Wirtschafts- und Umweltbericht OECD mahnt mehr Tempo bei Klimaschutz an
Deutschland senkt die Emissionen aus Sicht der OECD viel zu langsam, um die geplante Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Konjunkturell sieht die Industrieländer-Organisation Zeichen der Erholung.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht Deutschland weiterhin auf Wachstumskurs. Sie erwartet ein Plus beim deutschen Bruttoinlandsprodukt von 0,3 Prozent, dem 2024 ein Wachstum von 1,3 Prozent folgen dürfte. "Die Entspannung in den Lieferketten, der hohe Auftragsbestand und die Belebung der Auslandsnachfrage sorgen für eine allmähliche Konjunkturerholung", heißt es in dem aktuellen Wirtschaftsbericht der OECD für Deutschland.
"Tempo der Emissionsminderung verdreifachen"
Gleichzeitig unterstreicht der lange Empfehlungskatalog der Forscher, dass Deutschland aus ihrer Sicht noch einen langen Weg vor sich hat, um die ökologische und digitale Transformation zu meistern. Nach zehn Jahren mit dynamischem Wachstum zeigten die Corona-Pandemie und die Energiekrise, dass das Land strukturelle Schwachstellen aufweise. Zwar habe die Bundesregierung schnell auf die Energiekrise reagiert, um die Energieversorgung zu sichern und private Haushalte und Firmen zu unterstützen. Zugleich gebe es aber einen "großen Infrastrukturstau".
Die Bundesrepublik habe 2021 insgesamt 39 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 emittiert sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu sein. "Dazu muss das Tempo der Emissionsminderung allerdings verdreifacht werden", so die Experten.
Modernisierung der Verwaltung
Ein Schwerpunkt der Empfehlungen ist die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung: "Um die Investitions- und Innovationstätigkeit zu beleben und die ökologische Transformation zu beschleunigen, muss die öffentliche Verwaltung verbessert und der Verwaltungsaufwand verringert werden, vor allem im Bereich der Infrastrukturplanung", heißt es in dem Bericht.
Die OECD mahnt die Politik dabei auch, die in der Krise eröffneten Extrahaushalte "nach und nach" wieder in den Kernhaushalt zu überführen, um "die Transparenz und Glaubwürdigkeit des Haushaltsrahmens" wieder zu erhöhen. "Dabei sollten aber zugleich die Haushaltsregeln flexibler gestaltet werden, um ausreichende Investitionsausgaben zu ermöglichen."
Zudem gelte es, die Ausgabeneffizienz zu steigern, die Ausgaben besser zu priorisieren und Steuervergünstigungen abzubauen. Die Digitalisierung des öffentlichen Sektors sei dabei entscheidend. Konkret empfehlen die OECD-Experten zudem, die Steuerbelastung der Arbeitseinkommen zu senken, dafür aber andere Steuern wie die Erbschafts-, Schenkungs- und Grundsteuer zu erhöhen.
Mehr Entschlossenheit bei Verkehrswende angemahnt
Auch bei der umweltfreundlichen Mobilität sieht der Industriestaaten-Verbund Defizite. Deutschland müsse bei der Verkehrswende entschlossener handeln: "Viele Chancen, wie zum Beispiel ein breiterer Einsatz von Tempolimits, Mautgebühren für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge oder City-Mauten, wurden nicht genutzt; andere, beispielsweise die Anhebung der Parkgebühren, werden nur langsam realisiert", heißt es in dem gleichzeitig veröffentlichten OECD-Umweltprüfbericht für Deutschland. "Wenn die öffentlichen Investitionen in die Schiene weiter erhöht, die Digitalisierung der Kontroll- und Signalsysteme beschleunigt und der Wettbewerb verstärkt würden, ließe sich die Verkehrswende leichter herbeiführen", so die Empfehlung.
Der Anteil der Elektrofahrzeuge am gesamten Fahrzeugbestand steige rasch, sei aber nach wie vor gering. Von ihrem Ziel, bis 2030 insgesamt 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen und eine Million Ladepunkte bereitzustellen, sei die Bundesregierung noch weit entfernt. "Anstelle von Einzelmaßnahmen, die in erster Linie umweltfreundlichere Autos auf die Straße bringen sollen, braucht es eine ganzheitliche Strategie für nachhaltige Mobilität."
"Teure Altlasten"
Übergeben wurden die Berichte von OECD-Generalsekretär Mathias Cormann an Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne). Habeck sagte, dass das Land "in der Vergangenheit beim Klimaschutz zu langsam" gewesen sei. Dieser Rückstand müsse nun "entschlossen" aufgeholt werden. Der Politiker pochte darauf, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekte umzusetzen. Hierfür brauche es Beiträge aller Handlungsfelder, "vor allem auch im Verkehr".
Ministerin Lemke sagte, Deutschland habe Jahrzehnte auf Kosten der Natur gewirtschaftet - sei es im Energiebereich, im Verkehr oder in der Landwirtschaft. "Diese Altlasten kommen uns teuer zu stehen. Das zeigt der OECD-Bericht unmissverständlich." Natur-, Ressourcen- und Klimaschutz müssten schneller und stärker zusammengeführt werden. "Die Empfehlungen der OECD zeigen dafür Wege auf - unter anderem zum Abbau umweltschädlicher Subventionen."