Erstes Krisenland verlässt den EU-Rettungsschirm Irlands harter Weg zur Souveränität
Die Iren verlassen den Euro-Rettungsschirm - wohl auch dank der harten Sparpolitik, die auf der Insel, anders als in Südeuropa, zu wirken scheint. Allerdings: Auch wenn es den Staatsfinanzen wieder besser geht - vielen Iren geht es immer noch schlecht.
Als erste rein, als erste raus - worauf EU-Politiker so inständig gehofft hatten, machte Irlands Regierungschef mit seiner Ankündigung vor vier Wochen wahr: "Wir verlassen den Rettungsschirm in einer starken Position", sagte Enda Kenny. "Das Wachstum ist zurückgekehrt, weil wir wieder wettbewerbsfähig sind. Die Exporte boomen, unsere Zahlungsbilanz ist im Plus, wir schaffen 3000 Jobs im Monat, unsere Haushaltssanierung ist im Plan."
Irland zeigt gerade, dass die bittere Medizin, die die EU und der Währungsfonds IWF den Krisenländern verschrieben haben, tatsächlich zum Erfolg führen kann: Es ist die im Süden Europas so bitter bekämpfte "Austeritätspolitik", die Irland die Rückkehr zur Souveränität erlaubt - also eine Mischung aus harten Einschnitten in den Staatshaushalt, Bankensanierung, Steuererhöhungen und politischen Reformen.
"Das ist die Rückkehr zur Souveränität"
"Wir betrachten das als Rückkehr zu einer Normalität, in der wir unsere eigenen Entscheidungen als souveräne Regierung treffen können", sagt Finanzminister Michael Noonan. "Und wir dürfen uns auch wieder Geld leihen, genauso wie andere Länder der Eurozone."
Nach Neujahr will die Regierung in Dublin Anleihen am Finanzmarkt begeben - dabei allerdings Vorsicht walten lassen: Das Geld für den Haushalt 2014 hat die Regierung vorsorglich auf die hohe Kante gelegt. Die Zeit der Schuldenexzesse soll vorbei sein.
Insgesamt vergibt Edgar Morgenroth vom Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung gute Noten für die Regierung Kenny, die 2011 ins Amt gewählt wurde - und ihr Land nach dem Zusammenbruch des irischen Bankensystems vor Absturz und Bankrott retten musste. "Die Bevölkerung honoriert dies", sagt Morgenroth.
Der Bauunternehmer stellt wieder Leute ein...
Eine neue Umfrage zeigt ein Beliebtheitshoch für den Premier und seine Koalitionspartner von der Labour-Partei, trotz des harten Sparkurses. Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst von bis zu 20 Prozent hat die Regierung durchgesetzt. Zudem mutete sie den Wählern sinkende Sozialleistungen zu.
Doch viele Iren glauben, der harte Kurs war richtig: "Ich bin optimistisch, ich glaube, alles läuft wieder besser, die Leute haben wieder Hoffnung, und auf dem Bau gibt es wieder mehr Arbeit", sagt zum Beispiel der Bauunternehmer Brian McKelvey. Er musste in der Krise fast alle seine Angestellten entlassen, jetzt hat er wieder erste Aufträge.
Der Aufschwung zeigt sich auch in den Statistiken. Die Arbeitslosigkeit sank von fast 15 auf rund zwölf Prozent. Dies entlastet auch den Staatshaushalten. Trotzdem liegen die Schulden immer noch bei 120 Prozent der Wirtschaftsleistung - eine Folge der milliardenschweren, vom Staat bezahlten Bankenrettung. Darum teilen auch nicht alle Iren den Optimismus von Bauunternehmer McKelvey.
... während die Sozialarbeiterin auf die Ärmsten verweist
"Ich sehe das Ganze weniger optimistisch", sagt die Sozialarbeiterin Marie Donohue. "Ich komme nämlich aus der Gesellschaftsschicht, die den Schmerz am stärksten spürt. In diesem Land werden wirtschaftliche Entscheidungen getroffen, die zur Folge haben, dass sich Menschen nur drei Tage lang Strom oder zwei Tage Heizung leisten können - so sieht die Realität aus."
Die Armen werden von den Kürzungen am härtesten getroffen. Jedes Jahr emigrieren bis zu 100.000 junge Iren nach Australien oder Kanada, weil sie dort auf Arbeit hoffen. "Es ist schade, wenn man sein Land, seine Familie und seine Freunde verlassen muss", sagt Robert Burns, der Student ist und einer derjenigen, die jetzt auswandern. "Aber mir bleibt nichts anderes übrig."
"Sie haben außergewöhnliche Opfer gebracht"
Regierungschef Kenny geht in seinen Reden immer wieder auf die Nöte der Bevölkerung ein - und dankt den Menschen "dafür, dass Sie außergewöhnliche Opfer gebracht haben, während wir unsere Finanzen geordnet und das Land wieder ans Laufen bringen mussten."
Anders als beispielsweise in Griechenland gibt es in Irland keine gewalttätigen Demonstrationen, keine Radikalisierung, keine antieuropäischen Parolen - fast schon ein Wunder.