Islands Präsident verweigert Unterschrift unter Gesetz Das Volk soll über die Sparer-Entschädigung entscheiden
Das Parlament hatte bereits "Ja" gesagt - doch nun hat Islands Präsident Grimsson ein Gesetz gestoppt, das die Entschädigung ausländischer Kunden insolventer isländischer Banken vorsieht. Eine Volksabstimmung soll nun die Entscheidung bringen - mit unabsehbaren Folgen für den Inselstaat.
Von Alexander Budde, ARD-Hörfunkstudio Stockholm
Es war ein schwerer Gang für den isländischen Präsidenten Olafur Ragnar Grimsson. Als er am Mittag in Reykjavík vor die versammelte Weltpresse trat, wurde bald klar: Das Staatsoberhaupt ist standhaft geblieben. Und wird das Gesetz nicht unterschreiben, in dem sich das Land zur schrittweisen Rückzahlung von umgerechnet rund vier Milliarden Euro an ausländische Gläubiger verpflichten wollte.
"Das Volk ist der oberste Richter"
In seiner Ansprache verwies das Staatsoberhaupt auf die für Island beispiellosen Massenproteste der vergangenen Tage: "Den Kern unseres isländischen Staatswesens macht aus, dass das Volk der oberste Richter über die Gültigkeit der Gesetze ist. In diesem Lichte habe ich beschlossen, in Übereinstimmung mit der Verfassung, die Entscheidung über das fragliche Gesetz an das Volk zu überweisen."
Die Bankenkrise habe das Land an den Rand des Abgrunds gebracht, sagte Grimsson. Die Schuldenlast durch die Pleite der Internetbank Icesafe sei nicht die einzige Herausforderung für die kleine Inselnation. In einer an ihn gerichteten Petition habe ein Viertel aller wahlberechtigten Bürger eine Volksabstimmung über die Entschädigungszahlungen gefordert, weit mehr als von der Verfassung als Quorum festgeschrieben. Er verweigere daher seine Unterschrift.
Rote Brandfackeln vor der Präsidenten-Wohnung
In der Tat waren bereits am Wochenende Hunderte Isländer vor den verschneiten Amtssitz des Präsidenten gezogen, um die gesammelten Unterschriften zu überreichen. Im fahlen Winterlicht wurden rote Brandfackeln entzündet, in der Inselnation ein Symbol für höchste Not. Jeder fünfte Isländer habe unterschrieben, sagt Magnus Arni Skulason, Mitbegründer und Sprecher der Bürgerinitiative InDefence: "Allein mit den Zinsen, die wir nach dem Deal für Icesave zahlen müssten, könnten wir die Gesundheitsversorgung der Isländer für sechs Monate finanzieren."
Während andere Länder Milliarden in die Wirtschaft pumpten, müssten Pleitekandidaten wie Island ihre Haushalte kürzen. Skulason sorgt sich wegen der wachsenden Wut und Aggression seiner Landsleute. Gewaltsamer Aufruhr sei nicht ausgeschlossen, wenn es nicht bald eine Linderung für die Isländer gebe. Der Zorn richtet sich gegen die eigenen Politiker, aber auch gegen die Regierungen in Großbritannien und den Niederlanden.
Erst die Bankenpleiten, dann der Absturz
In einer dramatischen Woche im Oktober 2008 hatte sich der isländische Staat gezwungen gesehen, alle drei Großbanken des Landes zu übernehmen. Für die 320.000 Einwohner des Landes war es der Beginn eines beispiellosen Absturzes mit Konkursen in Serie, wachsender Arbeitslosigkeit und rasant anziehenden Zinsen.
Kurz vor dem Jahreswechsel hatte das Parlament in Reykjavík nach hitziger Debatte und mit knapper Mehrheit dem sogenannten Icesave-Abkommen zugestimmt. Regierungschefin Johanna Sigurdadottir drohte gar mit dem Ende ihrer Linkskoalition, sollte das Gesetz scheitern. Darin verpflichtet sich Island, Bankkunden in Großbritannien und den Niederlanden ihre Einlagen in der insolventen Internetbank Icesave zu ersetzen.
Experten warnen vor den Folgen des "Neins"
Die Internetbank war im Herbst 2008 zusammengebrochen, bei der Verstaatlichung der Konzernmutter Landsbanki verloren die durch hohe Zinsen gelockten Sparer ihre Einlagen. Hartnäckig fordern Großbritannien und die Niederlande einen Ausgleich für ihre Entschädigungszahlungen. Der Streit behindert das Beitrittsersuchen des akut vom Staatsbankrott bedrohten Landes zur Europäischen Union und könnte auch weiteren Krediten des Internationalen Währungsfonds sowie der nordischen Geberländer im Wege stehen.
Finanzexperten auf der Insel warnen nun vor unkalkulierbaren Folgen, sollte das Volk das Gesetz per Referendum zurückweisen. Das Abkommen zur schrittweisen Rückzahlung sei ein großzügiges Angebot gewesen, meint etwa Thorvaldur Gylfason, Professor für Volkswirtschaft der Uni Reykjavík. Statt sich weiter in Populismus zu ergehen sollte die Regierung nun alles daran setzen, das Volk zur Zustimmung zu bewegen.