Neuer Versorgungsweg für Kunden in der EU Erstes Gas strömt durch Ostsee-Pipeline
Europas größtes Energieprojekt ist fast am Ziel. Das erste russische Gas strömte in die Ostseepipeline. Die erste Lieferung soll in zwei Monaten Deutschland erreichen. Die EU hofft auf eine bessere Versorgung, Russland will unabhängiger vom Transit durch die Ukraine und Weißrussland werden.
Fast sechs Jahre nach dem offiziellen Baubeginn pumpt Russland zum ersten Mal Gas durch die Ostsee-Pipeline nach Deutschland. Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin drehte bei Wyborg den Gashahn auf und startete damit das Befüllen der 1224 Kilometer langen Leitung nach Lubmin bei Greifswald. Zunächst strömt "technisches Gas" in die Pipeline. Damit wird der nötige Druck aufgebaut. Putin zufolge wird das erste Gas Ende Oktober oder Anfang November in Deutschland ankommen - und damit rechtzeitig zur neuen Heizperiode. Einsatzbereit ist allerdings bislang nur der erste von zwei geplanten Leitungssträngen. Der zweite soll Ende 2012 in Betrieb gehen.
Das Gas stammt vom russischen Energiekonzern Gazprom. Deutschland und die EU versprechen sich von der Leitung durch die Ostsee mehr Energiesicherheit. Russland wiederum will sich durch die Pipeline vor allem von den Transitländern Ukraine und Weißrussland unabhängiger machen, durch die bisher russisches Gas über Festlandverbindungen nach Westeuropa gelang. Vor allem mit der Ukraine hatte sich Russland immer wieder über Gaspreise und die Durchleitung in Richtung EU gestritten. Die Pipeline sei im Energiebereich "unser Fenster nach Europa", sagte Putin am Tag vor der Inbetriebnahme. "Wir befreien uns Schritt für Schritt vom Diktat der Transitstaaten."
Pipeline kostet mindestens 7,4 Milliarden Euro
Die Ostsee-Pipeline gilt als Europas größtes Energieprojekt. Die Kosten der Pipeline wurden bislang mit 7,4 Milliarden Euro veranschlagt. Der russische Vizeregierungschef Igor Setschin gab die Kosten nun allerdings mit 8,8 Milliarden Euro an, unter Berücksichtigung "gewisser Zinsen". Mit einem Anteil von 51 Prozent ist Gazprom Mehrheitseigner des Betreiberkonsortiums Nord Stream. Weitere Anteile halten die deutschen Firmen E.On Ruhrgas und die BASF-Tochter Wintershall, der französische Energiekonzern GDF Suez und das niederländische Unternehmen Gasunie. Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der das Projekt 2005 gemeinsam mit Putin beschlossen hatte, ist inzwischen Vorsitzender des Aktionärsausschusses von Nord Stream.
Die Leitungsstränge verlaufen auf dem Grund der Ostsee und reichen von der russischen Stadt Wyborg bis nach Lubmin. Das Gas stammt aus dem Feld Juschno-Russkoje, das als eines der weltweit größten Lagerstätten gilt. Dieses Gebiet in der Region Tjumen verfügt laut Nord Stream über Gasreserven von mehr als einer Billion Kubikmeter. Mehr als 700 Milliarden Kubikmeter der Reserven seien bereits nachgewiesen worden. Durch beide Leitungsstränge zusammen können insgesamt 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr geleitet werden. Dies reicht für die Versorgung von 26 Millionen Haushalten.