Wirtschaftsforscherin zu Trump "TPP-Ausstieg ist nicht sinnvoll"
"America First" sei eine nachvollziehbare Strategie des neuen US-Präsidenten Trump, sagt die Konjunkturforscherin Kolev. Eine Abschottung sei aber nicht im Interesse der US-Industrie - ebenso wenig wie der Ausstieg aus dem TPP-Abkommen.
tagesschau.de: Trumps Devise lautet "America First". Ist das Streichen von Handelsabkommen wie TPP da ein sinnvoller Schritt?
Galina Kolev: Meines Erachtens ist das Streichen von Handelsabkommen grundsätzlich kein sinnvoller Schritt. Es ist sinnvoll, die US-Industrie unterstützen zu wollen - doch das heißt viel mehr, die Stärken der US-Industrie noch weiter auszubauen. Und diese liegen sicherlich nicht in der Stahl- oder Textilproduktion, sondern viel mehr in forschungsintensiven Bereichen. Die Förderung von Forschung und Entwicklung und grundsätzlich von Innovationen könnte ein sinnvoller Schritt sein, um die amerikanische Industrie zu stärken.
Durch Handelsabkommen können sich die Länder besser spezialisieren und daraus Vorteile nutzen - dadurch wird der Kuchen nicht einfach anders verteilt, sondern der Kuchen wird größer. Es ist nicht im Interesse der US-Industrie, sich von der Außenwelt abzuschotten. Weder die Verbraucher noch die Arbeitnehmer haben etwas davon, wenn die Vorteile des Globalisierungsprozesses gestrichen werden. Denn alte Industrien zurück ins Inland zu holen, bedeutet einen Rückschritt in der Entwicklung eines so weit fortgeschrittenen Landes.
Galina Kolev leitet die Forschungsgruppe für gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln.
tagesschau.de: Was für Auswirkungen hat dieser Schritt für TTIP, das transatlantische Handelsabkommen, gegen das es in Europa so viel Widerstand gibt?
Kolev: Die Hoffnung auf eine Fortsetzung der TTIP-Verhandlungen schwindet nun noch weiter. Trump will zwar "gerechte, bilaterale Handelsverträge vereinbaren", so dass ich TTIP noch nicht für gestrichen erklären würde. Doch vorerst ist es nicht vorstellbar, dass die Verhandlungen in den kommenden Jahren in der bisherigen Form fortgesetzt werden.
tagesschau.de: Was bedeutet Trumps Kurs "America First" für Europa und Deutschland?
Kolev: "America First" muss nicht unbedingt eine schlechte Nachricht darstellen. Das ist doch eine Strategie, die jeder Politiker verfolgen müsste - die Interessen des eigenen Landes in den Vordergrund zu stellen. Doch das eigene Land in den Vordergrund stellen, heißt bei weitem nicht, einen Kurs der Isolation zu verfolgen. Wenn Trump die Interessen Amerikas weiter verfolgen will, muss er erkennen, dass der freie Waren- und Kapitalverkehr die entscheidende Komponente einer wirtschaftsfreundlichen Strategie darstellen, auf die er nicht verzichten kann. Die Abschottung von der Außenwelt wäre keine gute Nachricht für die deutsche Wirtschaft - die USA sind unser wichtigstes Exportzielland und machen fast ein Zehntel unserer Warenexporte aus. Doch "America First" darf nicht Abschottung bedeuten, sondern muss die Stärken der US-Wirtschaft erkennen und diese ausbauen.
Das Interview führte Jan Philipp Burgard, WDR, für tagesschau.de
Der Vertrag über die Transpazifische Partnerschaft (TPP) wurde im Februar 2016 nach siebenjährigen Verhandlungen in Auckland unterzeichnet. Vertragspartner waren ursprünglich zwölf Staaten: die USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Mexiko, Chile, Peru, Vietnam, Malaysia, Brunei und Singapur. China, die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, ist nicht dabei. Die USA stiegen Anfang 2017 aus dem Abkommen aus.
In der Vertragszone sollten - mit zum Teil langen Übergangsfristen - fast alle Zoll- und Importschranken fallen, die Urheber- und Markenrechte geschützt und Mindeststandards für Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte festgeschrieben werden. Das Abkommen regelt auch Dienstleistungen und Finanzgeschäfte.
Kritikern gehen die Mindeststandards nicht weit genug. Sie argumentieren, das Abkommen sei auf Profitmaximierung multinationaler Unternehmen ausgelegt und die Armen blieben auf der Strecke. Zudem erlaube das Konfliktregelungsverfahren den Konzernen, Staaten am üblichen Rechtsweg vorbei in einem Drittland zu verklagen.