Vertragsunterzeichnung für Gas-Pipeline Startschuss für Nabucco in Ankara
Nach jahrelangen Verhandlungen soll heute in Ankara der Vertrag über den Bau der Nabucco-Pipeline unterzeichnet werden. Damit könnte Gas an Russland vorbei in die EU geliefert werden. Europa erhofft sich so mehr Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen. Zu Recht?
Michael Götschenberg, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Jose Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission, verliert selten die Fassung. Bei der Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine Anfang dieses Jahres aber war es soweit: Barroso platzte der Kragen. Brüssel versuchte damals im Gasstreit zwischen Moskau und Kiew zu vermitteln - denn in Europa kam kein Gas aus Russland mehr an. "Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich erleben, dass Vereinbarungen, die wir erzielt haben, systematisch einfach nicht umgesetzt wurden - das war einfach unglaublich", erinnert sich Barroso.
Angst vor der Abhängigkeit
Die Krise war ein Weckruf. Russland ist der größte Gaslieferant der Europäer - die EU ist abhängig von russischem Gas, und aus dieser Abhängigkeit müssen wir uns lösen, lautete das Fazit aus der Krise. "Russland und die gestoppten Gaslieferungen erinnerte mich an den Film 'Und täglich grüßt das Murmeltier'", sagte Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Außenpolitiker im Europa-Parlament. "Wie können wir sicher stellen, dass es in der Zukunft besser wird? Wir können die Pipeline Nabucco bauen, die das russische Territorium umgeht. Schwieriges Projekt, aber es muss gemacht werden".
Kampfansage an Russland
Eine Gaspipeline vom kaspischen Meer über die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn bis nach Österreich - ein Mammutprojekt. 3300 Kilometer lang, rund acht Milliarden Euro teuer - und eine Kampfansage an Russland, die nicht unbeantwortet geblieben ist. Jetzt ist ein regelrechter Wettlauf der Pipelines im Gange: Russland will mit der Nordstream Pipeline Gas durch die Ostsee direkt nach Deutschland liefern. Außerdem planen die Russen ein Konkurrenzprojekt zu Nabucco - die sogenannte Southstream Pipeline.
Nach den Erfahrungen mit dem russischem Gas zu Beginn des Jahres hat die EU das Projekt Nabucco massiv vorangetrieben - mit Erfolg: Es ist nun endlich unterschriftsreif. Das Gas soll aus Turkmenistan und Aserbaidschan kommen, und auch aus dem Iran. 2014 soll das erste Gas fließen - am Ende sollen es 30 Milliarden Kubikmeter pro Jahr sein.
Auch Nabucco mit Risiken verbunden
Die Abhängigkeit von Russland bleibt allerdings: Allein Deutschland verbraucht im Jahr dreimal so viel Gas wie durch Nabucco geliefert werden kann. Die EU setzt deshalb nicht nur auf alternative Gaslieferanten, sondern auch auf den Ausbau alternativer Energieträger, vor allem aus Wind, Sonne und Wasser. "Der richtige Mix ist Teil unserer Energiesicherheitsstrategie. Verschiedene Energielieferanten, verschiedene Pipelines, und auch verschiedene Energiequellen", wirbt EU-Kommissionspräsident Barroso.
Die Nabucco-Pipeline alleine löst Europas Energieprobleme also nicht - ganz im Gegenteil: Auch sie ist mit Unsicherheiten verbunden. Wie zuverlässig sind Gaslieferungen aus autoritär regierten Ländern wie Turkmenistan oder Aserbaidschan?