Italien legt EU keinen konkreten Sparplan vor Berlusconi setzt auf Versprechen und Umarmungen
Die Sparforderungen der EU hat Italiens Ministerpräsident Berlusconi beim Gipfel mit einem Brief voller Herzlichkeiten beantwortet. Statt konkreter Sparzusagen enthielt das Schreiben nur vage Ankündigungen. Die Reaktionen im eigenen Land fielen vernichtend aus.
Von Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom
Das Gesicht von Giovanna Pancheri, der Korrespondentin des italienischen Nachrichtenkanals Sky TG24 zuckte verdächtig, als sie den Brief der italienischen Regierung an EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Ratspräsident Herman van Rompuy verlas:
"Lieber Herman, lieber José Manuel, wie bei unserem Treffen in Brüssel abgemacht, schicke ich euch das Dokument, das die wirtschaftliche und finanzielle Situation Italiens beschreibt und unsere Vorhaben, um unseren Haushalt nachhaltig zu gestalten und das Wirtschaftswachstum zu steigern. Die einzelnen Punkte sind durch einen Zeitplan ergänzt, an dem die einzelnen Schritte umgesetzt werden sollen. Seid heftig umarmt, Silvio."
Absichtserklärungen auf 14 Seiten
Dem in letzter Minute in Brüssel eingetroffenen Brief an den "lieben Hermann und den lieben José" folgten 14 Seiten mit Vorhaben, Absichtserklärungen und einer Art Zeitplan. Wie zu hören war, wurden gestern wohl noch den ganzen Tag die Inhalte des Schreibens mit Brüssel vorabgestimmt.
Die wichtigsten Punkte: Bis 2026 soll die Rente mit 67 kommen, Änderungen bei der bisherigen und noch bedeutsameren Rente nach Erwerbsjahren sind aber nicht geplant. Zudem will Italien in den kommenden drei Jahren staatliche Immobilien im Wert von jeweils fünf Milliarden Euro verkaufen und dafür bis Ende November einen Plan vorlegen. Weiter soll es Lockerungen beim in Italien extrem starren Kündigungsschutz geben, die bis Mai kommenden Jahres festgelegt werden sollen. Außerdem will die Regierung bis zum 15. November einen Plan vorstellen, wie sie das Wirtschaftswachstum fördern will.
Scharfe Kritik in Italien
Die ersten Reaktionen aus Brüssel fielen verhalten positiv aus, die Reaktionen in Italien waren dagegen verheerend. "Der Brief der Regierung ist ein einziges Rumgestotter, wenn man die europäischen Anforderungen betrachtet", sagte Massimo Donadi von der oppositionellen Wertepartei. "Das echte Problem ist, dass diese Regierung seit drei Jahren ihre Arbeit nicht macht. Wenn sie das getan hätte, wären wir heute nicht an diesem Punkt unter kommissarischer Verwaltung der EU und der Zentralbank."
Stefano Fassina von der demokratischen Partei PD sagte, dreizehneinhalb Seiten dieses Briefes seien ja im Prinzip schon beschlossen, aber nie umgesetzt worden. Seine Parteikollegin Anna Finocchiaro ergänzte: "Das ist ein Brief, der hilft, die Koalition zu retten, aber nicht Italien. Schon gestern war das ja sehr leicht durchschaubar."
Richtig sauer reagierten alle drei großen Basisgewerkschaften. Der Chef der CISL sagte, man werde wegen der Renten und wegen des Kündigungsschutzes sehr kurzfristig reagieren, bei der eher linken CGIL hieß es, es gehe wieder mal vor allem gegen Frauen und den armen Süden. Die UIL schließlich ließ verlauten, die Regierung lasse immer die Angestellten und Rentner bezahlen, ohne etwas gegen Steuerflucht, Verschwendung und Privilegien zu tun.
"Ich bin nicht Berlusconis Telegrammbote"
Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano weigerte sich übrigens, die vorab bekannten Inhalte des Briefes zu kommentieren. "Ich bin doch nicht der Telegrammbote der Regierung Berlusconi", sagte er. "Es geht ja nicht darum, den europäischen Institutionen gefällig zu sein, es geht um das Interesse der Nation und darum, einen Beitrag im europäischen Interesse zu leisten."
Lega-Nord-Chef Umberto Bossi übrigens - der Koalitionspartner, mit dem Silvio Berlusconi noch bis in die Nacht zuvor um eine Einigung gestritten hatte - sagte, es scheine, dass doch in Brüssel alles gut gegangen sei. Er dementierte vordergründig Gerüchte, dass es einen Geheimplan gebe, demzufolge Italiens Ministerpräsident versprochen habe zurückzutreten, um dann Neuwahlen noch nach dem alten, für die Lega vorteilhafteren Wahlrecht abzuhalten. Hintergründig sagte er jedoch etwas, was genau gegenteilig klang. Genauer gesagt war es eine massive Drohung: An dem Tag, so Bossi, an dem er Berlusconi keine Stimmen mehr gebe, werde gewählt. Das Messer, sagte er wörtlich, habe er schon im Ärmel.