Hintergrund

Sanierung durch Insolvenz? Letzter Ausweg vor der Pleite

Stand: 08.06.2009 17:46 Uhr

Insolvenz verbinden viele automatisch mit Pleite. Doch das Verfahren bietet gerade für Großunternehmen Chancen zur Sanierung. Noch ist das die Ausnahme. Doch bekannte Marken belegen seine Erfolgschancen.

Von David Rose, tagesschau.de

Auf die Insolvenz folgt oft das Aus für Unternehmen. Um zumindest einen Teil ihres Geldes zurückzubekommen, bevorzugen Gläubiger meist die Abwicklung einer maroden Firma. Gebäude, Maschinen und Warenbestände werden verkauft. Nur wenige Unternehmen bekommen Gelegenheit, sich zu sanieren. Doch Beispiele wie die Modekette SinnLeffers und der Schreibwarenhersteller Herlitz zeigen, dass Insolvenzverfahren auch zur Rettung führen können. In beiden Fällen gelang die Sanierung durch einen Insolvenzplan, der auch für den Autohersteller Opel diskutiert wurde.

Pleite-Ängste der Geschäftspartner

Insolvenz verbinden viele mit Pleite. Geschäftspartner insolventer Unternehmen stellen oft aus Angst vor weiteren Verlusten ihre Lieferungen ein oder kündigen Verträge. Gerade das kann das endgültige Aus für die betroffene Firma zur Folge haben.

Für 2008 meldete das Statistische Bundesamt 29.291 Unternehmeninsolvenzen in Deutschland. Doch nur für 640 Firmen wurde laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform eine Sanierung mit Hilfe eines Insolvenzplans eingeleitet. Diese Möglichkeit war zentraler Bestandteil einer Gesetzesreform des Jahres 1999. Doch seither wurde diese Variante nicht einmal in einem Prozent aller Fälle genutzt.

Der Normalfall sieht so aus: Wenn ein Unternehmen seine Rechnungen nicht mehr zahlen kann, stellt es beim Amtsgericht einen Insolvenzantrag. Falls das verbliebene Geld für die Verfahrenskosten reicht, eröffnet ein Richter das Insolvenzverfahren. Zugleich ernennt er einen Insolvenzverwalter, der fortan für die Firma verantwortlich ist. An ihn richten die Gläubiger auch ihre Forderungen.

Gläubiger entscheiden über Sanierung

Der Insolvenzverwalter analysiert auf einer Gläubigerversammlung die Lage des angeschlagenen Unternehmens. Er bewertet dabei die Chancen, die Firma zumindest in Teilen zu erhalten. Die Gläubiger entscheiden dann, ob das Unternehmen stillgelegt oder zunächst weitergeführt und saniert wird. Beschließen sie wie im Fall der Warenhauskette Hertie das Aus, verkauft der Insolvenzverwalter das verbliebene Vermögen und gibt das Geld an die Gläubiger weiter.

Für eine Sanierung sieht das deutsche Recht zwei Wege vor. Bei einer sogenannten "übertragenen Sanierung" kauft ein Investor das marode Unternehmen. Ziel ist es dabei, sich von Altlasten zu trennen. Deswegen entsteht meist eine neue Gesellschaft, die die Schulden und vorherigen Verträge der insolventen Firma nicht übernimmt. Das Kernproblem der wirtschaftlichen Sanierung durch eine neue Strategie, eine andere Struktur oder ein neues Geschäftsmodell bleibt damit aber zunächst ungelöst.

Insolvenzplan als Chance zur Sanierung

Eine Alternative ist der Insolvenzplan. Er zielt meist auf ein Modell ab, bei dem das Unternehmen in seiner bisherigen Rechtsform weiterarbeitet. Der Insolvenzrichter schlüpft dabei in die Rolle des Sanierers. Er bezieht Gläubiger, Banken und Arbeitnehmer in das Verfahren mit ein. Sie sollen mit Zugeständnissen die finanzielle Basis für eine Rettung schaffen. Dabei werden oft Arbeitsplätze gestrichen und Standorte geschlossen. Der Beitrag der Gläubiger besteht darin, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten.

Die Sanierung kann das Unternehmen auch in Eigenverwaltung versuchen. Statt eines Insolvenzverwalters trifft dabei die Geschäftführung weiter die wichtigen Entscheidungen. Ein sogenannter Sachwalter beaufsichtigt aber das Verfahren und die Umsetzung des Insolvenzplans.

Vorteile des Insolvenzverfahrens

Dass das Insolvenzrecht Chancen für eine Sanierung bietet, hat mehrere Gründe. Kurzfristig übernimmt die Bundesagentur für Arbeit mit dem Insolvenzgeld die Personalkosten für bis zu drei Monate. Dadurch kann die Firma durch laufende Einnahmen frisches Geld ansammeln, ohne es an die Mitarbeiter weiterreichen zu müssen. Einen weiteren Vorteil sieht Hans Haarmeyer, Direktor des Instituts für angewandtes Insolvenzrecht, in der Lösung von Verträgen durch den Insolvenzverwalter. Während des laufenden Verfahrens ist das Unternehmen zudem weitgehend vor Zwangsvollstreckungen und dem Zugriff einzelner Gläubiger geschützt. Dadurch gewinnt es Zeit, um sich neu aufzustellen.

Laut einer Studie des Zentrums für Insolvenz und Sanierung (ZIS) und des Kreditversicherers Euler Hermes haben zwei Drittel der insolventen Unternehmen mit mindestens fünf Millionen Euro Jahresumsatz eine Chance auf Sanierung. Bei mittelständischen Firmen mit Umsätzen zwischen 500.000 Euro und fünf Millionen Euro ist es demnach noch jede zweite. "Die Möglichkeit zur Sanierung im Insolvenzverfahren wird zu selten genutzt", sagt ZIS-Vorstand Georg Bitter tagesschau.de.