Reaktionen auf Euro-Beschlüsse Gipfel-Nachlese mit Beigeschmack
Hat sich Kanzlerin Merkel beim Euro-Gipfel von Italien und Spanien über den Tisch ziehen lassen? Sie selbst weist das weit von sich - und feiert die geplante europaweite Bankenaufsicht als Erfolg. Euro-Skeptiker in der schwarz-gelben Koalition sehen in den Beschlüssen hingegen einen "Dammbruch".
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht in den Beschlüssen des Euro-Gipfels kein Abweichen von ihrem bisherigen Kurs: "Wir sind unserer Philosophie - keine Leistung ohne Gegenleistung - treu geblieben", sagte sie in Brüssel.
Zugleich widersprach sie der Darstellung, Italien oder Spanien würden bei Hilfsaktionen des Euro-Rettungsschirms nicht kontrolliert. Auch bei Interventionen an den Anleihemärkten werde die Troika die Einhaltung der Auflagen überwachen. "Und das würde zum Beispiel gelten, wenn Spanien oder Italien im Rahmen ihrer Zinslasten solch ein Programm in Anspruch nehmen würden", fügte sie hinzu.
Zugeständnisse auf Druck von Spanien und Italien
Merkel hatte unter dem Druck von Italien und Spanien Zugeständnisse beim Einsatz der Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM gemacht.
Aus der Erklärung der Eurozone geht hervor, dass es dem EFSF - und später dem dauerhaften Rettungsfonds ESM - künftig erlaubt sein soll, angeschlagene Banken direkt mit Kapital zu versorgen - allerdings erst, wenn es eine gemeinsame Bankenkontrolle gibt. Diese soll unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank (EZB) eingerichtet werden. Außerdem muss es eine Vereinbarung mit dem betreffenden Land und "angemessene Konditionen" geben, ehe die Gelder freigegeben werden.
Unterschiedliche Schwerpunkte
Während Merkel vor allem die künftige gemeinsame Bankenkontrolle bei der EZB als "Super-Aufsichtsbehörde" lobt, heben die angeschlagenen Staaten die flexiblere Nutzung der Euro-Rettungsfonds hervor. Die zustandegekommene Einigung sei "eine sehr wichtige Abmachung für die Zukunft der EU und der Eurozone", sagte Italiens Premier Mario Monti.
Zwar müssen die Länder, falls sie Hilfen in Anspruch nehmen, sich zu einem strikten Sparkurs verpflichten. "Damit werden aber nur die Verpflichtungen bekräftigt, die das Land schon eine Weile erfüllt", sagte Monti. "Das ist kein Programm wie für Griechenland, Irland oder Portugal", fügte er hinzu.
Auch Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker zeigte sich mit dem Gipfelergebnis zufrieden. "Es geht hier nicht um erpressen, es geht nicht um Sieger, Besiegte, Gewinner, Verlierer. Wir bemühen uns hier gemeinsam."
Kritik aus den eigenen Reihen
Anders sehen das die Euro-Skeptiker in Deutschland - vor allem in den Reihen der Koalition. Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler nannte in einem Reuters-Interview das neue Instrument von direkten Hilfen der Euro-Rettungsfonds für notleidende Banken im Euro-Raum einen "erneuten Dammbruch" zulasten deutscher Steuerzahler. "Jetzt boxen wir auch (nach einigen deutschen Instituten) andere europäische Banken mit Steuerzahlergeld heraus."
Die bisherigen Regeln des Rettungsfonds EFSF sähen ein solches Vorgehen auch nicht vor. "Es geht also alles immer stärker in diese Transferunion hinein", beklagte er. Die angekündigte europäische Bankenaufsicht sei nicht schnell realisierbar.
Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach beklagte, mit den Beschlüssen sei ein weiterer großer Schritt in Richtung einer Vergemeinschaftung von Schulden in Europa gegangen worden.
Im Deutschlandfunk sagte er: "Das Problematischste der Beschlüsse heute ist doch, dass wir endgültig und unkündbar Artikel 125 des EU-Vertrages, die sogenannte No-Bailout-Klausel, die Eigenverantwortlichkeit der Euro-Staaten für ihre eigene Finanzpolitik sicherstellen soll, aufgeben."
Lob von der Opposition
SPD und Grüne dagegen begrüßten wesentliche Gipfelbeschlüsse. Sowohl SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, als auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hoben vor allem darauf ab, dass Merkel in Brüssel selbst gezogene "rote Linien" überschritten habe. Dies gelte vor allem in Bezug auf das beschlossene Wachstumspaket, sagte Nahles dem Sender n-tv.