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Fragen und Antworten Welche Rechte haben die VW-Käufer?

Stand: 15.10.2015 20:42 Uhr

Von den Sammelklagen in den USA in Sachen VW ist überall die Rede. Aber welche Rechte könnten die 2,8 Millionen betroffenen deutschen Autokäufer haben? Vieles in diesem Fall ist noch im Fluss - eine Orientierungshilfe.

Von Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion

Warum genau werden die VW-Fahrzeuge nun zurückgerufen?

Rückrufe gibt es häufig auf Basis des "Produktsicherheitsgesetzes". Voraussetzung dafür wäre ein "ernstes Risiko insbesondere für die Sicherheit und Gesundheit von Personen" (§ 26 Absatz 4 Produktsicherheitsgesetz). Ein Rückruf in diesem Sinne ist die angeordnete VW-Aktion aber gerade nicht. Die Aktion wurde zur "Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit" angeordnet (§ 25 Absatz 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung). Das hat das Kraftfahrtbundesamt gegenüber der ARD bestätigt.

Es geht also nicht um Sicherheitsaspekte. VW muss nun dafür sorgen, dass die Autos den technischen Vorgaben entsprechen, die genehmigt wurden. Das bedeutet: VW muss die Manipulationssoftware in allen betroffenen Autos beseitigen und laut Verkehrsminister Dobrindt gewährleisten, dass die Emissionsvorschriften eingehalten werden. Andernfalls droht den Fahrzeughaltern eine Betriebsuntersagung.

Welche Rechte haben betroffene Autokäufer?

Abschließende rechtliche Bewertungen sind hier noch nicht möglich, aber einige Leitlinien. Voraussetzung für alle Ansprüche ist ein "Mangel" der gekauften Sache. Im konkreten Fall kommen da gleich mehrere Dinge in Betracht: Die erhöhten Abgaswerte, ein höherer Verbrauch als versprochen etc. Wenn eine gekaufte Sache mangelhaft ist, gibt das Gesetz dem Käufer die sogenannten "Gewährleistungsrechte":

  • "Nacherfüllung": Grundsätzlich muss der Käufer dem Verkäufer erst einmal eine Frist zur "Nacherfüllung" geben. Er hat dann prinzipiell die Wahl, ob die Sache repariert oder ausgetauscht wird. Diese Wahl hat das Kraftfahrt-Bundesamt mit seinem angeordneten Rückruf dem Kunden nun quasi abgenommen. Die betroffenen Fahrzeuge müssen aus Behördensicht repariert werden.
  • "Rücktritt": Stufe 2 ist der sogenannte "Rücktritt". Der bedeutet: Auto zurückgeben, Kaufpreis zurückbekommen, abzüglich des Wertersatzes für die gefahrenen Kilometer. Das kommt in Betracht, wenn die Nacherfüllung nicht geklappt hat oder für den Käufer nicht zumutbar ist. Außerdem muss der Mangel "erheblich" sein. Ob das der Fall ist, lässt sich noch nicht abschließend sagen.
  • "Minderung": Alternativ zum Rücktritt kann man auch "mindern", also das Auto behalten und einen Teil des Kaufpreises zurückverlangen. Anders als beim Rücktritt muss der Mangel hier nicht "erheblich" sein.

Gegen wen hat man die Gewährleistungsrechte?

Wichtig für die Rechte der Kunden ist der Unterschied zwischen "Verkäufer" und "Hersteller". Der Kunde kauft das Auto ja nicht direkt beim Hersteller, sondern bei einem Händler. Die gesetzlichen Gewährleistungsrechte hat man gegenüber dem Verkäufer des Autos, also zum Beispiel dem Autohaus, nicht gegenüber dem VW-Konzern als Hersteller. Ansprechpartner für eine Reparatur und in der Pflicht ist also die Person oder Firma, mit der man den Kaufvertrag geschlossen hat.

Können Autoverkäufer Regress bei VW nehmen?

Ja.

Sind die Gewährleistungsrechte möglicherweise verjährt?

