen in Griechenland akut Hilfe. Die griechischen Banken vergeben quasi keine neuen Kredite mehr. Mit Hilfe von EU-Geldern könnten im Kern solide Firmen gerettet werden und neue gegründet.
Wissenschaftler Emmanoulidis sieht Potenzial in Griechenland: "Es gibt viele junge Griechen die aufgrund der Tatsache, dass sie keine Perspektive haben im Land, sich selbstständig machen wollen. Es gibt auch das kreative Potenzial dafür im IT-Bereich beispielsweise."
Der Marshallplan für Griechenland besteht also vor allem aus viel mühsamer Kleinarbeit.