Wirtschaftsberater der Regierung Clinch im Sachverständigenrat
Bei den "Wirtschaftsweisen" gibt es Streit, weil das Ratsmitglied Veronika Grimm in das Kontrollgremium von Siemens Energy einziehen will. Die Mehrheit des Sachverständigenrats fürchtet um die Unabhängigkeit des Gremiums.
Im Rat der "Wirtschaftsweisen" gibt es Kritik an der Mitwirkung der Ökonomin Veronika Grimm in dem Beratungsgremium. Mitglieder des Rates legen der Wissenschaftlerin nahe, auf ein Aufsichtsratsmandat bei Siemens Energy zu verzichten oder aber den Sachverständigenrat zu verlassen.
"Die Mehrheit im Sachverständigenrat Wirtschaft sieht die Nominierung von Veronika Grimm in den Aufsichtsrat von Siemens Energy als Auszeichnung. Gleichwohl stellt diese Nominierung den Sachverständigenrat vor eine Herausforderung", heißt es in einer Stellungnahme von vier Mitgliedern des Rates. Zuvor hatte das Handelsblatt über Streit wegen der Personalie Grimm berichtet.
"Mögliche Interessenkonflikte"
Die Vorsitzende Monika Schnitzer sowie die Ratsmitglieder Ulrike Malmendier, Achim Truger und Martin Werding sehen der Mitteilung zufolge "übereinstimmend, dass in dieser Konstellation mögliche Interessenkonflikte bestehen. Diese berühren die Arbeit des Sachverständigenrates in Kernbereichen." Der anstehende Umbau der Energieversorgung in Deutschland sei von herausragender wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Bedeutung.
Offenbar spielen bei dem Personalstreit auch inhaltliche Differenzen unter den Ratsmitgliedern eine Rolle. Es ist bekannt, dass Veronika Grimm die Politik der Bundesregierung wesentlich kritischer sieht als andere Mitglieder des Sachverständigenrates, insbesondere die Vorstellungen von SPD und Grünen.
Das zeigt sich zum Beispiel bei den Diskussionen rund ums Thema Schuldenbremse: Die Vorsitzende Monika Schnitzer plädiert für eine weitreichende Reform, um mehr Investitionen finanzieren zu können, Grimm ist da deutlich zurückhaltender. Zuletzt hatte Grimm immer wieder die Koalition kritisiert und ihr eine "schwache Transformationspolitik" vorgeworfen. Auch sehen Schnitzer, Malmendier und der von den Gewerkschaften nominierte Truger staatliche Subventionen weniger kritisch.
Staatsbürgschaft für Siemens Energy
Die Regeln für die Bestellung von Mitgliedern des Sachverständigenrats sehen nicht vor, dass diese während ihrer Beratungstätigkeit für die Regierung kein Aufsichtsratsmandat in einem Unternehmen innehaben dürfen. Im Gesetz über die Bildung des Sachverständigenrates, der 1963 geschaffen wurde, ist nur festgelegt, dass die Experten nicht im Dienst der Regierung oder im Öffentlichen Dienst stehen oder einem Wirtschaftsverband angehören dürfen.
"In der öffentlichen Wahrnehmung hat die Sensibilisierung von Compliance-Themen allerdings zugenommen", heißt es in der Mitteilung der Ratsmitglieder um die Vorsitzende Schnitzer, "und nimmt in der Debatte, aber auch in der Aufstellung von Unternehmen und Konzernen, einen größeren Stellenwert ein als beispielsweise noch vor zehn oder 15 Jahren."
Die vier Mitglieder des Gremium sehen offensichtlich auch in der "Staatsnähe" von Siemens Energy ein Problem. Siemens Energy hatte vor kurzem eine Staatsbürgschaften über 7,5 Milliarden Euro erhalten. Der Konzern verspreche sich "Aufträge durch die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung", sagte die Ökonomin Ulrike Malmendier vor kurzem der "Zeit".
Grimm soll sich "für eines der beiden Mandate entscheiden"
"Wir haben große Sorgen, dass wir bei Energiethemen im Falle eines Doppelmandats von Veronika Grimm nicht mehr als unabhängiges Gremium wahrgenommen werden", sagte die Ratsvorsitzende Monika Schnitzer der Nachrichtenagentur dpa. "Wir würden uns wünschen, dass Frau Grimm sich für eines der beiden Mandate entscheidet."
Grimm zeigte sich überrascht von der Kritik. Die Vereinbarkeit des Aufsichtsratsmandats mit dem Posten bei den "Wirtschaftsweisen" sei im Vorfeld ihrer Nominierung von der Bundesregierung geprüft worden, es habe keine Bedenken gegeben, sagte sie dem "Spiegel".
Auch in der Vergangenheit hätten Mitglieder des Sachverständigenrats solche Mandate bekleidet, so Grimm. "Das ist immer kollegial und gewissenhaft im Rat behandelt worden." Die Ökonomin soll kommende Woche bei der Hauptversammlung von Siemens Energy in das Kontrollgremium des Unternehmens gewählt werden.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung soll die Politik in ökonomischen Fragen beraten. Die Mitglieder sind unabhängige Expertinnen und Experten. Der Bundespräsident ernennt sie nach Vorschlag der Bundesregierung für fünf Jahre - Wiederberufungen sind möglich.
Die Mitglieder erstellen regelmäßig Gutachten zur konjunkturellen Lage Deutschlands. Diese enthalten auch Prognosen und sollen wirtschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigen. Jeweils im November veröffentlichen die Wirtschaftsweisen ein umfangreiches Jahresgutachten. Hinzu kommen Sondergutachten und Expertisen zu ausgewählten Themen.
Mit Informationen von Hans-Joachim Vieweger, ARD-Hauptstadtstudio