Das ist eine ganz entscheidende Hürde für die Gewährleistungsrechte gegenüber dem Verkäufer. Sie verjähren grundsätzlich zwei Jahre nach dem Kauf des Autos. Viele betroffene Autos könnten aber älter sein. Eine längere Verjährungsfrist gibt es, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel "arglistig verschwiegen" hat. Nun ist es gut möglich bis wahrscheinlich, dass zum Beispiel der VW-Vertragshändler nichts von der Manipulation wusste, also auch nicht selbst arglistig getäuscht hat. Die Manipulation soll ja beim Hersteller (dem VW-Konzern) stattgefunden haben. Die Frage ist dann: Muss sich das Autohaus oder der Vertragshändler die Täuschung aus der Konzernzentrale zurechnen lassen? Das lässt sich rechtlich noch nicht abschließend sagen. Wenn ja, wäre das gut für Kunden. Die Verjährungsfrist läge dann bei drei Jahren. Und sie würde erst ab dem Zeitpunkt laufen, als der Kunde von dem Mangel wissen konnte.

Was ist, wenn ich eine "Garantie" auf mein Auto habe?

Viele Autos haben noch eine spezielle "Herstellergarantie". Die Garantie wird oft mit der "Gewährleistung" verwechselt, ist aber etwas anders. Der Hersteller steht darin freiwillig dafür ein, dass das Auto in Ordnung ist. Manche Garantien laufen länger als zwei Jahre. Das könnte also möglicherweise ein Hebel für betroffene Käufer sein, eine Reparatur durchzusetzen. Die Rechte bei einer echten Herstellergarantie bestünden dann aber nicht gegenüber dem Verkäufer, sondern gegenüber VW selbst.  

Was ist mit Schadensersatz?

Schadenspositionen kann man sich so einige vorstellen, zum Beispiel einen Mietwagen während der Reparatur. Rechtlich ist die Sache mit dem Schadensersatz aber nicht so einfach. Denn er setzt ein Verschulden des Verkäufers voraus. Das Autohaus wusste aber im Zweifel nichts von der Manipulation, es kann also nichts dafür.

Bestehen auch Ansprüche gegen VW selbst?

Gewährleistungsrechte hat man nur gegenüber dem Verkäufer, siehe oben. Ein Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Hersteller VW ist denkbar. Er würde aber eine "vorsätzliche, sittenwidrige Täuschung" voraussetzen, und zwar von Mitgliedern auf hoher Ebene des Konzerns. Die Hürden dafür sind grundsätzlich ziemlich hoch.

Wo kann ich als Kunde Hilfe bekommen?

Die Verbraucherzentralen können erste Orientierung geben, außerdem kann eine Erstberatung bei einem Anwalt sinnvoll sein.

Gibt es in Deutschland eine Sammelklage wie in den USA?

Nein. Sammelklagen wie im US-Recht ("class actions"), denen man sich einfach anschließen kann, gibt es im deutschen Recht nicht. Jeder Kunde muss seine Rechte selbst geltend machen, im Zweifel mit einer eigenen Klage vor Gericht.

Gibt es weitere Unterschiede zum US-Recht in Sachen Schadensersatz?

Ja. Im deutschen Recht hat der Schadensersatz den Zweck, die Verluste des Geschädigten auszugleichen, mehr nicht. Im US-Recht gibt es die sogenannte "punitive damages", frei übersetzt "bestrafender Schadensersatz". Die Geldzahlung des Verkäufers soll also nicht nur ausgleichen, sondern auch weh tun. Dadurch sollen Unternehmen davon abgehalten werden, Fehler zu machen. Das erklärt unter anderem die hohen Summen an Schadensersatz, die man immer wieder aus den USA hört.

Können VW-Aktionäre wegen möglicher Verluste klagen?

Ja. Ansatzpunkt wäre der Vorwurf, dass VW zu spät eine sogenannte "ad hoc-Mitteilung" herausgegeben haben könnte, in der der Konzern die Aktionäre zum Beispiel über die Manipulationen informiert. Bei börsenrelevanten Informationen ist ein Konzern zu solchen Mitteilungen verpflichtet. Indizien für eine zu späte Mitteilung gibt es, geklärt ist das noch nicht. Deutsche Anwaltskanzleien haben bereits angekündigt, Klagen vorzubereiten. Aktionäre könnten Verluste einklagen, aber: nur für Käufe ab dem Tag, an dem die "ad hoc-Mitteilung" eigentlich hätte rausgehen müssen. Wer die Aktien ohnehin schon hatte, der hätte den Kursverlust auch bei rechtzeitiger "ad hoc-Mitteilung" gehabt.