ifo-Index sinkt erneut Nächster Rückschlag für die Konjunktur
Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hat sich zum dritten Mal in Folge verschlechtert. Die Sorge um die Konjunktur wird immer drängender, von einer Erholung ist derzeit nichts zu sehen.
Zum Beginn der zweiten Jahreshälfte hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft überraschend stark eingetrübt. Das ifo-Geschäftsklima sank im Juli von 88,6 Zählern im Vormonat auf 87,3 Punkte und damit das dritte Mal in Folge, wie das Münchner ifo-Institut heute zu seiner Umfrage unter etwa 9.000 Führungskräften mitteilte. Experten hatten mit einem schwächeren Rückgang gerechnet.
Das Geschäftsklima trübte sich in allen betrachteten Bereichen ein. Im Baugewerbe fiel der Indikator auf den tiefsten Stand seit Februar 2010. Die Branche leidet seit Längerem unter den stark gestiegenen Zinsen und den hohen Baukosten. "Die Lage der deutschen Wirtschaft verdüstert sich", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Unternehmen waren insbesondere mit den laufenden Geschäften merklich unzufriedener. Auch die Geschäftserwartungen gaben erneut nach.
Keine Lichtblicke in der Industrie
Deutschland droht dem ifo-Institut zufolge nach der sogenannten "Winterrezession" nun auch eine "Sommerrezession". "Die Schwächephase der deutschen Wirtschaft geht in die Verlängerung", sagte der Leiter der ifo-Umfrage, Klaus Wohlrabe. Das Bruttoinlandsprodukt werde im laufenden dritten Quartal voraussichtlich sinken, nachdem es im Frühjahr in etwa stagniert haben dürfte.
Ein Grund für die Misere sei die anhaltende Schwäche der Industrie. "Die Unternehmen können zwar die bestehenden Aufträge besser abarbeiten, weil die Lieferengpässe kontinuierlich zurückgehen", sagte Wohlrabe. "Aber es kommen weniger neue Aufträge nach."
In der Industrie gebe es kaum Lichtblicke. Mittlerweile schwächelten auch der Maschinenbau und die Elektrotechnikbranche, die Chemieindustrie schon länger. Auch die Auslandsnachfrage sei eher mau. "Von der Exportseite ist kein Schwung zu erwarten", sagte der ifo-Experte.
Wirtschaft sendet Rezessionssignale
Die deutsche Wirtschaft war Ende 2022 und Anfang 2023 jeweils zum Vorquartal geschrumpft und befindet sich seither in einer sogenannten technischen Rezession. Im zweiten Quartal dürfte sich die Konjunktur laut der Bundesbank zwar wieder leicht fangen. Doch die Gefahr einer Rezession bis in den Spätsommer hinein sei sprunghaft gestiegen. Dazu passen die jüngsten Einkaufsmanagerindizes. Diese signalisieren, dass die Wirtschaft angesichts einer Auftragsflaute zu Beginn des zweiten Halbjahrs wohl geschrumpft ist.
Für Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, deutet der breit basierte Rückgang der Frühindikatoren auf ein "erneutes Schrumpfen der deutschen Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte" hin. "Auch im Rest des Euroraums gibt es Rezessionssignale", so Krämer. Und Jens-Oliver Niklasch, Volkswirt bei der LBBW, stellt fest: "Wir sind in einer Rezession und kommen da so schnell nicht raus."
"Voller Bremseffekt der strafferen Geldpolitik"
Jörg Zeuner, Chefvolkswirt bei Union Investment, wirft einen Blick auf den Zusammenhang zwischen Konjunktur und Börse: "Dass der ifo-Geschäftsklimaindex weiter nachgibt, die Börsenkurse aber wieder nach oben gehen, zeigt einmal mehr, dass Realwirtschaft und Finanzmärkte zwar eng miteinander verwoben, aber eben nicht immer Spiegelbild voneinander sind."
Während die Kapitalmärkte das Ende des Zinserhöhungszyklus antizipieren würden und mit großer Hoffnung auf das Thema Künstliche Intelligenz schauten, schlägt sich bei der Realwirtschaft laut Zeuner nun der volle Bremseffekt der strafferen Geldpolitik nieder. "Deshalb rechnen wir in diesem Jahr weiterhin mit wenig Dynamik bei der Konjunktur."