Interview

Norwegen schließt Firmen von Ölfonds aus Maximaler Profit, aber ethisch korrekt

Stand: 25.08.2007 23:35 Uhr

Norwegen hat aus ethischen Gründen seine Anteile an sieben Konzernen verkauft, die an der Herstellung von Teilen für Atomwaffen beteiligt sind. Wie Finanzministerin Kristin Halvorsen mitteilte, hat der staatliche Ölfonds seine bisherigen Beteiligungen an den Unternehmen, darunter auch Boeing und Honeywell, in Höhe von 3,3 Milliarden norwegischen Kronen (415 Millionen Euro) veräußert.Mit dem Ölfonds legt Norwegen Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung zur Sicherung künftiger Pensionszahlungen im Ausland an.

Die Regierung folgte mit dem Ausschluss einer Empfehlung des Ethikrats. tagesschau.de sprach mit der Vorsitzenden des Gremiums, Gro Nystuen, über diese Entscheidung.

tagesschau.de: Stehen in Norwegen ethische Fragen über den wirtschaftlichen Interessen?

Gro Nystuen: Nein, das ganz bestimmt nicht. In den Richtlinien für den Ethikrat ist klar festgeschrieben, dass es zwei Grundlagen für die ethischen Richtlinien gibt: Als Erstes sollen die Fonds ordentlich Profit abwerfen – für unsere Zukunft. Es ist ein Sparbuch, das den künftigen Generationen Freude bereiten soll. Denn das ist auch ethisch. Und als Zweites wollen wir unethisches Handeln nicht unterstützen. Viele meinten, diese beiden Grundsätze seien schwer zu vereinbaren, doch unsere Regelung baut eine Brücke zwischen den Zielen, so dass man beides auf einmal erreichen kann.

tagesschau.de: In Norwegen gibt es jetzt eine Mitte-Links-Koalition, zuvor waren die Konservativen am Ruder. Inwieweit ist der Einfluss des Ethikrats von den jeweiligen Regierungen abhängig?

Gro Nystuen: Da gibt es keinen Unterschied. Es ist ja so, dass die jetzt veröffentlichten Schritte gegen die Unternehmen bereits von der alten Regierung eingeleitet wurden. Wir haben es noch nicht erlebt, dass eine Regierung nicht unseren Vorschlägen gefolgt ist. Dies kann natürlich in Zukunft passieren. Wir machen die Vorschläge, das Finanzministerium bzw. die Regierung entscheidet. Allerdings wäre es politisch schwierig für eine Regierung, die Vorschläge des Rats zu ignorieren.

Die Norweger fühlen sich als Eigentümer des Ölgelds

tagesschau.de: Welchen Stellenwert hat der Ethikrat in Norwegen? Spricht jetzt jeder über den Ausschluss der Firmen oder ist das nur ein Thema für Experten?

Gro Nystuen: Die Realität liegt wohl genau in der Mitte. Alle wichtigen Tageszeitungen sowie Radio und Fernsehen haben über den Ausschluss berichtet. Da gibt es eine große öffentliche Aufmerksamkeit. Allerdings bekommt man keine Titelgeschichte in einem großen Boulevard-Blatt. Dies spiegelt das Gefühl der Norweger ganz gut wider. Die Bürger sehen sich als Eigentümer des Ölgelds. Und daher sind sie natürlich auch interessiert daran, was mit dem Geld gemacht wird.

tagesschau.de: Hat der Ausschluss für die sieben Konzerne größere Konsequenzen?

Gro Nystuen: Die Norwegische Bank hat als verantwortliches Institut die Aktien der Firmen verkauft. Ob dies nun Auswirkungen auf die Aktienkurse hat - das bezweifele ich eher. Es geht ja nur um diese speziellen Waffen, Atomwaffen. Dies sind legale Waffentypen, die Konzerne tun nichts Verbotenes. Aber Norwegen möchte zeigen, dass man nicht wünscht, Teilhaber an der Produktion von Kernwaffen zu sein. Darin liegt keine Kritik an den Konzernen.

tagesschau.de: Norwegen ist durch die Gas- und Ölvorkommen sehr reich. Ist dieser Ausschluss bestimmter Firmen ein Luxus, den sich das Land deswegen leisten kann?

Gro Nystuen: Das kostet uns ja eigentlich nicht so wirklich viel. Wir haben ein Portfolio von 4000 Gesellschaften im Ölfonds. Wenn wir da nun sieben rausnehmen, so glaube ich nicht, dass dies so fürchterlich teuer ist. Wie viel dies genau kostet, konnte auch der Chef der Norwegischen Bank nicht beziffern. Daher ist es schwierig, diese Frage objektiv zu beantworten.

tagesschau.de: Sie haben deutlich gemacht, dass auch Norwegen den eigenen Interessen die höchste Priorität einräumt. Dennoch ist dieser Schritt Ihrer Regierung in der internationalen Finanzpolitik ziemlich ungewöhnlich.

Gro Nystuen: Das kann gut sein, dass dies ungewöhnlich ist. Doch gibt es weltweit einige Pension-Fonds, die ethischen Grundsätzen folgen, besonders in den USA und Großbritannien. Allerdings muss man die unterschiedlichen Kriterien beachten. In den USA betrifft dies vielleicht eher Richtlinien, die Alkohol, Tabak oder Pornografie betreffen. Dies sind Dinge, die in Norwegen nicht unbedingt auf der Tagesordnung stehen würden. Hier sind es eben eher Themen wie Menschenrechte, Naturschutz oder die Ablehnung von bestimmten Waffentypen, die als wichtig erachtet werden.

Es ist ein gesellschaftlicher Minimal-Konsens, der hier deutlich wird. Ähnliche ethischen Grundsätze für staatliche Fonds werden beispielsweise in Neuseeland oder auch Irland diskutiert.

Das Interview führte Patrick Gensing, tagesschau.de