EZB-Mitglied Asmussen zum ESM-Urteil Krisenbewältigung heißt nicht nur Rettungsschirm
Auch wenn die ESM-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein wichtiger Schritt sei, die Euro-Krise zu bewältigen, reiche diese allein nicht aus, meint EZB-Direktoriumsmitglied Asmussen. Im Interview mit dem Leiter der ARD-Börsenredaktion, Markus Gürne, fasst er die "Hausaufgaben" der EU-Mitgliedsstaaten zusammen.
Gürne: Herr Asmussen, wie bewertet die EZB die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum ESM?
Jörg Asmussen: Die Entscheidung heute ist ein wichtiger Schritt für Europa, für Deutschland. Es ist nun möglich den ESM-Vertrag zu ratifizieren. Der Rettungsschirm ESM ist ein ganz zentraler Baustein in unserem Krisenbewältigungsinstrumentarium. Der ESM ist besser als sein Vorläufer - der EFSF - insofern ist es ein wichtiger Schritt nach vorne. Aber es ist auch ganz klar: Die Krisenbewältigungsstrategie besteht nicht nur aus Rettungsschirmen.
Es geht erstens darum, dass auch die Mitgliedsstaaten ihre Hausaufgaben machen. Es geht zweitens darum, dass die Staatengemeinschaft die unvollständige Währungsunion vervollständigt. Und drittens: Ja, wir als EZB werden versuchen, die gestörte Geldpolitik durch unsere Maßnahmen zu reparieren, um es vereinfacht auszudrücken. Wir brauchen alles zusammen und eben nicht nur Rettungsschirme.
Gürne: Die EZB hat vergangene Woche ein unlimitiertes Ankaufprogramm von Staatsanleihen beschlossen. Wer kauft auf dem Primärmarkt Staatsanleihen an?
Asmussen: In der Tat ist es uns aus guten Gründen verboten, Staatsanleihen auf dem Primärmarkt zu kaufen. Deswegen können am Primärmarkt bisher nur der EFSF und in Zukunft der ESM Staaatsanleihen kaufen. Das ist eine klare Zuordnung, die auch richtig so ist.
Gürne: Kritiker sagen, Sie betreiben versteckte oder indirekte Staatsfinanzierung. Kann denn der ESM, wenn er auf dem Primärmarkt Staatsanleihen kauft, diese bei der EZB hinterlegen?
Asmussen: Ganz klar: Nein! Die Aktivitäten der EZB und des ESM sind klar getrennt, die Bilanzen sind klar getrennt. Was es in der Vergangenheit gegeben hat, ist eine technische Übereinkunft, dass wir als EZB als sogenannter fiskalischer Agent für den EFSF operieren. Das heißt, wir stellen technische Handelskapazitäten zur Verfügung, aber wir würden nur tätig werden auf Bitte und Rechnung und Risiko des EFSF.
Gürne: Wenn jetzt der ESM startet, haben wir zwei Säulen mit der EZB: einen Rettungsschirm und ein Anleihekaufprogramm. Das sind zwei große Waffen, um dieser Krise ein wenig Herr zu werden. Wie groß ist die Schlagkraft der EZB?
Asmussen: Was wir beschlossen haben, ist ein Schritt. Wir beziehen uns allein auf die Geldpolitik. Wir wollen eine gestörte Geldtransmission beheben. Das alleine wird die Krise nicht lösen. Die Mitgliedsstaaten müssen eine solide Finanzpolitik betreiben, ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, da, wo es nötig ist, die Bankbilanzen sanieren. Wie gesagt, wir werden nur tätig werden, wenn notwendige Vorraussetzungen erfülllt sind. Dazu gehört ein jetzt mögliches ESM-Programm unter harten wirtschaftspolitischen Auflagen.
Gürne: Gestern hat der spanische Ministerpräsident gesagt, er schließe nicht aus, dass Spanien auch als Land unter den Rettungsschirm schlüpfen müsse. Aber, was die Sparauflagen anbelangt, sei er sich nicht sicher, ob er sich diese vorschreiben lassen kann und will. Das ist aber ein zentraler Punkt. Werden die Auflagen der EZB lockerer sein als die des ESM?
Asmussen: Ein ESM-Programm mit den wirtschaftspolitischen Auflagen ist nur eine notwendige Voraussetzung für unser Handeln. Der Governing Council der EZB wird immer eine unabhängige eigenständige Entscheidung treffen, ob, wann, wie, unter welchen Voraussetzungen er gegebenenfalls Anleihen kauft. Aber die notwendige Voraussetzung sind umfassende wirtschaftspolitische Auflagen. Das betrifft nicht nur die Haushaltspolitik, sondern auch Strukturreformen oder eben auch die Sanierung des Bankensektors. Dem wird man nicht entgehen können.
Gürne: Herr Asmussen, vielen Dank für das Gespräch.