Umstrittene Pläne des Bundes Was Rügen gegen ein LNG-Terminal hat
Seit Monaten regt sich auf der Insel Rügen Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung für ein Flüssigerdgas-Terminal. Heute sind Kanzler Scholz und Minister Habeck vor Ort. Warum ist das Projekt so umstritten?
Warum sind Olaf Scholz und Robert Habeck heute auf Rügen?
Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) heute nach Rügen reisen, so geht es in erster Linie darum, die Wogen vor Ort zu glätten. Dazu treffen sie sich am Nachmittag mit Vertretern von Gemeinden, aus der Wirtschaft und von Verbänden sowie Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in Binz zu einem Austausch. Mit ihrem Besuch kommt die Bundesregierung Forderungen von Kritikern der LNG-Terminal-Pläne nach. Diese hatten von einem längst überfälligen Dialog gesprochen.
Was steckt hinter den Plänen für ein LNG-Terminal vor Rügen?
Um ausbleibende Gaslieferungen aus Russland zu ersetzen, treibt die Bundesregierung seit Monaten den Aufbau einer eigenen Importstruktur für Flüssigerdgas (LNG) energisch voran. Das geplante LNG-Terminal vor oder an Rügens Küste soll im vorpommerschen Lubmin an das Gasfernleitungsnetz angebunden werden. Hier treffen mehrere Leitungen aufeinander, die ursprünglich zig Milliarden Kubikmeter Gas aus der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream 1 verteilten.
Von hier kann Gas unter anderem nach Süddeutschland weitergeleitet werden. Eine LNG-Infrastruktur an der ostdeutschen Küste schafft laut Bundeswirtschaftsministerium zudem Importmöglichkeiten für mittel- und osteuropäische Nachbarn, die bislang durch russisches Gas versorgt wurden und diese Mengen nun ebenfalls kompensieren müssen.
Wer sind die Gegner des Terminals?
Zu den Gegnern des LNG-Terminals gehören Hoteliers und andere Unternehmer, die vom Tourismus auf der Insel leben und diesen nun bedroht sehen. So warnten erst gestern Vertreter des Bäderverbandes vor möglichen Negativfolgen: Den Ostseebädern drohe mit den Terminals die Aberkennung ihres Status. Sie befürchten drastische Folgen für den Tourismusstandort Rügen.
Auch Anwohner und Naturschützer wehren sich gegen die Pläne der Bundesregierung. "Das geplante Flüssiggas-Terminal vor Rügen soll mitten in einem Meeresschutzgebiet entstehen. Das würde Teile des Meeresbodens zerstören und den bereits belasteten Greifswalder Bodden, seine Lebensräume und dort heimische Arten gefährden", warnt etwa der NABU. Seitens der Landesregierung waren zuletzt Zweifel angemeldet worden, ob das Terminal überhaupt gebraucht werde.
Wie setzen sich die Terminal-Gegner zur Wehr?
Die Gegner auf der Insel sind bereits seit Monaten sehr aktiv: mit Demos, Umfragen und sogar einer Bundestagspetition. Darin fordern die Unterzeichner, "die vor der Küste Rügens geplanten zusätzlichen LNG-Terminals nicht in das LNG-Beschleunigungsgesetz aufzunehmen". Eine solche Gesetzesänderung hätte nämlich weitreichende Folgen, würde dadurch doch ein LNG-Terminal auf Rügen als priorisiertes Vorhaben eingestuft und so der Weg für ein schnelleres Genehmigungsverfahren geebnet werden.
Wie erfolgreich sind die Gegner bislang?
Die Bundestagspetition hat die benötigte Anzahl von mindestens 50.000 Unterstützern erreicht. 61.000 Menschen unterzeichneten die Petition. Die Einreicher der Petition werden nun am 8. Mai öffentlich vom Petitionsausschuss des Bundestags angehört.
Darüber hinaus konnten die Terminal-Gegner einen weiteren Sieg verbuchen: Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte nach den Protesten vorerst Gelder für das Rügener LNG-Terminal gesperrt. Zwar wurden 240 Millionen Euro für die aktuelle Planungsphase freigegeben. Für die Freigabe weiterer, voraussichtlich weitaus höherer Mittel für den Bau des Terminals sehen die Haushälter aber noch Hürden und verlangen weitere Prüfungen.
Wieso kauft der Bund Nord-Stream-2-Röhren?
Trotz der zögerlichen Haltung des Haushaltsausschusses war zu Wochenbeginn bekannt geworden, dass die Bundesregierung nicht verbaute Röhren der deutsch-russischen Ostseegaspipeline Nord Stream 2 für das LNG-Terminal gekauft hat. Nach früheren Angaben der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern lagern in Sassnitz auf Rügen Nord-Stream-2-Rohre mit einer Gesamtlänge von 60 Kilometern.
Zu Mengen und Kosten der gekauften Rohre wollte sich das Bundeswirtschaftsministerium wegen der Vertraulichkeit der Verträge nicht äußern. Laut einem Bericht der "Ostsee-Zeitung" wurden mehrere Tausend Rohre gekauft. Damit schafft der Bund im Streit mit den Gegnern des Rügener LNG-Terminals erst einmal Fakten.
Wo genau soll das Terminal hinkommen?
Angesichts der massiven Proteste hat das Bundeswirtschaftsministerium von dem ursprünglich geplanten Standort rund fünf Kilometer vor der Küste Sellins Abstand genommen. Stattdessen bevorzugt es nun offenbar den Hafen von Mukran als Alternative. Auch ein Terminal weiter draußen auf der Ostsee vor Rügen wurde diskutiert. "Die Standortentscheidung soll so schnell wie möglich gefällt werden", teilte das Bundeswirtschaftsministerium erst kürzlich mit.