Atomkraft Energie mit langer Halbwertzeit
Die Atomenergie ist in den Industrieländern die mit Abstand wichtigste Alternative zu den fossilen Energieträgern Kohle, Gas und Öl. Nach Einschätzung der Internationalen Atomenergie-Agentur wird sie das auch in den kommenden Jahrzehnten noch bleiben - trotz aller Warnungen von Umweltschützern.
Sämtlicher Warnungen ihrer Gegner zum Trotz, ist die Atomenergie in den Industrieländern nach wie vor die mit Abstand wichtigste Alternative zu den fossilen Energieträgern Kohle, Gas und Öl. Und ungeachtet der Ausstiegsbeschlüsse einiger Länder wird sich das im Weltmaßstab wohl kaum ändern: Schätzungen der Internationalen Atomenergie-Agentur zufolge wird der Anteil der nuklear gewonnenen Energie am Gesamtenergieverbrauch der Welt bis 2020 gleichbleibend bei rund fünf Prozent liegen. Ende 2002 befanden sich in 33 Länder Atomkraftwerke im Betrieb oder Bau.
Das prominenteste europäische Beispiel ist Frankreich. Das Land betreibt 59 Reaktoren und ist damit nach den USA der zweitgrößte Atomstromproduzent der Welt. Mit rund 420 Terawattstunden deckten die Meiler 2003 gut 78 Prozent des französischen Bedarfs. Weltweit liegt der Anteil der Atomkraftwerke an der Stromerzeugung bei 17 Prozent. Deutschland, der immerhin viertgrößte Produzent, erzeugt rund 30 Prozent seiner Elektrizität nuklear.
Befürworter loben Versorgungssicherheit und C02-Bilanz
Für den Betrieb der umstrittenen Meiler wird nach wie vor die Versorgungssicherheit angeführt, die sich durch eine größere Unabhängigkeit vom schwankenden Ölpreis ergibt. Zwar ist der Kernbrennstoff Uran 235 ebenso wie andere fossile Brennstoffe nur begrenzt auf der Erde verfügbar. Die nachgewiesenen und unter wirtschaftlichen Bedingungen abbaubaren Reserven reichen bei gleich bleibendem Bedarf Schätzungen zufolge etwa 70 Jahre. Doch anders als das Erdöl lagern große Vorräte des Energieträgers Uran in politisch stabilen Ländern wie Kanada oder Australien.
Zu einem zweiten, zunehmend auch von der Atomlobby angeführten Hauptargument für die nukleare Stromerzeugung hat sich in jüngster Zeit der Klimaschutz entwickelt. In der Tat kann sich die C02-Bilanz der Meiler sehen lassen: Pro Kilowattstunde Strom- und Wärmeerzeugung wurden im Jahr 2000 etwa im Atomstrom-Land Frankreich nur 74 Gramm Kohlendioxid freigesetzt, in Deutschland aber 490 und im atomstromfreien Griechenland 814 Gramm. Die Zahlen verlocken in Zeiten eines spürbarer werdenden Klimawandels. Die mit der Atomenergie verbundenen Belastungen und Risiken für die Umwelt können sie jedoch nicht schmälern.
Kritiker betonen Störfall-Risiko
Kritiker der Technik weisen nicht nur auf die hohe Belastungen für Mensch und Umwelt in den Uranabbaugebieten und das Problem der Lagerung des Atommülls hin. Sie sehen weiter auch die Gefahr von Störfällen beim Betrieb der Anlagen. Als Beispiele führen sie dabei nicht nur die großen Havarien an, wie die im US-AKW Three Mile Island bei Harrisburg 1979 und den Super-GAU im ukrainischen Reaktor Tschernobyl 1986. Die Kritiker rücken auch Beinahe-Katastrophen wie das durch ein offenes Ventil verursachte Leck im AKW Biblis 1987 oder Pannenserien wie die im AKW Philippsburg 2001 immer wieder ins öffentliche Bewusstsein. Die zum großen Teil veralteten Anlagen in Osteuropa schließlich bereiten nicht nur Atomskeptikern Sorgen. In ihnen sehen auch Befürworter der Technik wie etwa die frühere EU-Kommissarin Loyola de Palacio tickende Zeitbomben.
Das Risiko eines schweren Störfalls können nach Ansicht ihrer Hersteller modernere Reaktoren auf ein Minimum reduzieren. Zu den derzeit populären neuen AKW-Typen gehört der Europäischen Druckwasserreaktor (EPR). Ein solcher Reaktor wird derzeit in Finnland gebaut, und auch Frankreich will künftig auf diese Technik setzen. Mit dem in den 90er Jahre entwickelten Reaktor von Siemens und Areva soll nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Kernschmelze um 90 Prozent verringert sein. Selbst für den Fall dieser Katastrophe gibt es Vorsorgemechanismen. Die Konstrukteure haben eine Art Wanne aus meterdickem Beton entwickelt, die die fast 3000 Grad heiße Schmelze Auffangen und vom Eindringen in das Grundwasser abhalten soll. Dass das funktioniert, bezweifeln Kritiker. Greenpeace hält das Reaktordesign jedoch auch ohnedies bereits für "veraltet und unsicher". Der EPR werde mit gefährlichem Plutonium-Brennstoff betrieben und große Mengen Atommüll produzieren, prognostizieren die Umweltschützer.
Ungelöst: Das wachsende Problem des Atommülls
Damit sprechen sie die Frage an, die auch der Politik im Zusammenhang mit der Atomenergie das größte Kopfzerbrechen bereitet: Was mit dem über viele Generationen strahlenden Müll geschehen soll, ist auch nach mehr als einem halben Jahrhundert Stromgewinnung durch Kernspaltung unklar. Allein in Deutschland entstehen nach Angaben von Greenpeace jedes Jahr 410 Tonnen hochradioaktiver Müll.
Nach wie vor gibt es jedoch kein Endlager für den Abfall, wie er etwa in Form abgebrannter Brennstäbe anfällt. Und auch die bestehenden Endlager für leicht- und mittelradioaktiven Müll, so die deutschen Salzstöcke in Asse und Morsleben, bereiten nicht selten bereits Jahrzehnte nach ihrer Inbetriebnahme Probleme.
Dass es je einen sicheren Ort für den strahlenden Abfall geben wird, hält Greenpeace ebenso wie andere Gruppen aus der Anti-Akw-Bewegung für ausgeschlossen: "Kein Mensch kann heute sagen, wie die politischen und geologischen Verhältnisse auf der Welt in 200 Jahren aussehen - geschweige denn in Tausenden von Jahren", so die Organisation.