Angekündigter Rücktritt des Weltbank-Chefs "Unter Wolfowitz nur Business as usual"
Paul Wolfowitz hat seinen Rücktritt angekündigt. In seiner zweijährigen Amtszeit habe der Weltbank-Chef nicht viel erreicht, meint Globalisierungsexperte Rainer Falk. Jetzt müsse die Organisation dringend Reformen ihrer "archaischen Prinzipien" einleiten, sagte Falk im Interview mit tagesschau.de.
Paul Wolfowitz hat seinen Rücktritt angekündigt. In seiner zweijährigen Amtszeit hat der Weltbank-Chef nicht viel erreicht, meint Globalisierungsexperte Rainer Falk. Jetzt müsse die Organisation dringend Reformen ihrer "archaischen Prinzipien" einleiten.
tagesschau.de: Ist die Wolfowitz-Affäre ein Symptom für eine tief greifendere Krise in der Weltbank?
Rainer Falk: Sie ist mit Sicherheit nur ein Symptom. Man muss sich ja fragen, wie es passieren kann, dass ein Mann, der für seine Verdienste als Architekt des Irak-Kriegs bekannt geworden ist, an die Spitze einer Institution kommt, deren Hauptaufgabe die Bekämpfung der Armut sein soll.
tagesschau.de: Hat sich Wolfowitz denn Ihrer Ansicht nach während seiner zweijährigen Amtszeit fachlich bewährt?
Falk: Das kann man nicht sagen. Er hat als Hauptthema ausgerechnet den Kampf gegen die Korruption gewählt. Das hat ihn nun auch zu Fall gebracht. Als Vertreter einer Organisation wie der Weltbank kann er nicht mehr glaubwürdig gegen Bestechung und Vetternwirtschaft agieren, nach allem, was über seine Beförderungspolitik seiner Freundin gegenüber bekannt geworden ist.
"Die gesamte Weltbank-Führung gegen sich aufgebracht"
tagesschau.de: Wolfowitz’ Programm als solches wurde anfangs durchaus gelobt – zu Recht?
Falk: Ich denke nicht. Er hatte in den zwei Jahren auch keine Gelegenheit, das umzusetzen, was er in seinem Programm angekündigt hat. Was er dagegen geschafft hat, ist, die gesamte Führung der Weltbank und ihr Personal wegen seiner nicht nachvollziehbaren Personalpolitik gegen sich aufzubringen. Das betrifft nicht nur seine Lebensgefährtin, sondern das Führungspersonal generell. Damit hat er wichtige Bereiche der Arbeit in der Bank paralysiert.
tagesschau.de: Was bleibt von der Amtszeit Wolfowitz?
Falk: Wolfowitz wird nicht als großer Innovator der Weltbank in die Geschichte eingehen. Seit er an der Präsidentschaft ist, betreibt die Bank reinstes "business as usual“ – und zwar auf allen Gebieten.
Bei der Umweltpolitik bezeichnet sie sich zwar gerne als "Champion der Erneuerbaren Energien". Wenn man sich aber die Vergabepolitik vor Ort anschaut, sieht man, dass die Investitionen, die in traditionelle Energieprojekte wie Steinkohle oder Staudämme fließen, im letzten Haushaltsjahr um 90 Prozent angewachsen sind.
Rainer Falk ist Gründer des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung. Der monatlich erscheinende Fachdienst informiert über Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie. Er versteht sich als Plattform für Nichtregierungsorganisationen sowie umweltpolitische Initiativen.
Bei der Armutsbekämpfung werden den Ländern, die Kredite bekommen, Bedingungen aufgezwungen, die von ihnen als Zumutung empfunden werden. Es wird überall ein und dasselbe neoliberale Konzept angewandt, das mit den realen Bedingungen vor Ort überhaupt nichts zu tun hat.
"Archaisches Prinzip" der Weltbank
tagesschau.de: Die Forderung wird immer lauter, dass der Weltbank-Chef künftig nicht mehr von der US-Regierung gestellt werden soll? Ist das Ihrer Meinung nach realistisch?
Falk: Ich weiß nicht, ob es für die jetzt anstehende Nachfolgeregelung realistisch ist. Klar ist aus meiner Sicht, dass die Weltbank Reformen in dieser Richtung angehen muss. Das Prinzip, dass die amerikanische Regierung bestimmt, wer Weltbank-Chef wird und die Europäer, wer Chef des Internationalen Währungsfonds wird, ist ein archaisches Prinzip. Wenn die Bank kein Verfahren einführt, bei dem es nach Qualifikation und Erfahrung der Kandidaten geht, dann wird der nächste Weltbank-Präsident mit derselben Hypothek ins Amt gehen wie Wolfowitz.
tagesschau.de: Welche anderen Reformen müsste die Weltbank Ihrer Ansicht nach angehen?
Falk: Zum Beispiel die Entscheidungsstrukturen: Sie funktionieren momentan mehr nach dem Prinzip eines Ständestaats als nach demokratischen Prinzipien. Es gilt die Devise „One Dollar, one vote“ statt „One Country, one vote”. Natürlich ist es schwierig für eine Bank, die Kredite vergibt, allen Mitgliedsstaaten die gleichen Stimmrechte zu geben. Aber dass nur die Reichsten der Reichen über die Politik der Bank entscheiden können, ist ein vordemokratisches Prinzip.
Man könnte zum Beispiel ein Modell der doppelten Mehrheiten einführen – das heißt, in der Gruppe der Entwicklungsländer muss für bestimmte Beschlüsse der Bank genau so eine Mehrheit da sein wie in der Gruppe der Industrieländer. Damit könnte man ein ausbalanciertes Verhältnis erreichen. Modelle gibt es wirklich genug, es ist eine Frage des politischen Willens.
tagesschau.de: Nun ist schon der erste Name für einen Nachfolger gefallen: Der scheidende britische Premier Blair: Ein realistischer Kandidat?
Falk: Es werden viele Namen gehandelt: Der ehemalige US-Handelsbeauftragte Robert Zoellick und der Ex-Präsident der US-Zentralbank, Paul Volcker, sind im Gespräch. Mein Lieblingskandidat wäre Joe Stiglitz, der schon Chef-Theoretiker der Weltbank war, weil er für eine Vielfalt der möglichen Entwicklungswege eintritt und nicht für ein einziges Patentrezept nach neoliberalem Muster.
Die Fragen stellte Carolin Ströbele, tagesschau.de