Nach Vorstoß von Lindner Hausärzte verteidigen telefonische Krankschreibung
Finanzminister Lindner hat die telefonische Krankschreibung in Frage gestellt, weil Unternehmen über hohe Krankenstände klagen. Hausärzte üben nun Kritik an seinem Vorschlag: Sie warnen vor einer Abschaffung der Regel.
Bei leichteren Erkrankungen können sich Patientinnen und Patienten krankschreiben lassen, ohne persönlich in die Arztpraxis zu gehen. Finanzminister Christian Lindner will die Regelung nun wieder abschaffen - und ruft damit Kritik der Hausärzte hervor.
Man könne die Aussagen von Lindner nicht nachvollziehen, sagte Markus Beier, Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Die Einführung der Regelung sei medizinisch und versorgungspolitisch eine absolut sinnvolle Entscheidung gewesen.
Der Verband könne aus seiner täglichen Arbeit nicht bestätigen, dass Menschen die Regelungen nutzten, um sich "damit einen schlanken Fuß zu machen" - also sich fälschlicherweise krank zu melden, erklärte Beier.
Lindner sieht Korrelation mit hohem Krankenstand
Lindner hatte sich am Donnerstag dafür ausgesprochen, für eine Krankschreibung wieder zum Arzt gehen zu müssen. Es gebe "eine Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand in Deutschland und der Einführung der Maßnahme, die als guter Bürokratieabbau gedacht war", sagte er.
Verbandschef Beier warnte aber vor der Abschaffung der Regelung, "die unsere Praxen wie auch unsere Patientinnen und Patienten gerade in den extremen Infektmonaten entlastet und eine der wenigen politischen Maßnahmen ist, die aktuell wirklich Bürokratie reduziert."
GKV: Elektronisches Attest reduziert Dunkelziffer
Es ist laut Beier bekannt, dass sich die gestiegene Zahl der Krankschreibungen in großen Teilen auf die elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) zurückführen lasse. Das bestätigen Einschätzungen des GKV-Spitzenverbandes, der Vertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen.
Die eAU hätte laut GKV dazu geführt, die Dunkelziffer der Krankschreibungen zu reduzieren. Vor der elektronischen Übermittlung hätte die Gesamtzahl der Krankmeldungen nur grob geschätzt werden können, weil Arbeitnehmende insbesondere bei kurzen und akuten Erkrankungen teilweise keinen Nachweis ihrer Krankmeldung bei der Krankenkasse eingereicht hätten.
Rekordsumme für Lohnfortzahlungen
Am Freitag war zudem eine Studie des Instituts für Wirtschafts (IW) bekannt geworden, die zeigt, dass Arbeitgeber in 2023 eine Rekordsumme für Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall ausgegeben haben. Insgesamt seien 76,6 Milliarden Euro aufgewendet worden.
Die telefonische Krankschreibung hatte sich während der Pandemie etabliert - und wird seit Dezember 2023 dauerhaft umgesetzt. Sie kann von Patienten genutzt werden, die der Praxis bekannt sind und die keine schweren Symptome haben. Die Krankschreibung per Telefon ist für maximal fünf Kalendertage gültig.