Minister Habeck in Kolumbien Wenig grüner Wasserstoff, viel schmutzige Kohle
Wirtschaftsminister Habeck will auch in Kolumbien über neue Energie-Partnerschaften reden. Dabei hat Deutschland wegen der Russland-Sanktionen zuletzt deutlich mehr Kohle aus dem Land importiert als zuvor.
Rosa María Mateus ist eine kleine, zierliche Person, aber ohne Angst vor mächtigen Gegnern. Die Anwältin hat es mehrfach mit den Betreibern der gigantischen Kohlemine El Cerrejon aufgenommen, die dem Schweizer Konzern Glencore gehört - und mehrfach hat Mateus dabei Etappensiege errungen.
Seit Jahren massive Verschmutzung
Auf ihrem Schreibtisch in den Räumen des Anwaltskollektivs CAJAR in Bogotá stapeln sich die Akten zu Cerrejon. Gerichte verurteilten die Betreiber vor einigen Jahren zu mehr Vorsorge bei Umwelt- und Gesundheitsschutz. Doch verbessert habe sich zu wenig, sagt Mateus. Dass einige deutsche Energie-Unternehmen wieder zunehmend Kohle bei Cerrejon einkaufen, kritisiert sie scharf.
El Cerrejon - mit 69.000 Hektar eine der größten Kohleminen der Welt - liegt in der Region La Guajira im Norden des Landes. Die indigenen Wayúu leben dort. Sie beklagen seit Jahren die Verschmutzung von Luft, Böden und Gewässern durch den Tagebau. All das wüssten die deutschen Kunden und auch die deutsche Regierung, sagt Mateus.
Alternativen zur russischen Kohle gesucht
Doch wegen des Russland-Embargos brauchte man Alternativen zur russischen Kohle. Die Kohleimporte aus Kolumbien nach Deutschland sind deshalb von sechs Prozent im Jahr 2021 auf 16,3 Prozent im Jahr 2022 gestiegen, so Zahlen des Vereins der Kohleimporteure. Der tatsächliche Anteil dürfte aber noch höher liegen. Deutschland bezieht auch Kohle aus den Niederlanden, die wiederum zweitgrößter Kunde Kolumbiens sind.
Wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck nun das Land besucht, nimmt er sich nicht die Zeit, die ökologischen Folgen in La Guajira anzusehen. Viele Menschen dort haben nichts vom Bergbau, die Region ist eine der ärmsten Kolumbiens. Habeck lobte stattdessen, dass der linksgerichtete Präsident Gustavo Petro die Dekarbonisierung des Landes voranbringe. Fakt ist allerdings auch, dass wegen der Energiekrise kolumbianische Kohle gefragt ist wie lange nicht. Und Kolumbien zeigt sich bisher als verlässlicher Lieferant - auch nach Deutschland. Die Konzession der Mine Cerrejon läuft noch bis 2034.
Auch Kolumbien will die Energiewende
Für die kolumbianische Regierung sei die Energiewende durchaus ein zentrales Ziel, sagt Stefan Peters vom Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstitut CAPAZ. Der Präsident hat den Ausstieg aus Kohle und Öl versprochen. Doch realistisch werde man mit Projekten wie zum grünen Wasserstoff wohl erst in zehn Jahren Geld verdienen können, vermutet Peters.
Auch mit Blick auf solche "grünen Projekte" hätte sich für Habeck ein Besuch in La Guajira gelohnt. Die Region rückt nicht nur beim Kohleabbau, sondern auch für die Gewinnung von Windenergie in den Fokus internationaler Unternehmen. Und auch das läuft nicht ohne Probleme ab. Immer wieder gibt es Proteste gegen Windparks, weil die Gemeinden vor Ort sich bei der Projektplanung nicht gehört fühlen. Manchmal stehen die kleinen Hütten der Menschen ohne Stromanschluss nur wenige Hundert Meter entfernt von den Windrädern, berichtet Peters. Zu oft überwiegt deshalb der Eindruck, die Energiewende nütze nicht den Gemeinden, sondern orientiere sich an den Bedürfnissen der großen Konzerne.
In einigen Regionen explodiert die Gewalt
Vielleicht berät Habeck darüber bei seinem Treffen mit Kolumbiens Ministerin für Energie und Bergbau, Irene Vélez. Auch der Besuch einer Fotoausstellung zum kolumbianischen Konflikt und Friedensprozess ist geplant. 50 Jahre litt Kolumbien unter dem Konflikt zwischen FARC-Guerilla, Staat und rechten Paramilitärs. Doch auch sechs Jahre nach dem Friedensvertrag mit der FARC explodiert in einigen Regionen die Gewalt. Guerilla-Splittergruppen, Drogenbanden und Paramilitärs kämpfen um Kontrolle in vielen Regionen, um Drogenrouten. Kolumbien gilt nach wie vor als größter Kokain-Produzent der Welt. Der "Clan del Golfo" ist etwa in La Guajira aktiv - eben dort, wo es Potenzial für Windkraft gibt.
Peters vom Institut CAPAZ sieht deshalb Chancen und Risiken. Kolumbien könnte für Deutschland ein zentraler Partner beim Kampf gegen den Klimawandel werden, habe großes Potenzial bei grünem Wasserstoff und sei dazu relativ nah am Markt Europas. Gleichzeitig setze sich die aktuelle Regierung für Demokratie, Schutz der Menschenrechte und Frieden ein - habe also Schnittmengen mit deutschen Interessen.
Saubere Energie - auch für arme Menschen vor Ort
Andererseits bestehe das Risiko, dass sich bewaffnete Gewaltakteure Teile des Geschäfts sichern könnten und dadurch gestärkt werden. Ausländische Investitionen müssten deshalb die Lage sozial benachteiligter Menschen vor Ort verbessern, abgelegene Dörfer sollten mit sauberer Energie versorgt werden. Soziale und ökonomische Verbesserung, Frieden und Energiewende müssten zusammengedacht werden.
Auch Anwältin Rosa Mateus hat eine Botschaft für Habeck. Die Menschen in Kolumbien verstehen die Energiekrise in Europa, sagt sie. "Wir wissen aber auch, dass kolumbianische Kohle bei euch nicht für Grundbedürfnisse verfeuert wird." Mateus fordert, über Konsum- und Wirtschaftsmodelle zu diskutieren. "Wir füttern ein Wirtschaftsmodell, das nie genug hat, das nie genug wachsen kann", kritisiert sie. Darüber müsse Kolumbiens Regierung mit den Europäern reden.