Energiepreisbremse Warten auf Post vom Stadtwerk
Seit Anfang März gilt rückwirkend die Energiepreisbremse. Versorger müssen ihre Kunden informieren, wie viel weniger sie zahlen. Doch manche warten weiter auf ihren Brief - offenbar wegen teils überforderter Unternehmen.
Bei den Cottbuser Stadtwerken waren die vergangenen Wochen extrem anstrengend. Der Grund: Die Umsetzung der Preisbremse für Strom, Gas und Fernwärme innerhalb weniger Wochen. Für das kommunale Unternehmen hieß das, dass die künftigen Abschläge neu berechnet werden mussten. Und auch die Abschläge aus den ersten beiden Monaten galt es zu verrechnen, denn die Preisbremse gilt rückwirkend ab Jahresbeginn.
Dafür seien die bisherigen Computerprogramme nicht ausgelegt, sagt der Chef der Stadtwerke Cottbus, Vlatko Knezevic: "Die Systeme, die wir benutzen, das sind millionenschwere Systeme - die sind sehr groß, von bekannten Anbietern weltweit. Diese Abrechnungssysteme wurden in den letzten Jahrzehnten entwickelt."
Neues System "Tag und Nacht getestet"
Das Ganze innerhalb weniger Wochen umzustellen - eine echte Herausforderung. "Die Version, die das jetzt kann, haben wir erst letzten Freitag bekommen", so der Stadtwerke-Chef. "Am Samstag wurde diese Version eingespielt, am Wochenende haben unsere Mitarbeiter Tag und Nacht getestet." Auch viele Fehler habe es am Anfang gegeben bei den insgesamt 15.000 Datensätzen. "Also Kommando zurück: Nochmal neu testen, nochmal neu einstellen, so dass es am Sonntagabend das erste Mal eine Version gab, die wirklich gut funktioniert hat."
Sofort seien die ersten Briefe an die Kunden rausgeschickt worden, sagt Knezevic. Ob sie ganz pünktlich ankommen, ist nicht ganz sicher. Am Mittwoch war der Stichtag, spätestens am 1. März sollten alle Strom- und Gaskunden schriftlich über ihre künftigen Abschlagszahlungen mit der eingerechneten Preisbremse informiert werden.
Aber von vielen Energieversorgern ist zu hören: das sei nicht machbar. Das hat Folgen, wie Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband sagt: "Wir müssen sehen, wie es im März läuft. Wir bekommen von den Verbraucherzentralen Rückkopplungen, dass vieles noch nicht gut läuft. Zum Teil fehlen die Preisinformationsschreiben, zum Teil sind sie nicht verständlich."
20 Millionen Verträge betroffen
Die Umsetzung des Gesetzes sei eine absolute Mammutaufgabe für die Versorger, klagt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der über 1900 Unternehmen vertritt. Der Energiemarkt sei ein Massenmarkt. Allein 20 Millionen Gasverträge hätten umgestellt werden müssen, sagt BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Und das seit dem 24. Dezember - da habe das Gesetz im Gesetzesblatt gestanden.
Über die extrem kurze Zeit zur Umsetzung klagt auch der Energiekonzern Vattenfall. Das Überstundenkonto der Kolleginnen und Kollegen sei stark gewachsen, heißt es von dem Unternehmen. Man habe in der kurzen Zeit gar keine neuen Leute einstellen können, weil die Einarbeitung viel zu lange gedauert hätte, berichtet Vertriebschefin Susanne Huneke.
Offenbar sind vor allem viele kleinere Stadtwerke mit der Umsetzung des Gesetzes überfordert - finanziell und organisatorisch. "Oft müssen individuelle Lösungen für die Abrechnungsprogramme der Stadtwerke vor Ort gefunden werden", sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer Verband kommunaler Unternehmen (VKU). "Es gibt nicht das eine Software-Update, das für alle Unternehmen auf alle Abrechnungsprogramme und für alle Prozesse passt."
"Alles bleibt bei uns hängen"
Und wenn es dann noch individuelle Tarife wie zum Beispiel einen Ökotarif gibt, dann wird es für die Unternehmen noch komplizierter. Nicht nur der Aufwand, auch die Kosten ärgern Vlatko Knesevic von den Cottbuser Stadtwerken. "Allein für die Briefe, die wir an die Kunden senden, rechnen wir 70.000 Euro", sagt er. Hinzu komme die ganze Arbeit wegen der Software-Umstellung. "Das müssen wir auch zahlen, das sind sechsstellige Beträge. Alles bleibt bei uns hängen."
Auch Sicht der Versorger machen die Unternehmen gerade die Arbeit, die eigentlich der Staat übernehmen müsste. Wenn der eine Preisbremse anordne, dann solle er auch für die Umsetzung sorgen, so der Vorwurf. "Wir sind in eine Lücke gesprungen, nicht ganz freiwillig", sagt Vattenfall-Vertriebschefin Susanne Huneke. "Es wäre schön, wenn der Staat die Hausaufgaben machen würde."
Staatliche Aufgabe abgewälzt an Unternehmen?
Und auch vom Verband kommunaler Unternehmen heißt es: "Mit der Umsetzung der Energiepreisbremsen haben Energieversorger und Stadtwerke kurzfristig eine staatliche Aufgabe übernommen, denn soziale Entlastung und Hilfen für Unternehmen sind eine hoheitliche Aufgabe."
Kundinnen und Kunden müssen sich womöglich noch etwas gedulden. Bis sie erfahren, wieviel sie künftig unter Berücksichtigung der Preisbremse zu zahlen haben, könnte es noch dauern. Und die Verbraucherzentralen rechnen mit einem erhöhten Beratungsaufkommen. Aber, das versichern alle: Die Entlastung kommt.