Hochspekulative Finanzgeschäfte Deutschland verbietet ungedeckte Leerverkäufe
"Ungedeckte Leerverkäufe" - dahinter verbergen sich riskante Wetten von Investoren auf fallende Kurse von Wertpapieren, die sie selbst gar nicht besitzen. Seit Mitternacht sind diese Geschäfte in Deutschland großteils verboten. Damit schafft die Regierung Fakten im Kampf gegen spekulative Finanzgeschäfte.
Deutschland verbietet ab sofort bestimmte hochspekulative Finanzmarkttransaktionen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) teilte gestern Abend mit, dass ungedeckte Leerverkäufe von Aktien der zehn führenden deutschen Finanzinstitute untersagt sind. Das Verbot betreffe auch ungedeckte Leerverkäufe von Staatsanleihen der Länder der Euro-Zone und ungedeckte Credit Default Swaps (CDS), also Kreditausfallversicherungen ohne reale Grundlage. Das Verbot gilt laut BaFin seit Mitternacht zunächst befristet bis zum 31. März 2011. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte im Bundestags, dass die Regelung so lange in Kraft bleibe, bis auf europäischer Ebene eine einheitliche Regelung erreicht sei.
Leerverkäufe als Spekulationsgeschäft
Bei Leerverkäufen wetten Investoren auf fallende Kurse von Wertpapieren oder Währungen. Sie leihen sich zum Beispiel Aktien von anderen Anlegern, verkaufen diese und versuchen, sich vor der fälligen Rückgabe an den ursprünglichen Verleiher wieder billiger mit der notwendigen Zahl von Aktien einzudecken. Je größer das gehandelte Paket von Wertpapieren ist, desto mehr sinkt in der Regel der Kurs beim Verkauf. Entsprechend groß sind die Gewinnaussichten der Spekulanten beim Rückkauf.
Bei ungedeckten Leerverkäufen haben sich die Investoren noch nicht einmal die Papiere geliehen. Das ist möglich, weil eine Lieferpflicht für Aktien meist erst nach Tagen besteht. Diese Geschäfte können Kursausschläge einer Aktie drastisch beschleunigen.
BaFin: "Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährdet"
Die BaFin begründete das Verbot solcher Geschäfte mit den außergewöhnlichen Schwankungen bei Schuldtiteln von Staaten der Eurozone. Zudem hätten sich die Risikoaufschläge bei Kreditausfallversicherungen mehrerer Staaten der Eurozone erheblich ausgeweitet. Dies habe die Stabilität des gesamten Finanzsystem gefährdet. Von dem Verbot betroffen sind - neben den Kreditausfallversicherungen und den Schuldtiteln - Aktien der Aareal Bank AG, Allianz SE, Commerzbank AG, Deutsche Bank AG, Deutsche Börse AG, Deutsche Postbank AG, Generali Deutschland Holding AG, Hannover Rückversicherung AG, MLP AG und Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG.
Damit schafft Deutschland Fakten im Kampf gegen hochspekulative Finanzgeschäfte. Auf Druck von Opposition und EU hatte die Regierungskoalition zuvor bereits ihren Widerstand gegen eine Steuer auf Finanzgeschäfte aufgegeben: Die Spitzen von Union und FDP beschlossen eine Initiative zur Einführung einer europaweiten Finanzmarktsteuer.
Die FDP-Fraktion begrüßte das Verbot solcher Geschäfte. "Das findet ausdrücklich unsere Unterstützung", sagte Fraktionschefin Birgit Homburger. Alles was auf nationaler Ebene zur Verhinderung künftiger Krisen gemacht werden könne, müsse schnell auf den Weg gebracht werden.
2008 bereits ein vorübergehendes Verbot
Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Herbst 2008 hatten mehrere Aufsichtsbehörden weltweit mit befristeten Notverfügungen ungedeckte Leerverkäufe untersagt, um dem Abwärtsstrudel der Kurse zu begegnen. In Deutschland waren diese nach einem eineinhalbjährigen Verbot aber seit Anfang Februar wieder erlaubt. Die Finanzaufsicht BaFin hatte im März aber eine Meldepflicht für Leerverkäufe von Aktien der zehn größten deutschen Finanz- und Versicherungshäuser eingeführt. In den USA sind die ungedeckten Leerverkäufe dauerhaft verboten.