Reform der Lebensversicherungen Harte Zeiten für Versicherer und Kunden

Stand: 04.07.2014 14:59 Uhr

Der Klassiker der Altersvorsorge - die Lebensversicherung - steckt in der Zinsfalle. Jetzt greift die Bundesregierung ein. Sie verordnet Verbrauchern und Unternehmen Einschnitte. tagesschau.de beantwortet Fragen zur Reform der Lebensversicherungen.

Der Bundestag hat ein Reformpaket für die Lebensversicherer beschlossen. Ziel der Maßnahme: zu verhindern, dass einzelne Versicherer wegen zu hoher Zinsversprechen zusammenbrechen. Dieses Szenario ist nämlich nicht mehr ausgeschlossen, seit sich die Branche wegen der allgemein niedrigen Zinsen schwer tut, die Ausschüttungen an die Kunden überhaupt noch zu erwirtschaften. Die Folgen für die Kunden sind spürbar. Zum Beispiel sinkt der sogenannte Garantiezins. Und das ist nicht die einzige Änderung.

Um welche Versicherungen geht es?

Nur um die sogenannten Kapitallebensversicherungen - nicht um die Risikolebensversicherungen. Mit letzteren können sich zum Beispiel Eheleute gegenseitig finanziell absichern, falls einem der beiden etwas zustößt. Diese Versicherungsart ist nicht betroffen. Es geht allein um die Kapitalvariante, die grob gesagt so funktioniert: Zunächst spart der Versicherte jahrzehntelang Geld in Form von Beiträgen an. Und im Alter bekommt er das Geld ausbezahlt, verzinst mit dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Garantiezins. Hinzu kommt in den meisten Fällen eine Überschussbeteiligung, die sich aus den Bewertungsreserven der Versicherung speist. Sie ergibt sich aus den Gewinnen der Versicherung aus Geschäften mit Immobilien, Aktien und festverzinslichen Wertpapieren.

Kapitallebensversicherungen waren lange Zeit die beliebteste Form der Altersvorsorge in Deutschland. Rund 95 Milllionen Verträge gibt es.

Wer ist von dem Reformpaket betroffen?

Die geplanten Regelungen betreffen vor allem die Neukunden. Wer von 2015 an eine Lebensversicherung abschließt, bekommt nur noch eine garantierte jährliche Verzinsung von 1,25 Prozent - statt bislang 1,75 Prozent. Zum Vergleich: Zwischen 1994 und 2000 lag der Garantiezins bei 4,0 Prozent.

Was ist mit den Altkunden?

Sie profitieren sozusagen von der Gnade der frühen Geburt. Denn wer zum Beispiel (siehe oben) zwischen 1994 und 2000 Kunde wurde, bekommt weiterhin 4,0 Prozent Zinsen pro Jahr gutgeschrieben. Es gilt: Der bei Vertragsabschluss festgelegte Zins bleibt die gesamte Laufzeit über gültig.

Allerdings: Auch manche Altkunden müssen Einbußen hinnehmen - und zwar bei den sogenannten Bewertungsreserven. Das sind Reserven, die entstehen, wenn die Kurse bestimmter Wertpapiere im Besitz der Versicherer stark steigen. Bei Bundesanleihen war das zum Beispiel in den vergangenen Jahren der Fall. Seit 1998 sieht das Gesetz vor, dass die Kunden Anspruch auf die Hälfte der Reserven haben. Das wird sich ändern. Kunden, die einen Vertrag kündigen oder deren Vertrag in naher Zukunft ausläuft, werden nicht mehr zur Hälfte an Bewertungsreserven bei festverzinslichen Wertpapieren beteiligt. Unternehmen dürfen diese nur insoweit ausschütten, wie Garantiezusagen für die restlichen Versicherten gesichert sind.

Was bedeutet das Reformpaket für die Versicherer?

Sie werden ein Stück weit entlastet. Das ist gut für die Branche - und auch gut für die Allgemeinheit. Denn wenn Versicherer zusammenbrechen, ist das ähnlich gefährlich wie der Kollaps von Banken. Glücklich sind viele Versicherer trotzdem nicht. Denn der Garantiezins war in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ein beliebtes Werbeinstrument. Dadurch verlieren Lebensversicherungen an Attraktivität. Auch, dass es künftig eine Ausschüttungssperre der Dividenden an Aktionäre gibt, dürfte den Versicherern nicht gefallen. Denn das könnte Aktionäre abschrecken. Die Sperre wird fällig, wenn eine Garantieleistung gefährdet ist.

Was sollten Versicherte jetzt tun?

Versicherte sollten sich nun schnellstmöglich bei ihrem Versicherer erkundigen, wie viel Geld für sie auf dem Spiel steht. Dazu hat die Verbraucherzentrale einen Musterbrief ins Netz gestellt, der an die jeweilige Versicherung geschickt werden sollte. Es ist Eile geboten, denn im Gesetz ist kein Sonderkündigungsrecht verankert. Das Gesetz dürfte nach der Bundesratssitzung am 11. Juli sehr rasch durch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten. Versicherte sollten sich vorher darüber klar werden, welche Vor- und Nachteile eine eventuelle Kündigung für sie hätte.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 05. Juli 2014 um 02:06 Uhr.