Kritiker warnen vor einem Qualitätsverlust EU-Agrarminister beraten Weinmarktreform
Europas Winzer bekommen den Konkurrenzdruck aus Übersee immer stärker zu spüren. Zugleich werden jährlich in der EU bis zu 20 Millionen Hektoliter zu viel Wein produziert. Deshalb beraten heute die EU-Agrarminister eine Weinmarktreform. Kritiker warnen vor einem Qualitätsverlust.
Die Agrarminister der Europäische Union wollen heute bei Beratungen in Brüssel die Reform des Weinmarktes vorantreiben. Dabei geht es neben dem Abbau von Überkapazitäten auch um Qualitätsstandards. Hintergrund ist, dass die europäischen Weinbauern zunehmend mit Konkurrenz aus den USA, Chile, Argentinien, Australien und Südafrika zu kämpfen haben. EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel warnte deshalb unlängst, dass wenn nichts geschehe, Europas Winzern trotz hoher Qualität eine Krise drohe.
Leidet die Weinqualität unter dem Konkurrenzdruck?
Neue Vorschriften zur Weinproduktion und zur Etikettierung sollen helfen, dass die Weinbauern es besser mit der wachsenden Konkurrenz aus Übersee aufnehmen können. Dabei sollen bei einfachen Tafelweinen etwa auch Rebsorte und Jahrgang angegeben werden dürfen, was bislang verboten ist. Die deutschen Winzer kritisierten zudem EU-Pläne, künftig die Verwendung von Zucker zur Steigerung des Alkoholgehalts zu verbieten. Dies wird unter anderem in Deutschland, aber auch in einigen französischen Gebieten, in Luxemburg und Österreich angewandt. Die EU-Kommission verzichtete nach Druck der Winzer auf die Forderung, dass in Europa Wein künftig auch aus Most und Verschnittweinen aus Ländern außerhalb der EU hergestellt werden darf. Der bei vielen Verbrauchern verpönte Einsatz von Eichen-Schnitzeln, um einen Wein geschmacklich "älter" zu machen, findet sich in den Kommissionspapieren nicht.
Rohdungsprogramm geplant
Bislang wird in der EU überschüssiger Wein von der EU für jährlich rund 500 Millionen Euro zu Alkohol destilliert. Um der Überproduktion entgegenzuwirken will Brüssel über fünf Jahre lang 400.000 Hektar der insgesamt 3,4 Millionen Hektar Weinanbaufläche freiwillig roden lassen. Dafür sollen Gelder in Höhe von 2,4 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Es solle nur noch Wein hergestellt werden, der sich auch vermarkten lasse, so Fischer Boel. Auch der deutsche Agrarstaatssekretär Gert Lindemann sagte jüngst in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: "Es kann nicht sein, dass wir 15 bis 20 Millionen Hektoliter zu viel Wein in der EU erzeugen." Das Rohdungsprogramm wird voraussichtlich vor allem Winzer im Süden Europas treffen. Die deutsche Branche rechnet kaum mit größeren Betriebsaufgaben.
Widerstand der deutschen Winzer
Die Bundesregierung begrüßt die Reformpläne der EU-Kommission grundsätzlich, will aber keine Verschlechterung bei der Qualität. "Wir stellen uns vor, dass man traditionelle Weinherstellungsverfahren unter weltweiten Schutz stellt", sagte Lindemann. Der Deutsche Weinbauverband forderte die Bundesregierung auf, die Reformvorschläge zu blockieren. Die Kommission schade den Interessen der Erzeuger.
Deutschland liegt EU-weit an vierter Stelle
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des statistischen Bundesamts hierzulande auf 98.875 Hektar Anbaufläche insgesamt 9,1 Millionen Hektoliter Wein geerntet. Damit ist Deutschland innerhalb der EU der viertgrößte Weinproduzent. An den Plätzen eins bis drei liegen mit jeweils mehr als 40 Millionen Hektolitern Frankreich, Italien und Spanien. Wichtigster Exportmarkt für die heimischen Winzer ist laut dem Deutschen Weininstitut Großbritannien - dorthin geht rund ein Drittel der deutschen Ausfuhr. Es folgen die USA, die Niederlande, Japan und Schweden. In Deutschland selber werden jährlich durchschnittlich 20 Liter Wein je Bundesbürger getrunken.