GM-Töchter im Abwärtsstrudel Opel und Saab ohne Staatshilfe vor dem Aus

Stand: 20.02.2009 18:07 Uhr

Die Krise der GM-Töchter Opel und Saab spitzt sich zu. Bei Opel tun sich immer größere Finanzlöcher auf. Saab ist insolvent - und will sich von der maroden US-Mutter lösen. Ohne GM bräuchten die Töchter aber einen Partner, wie Autoexperte Diez gegenüber tagesschau.de sagte.

Den beiden klammen Töchtern des US-Autokonzerns General Motors, Opel und Saab, droht ohne rasche staatliche Finanzspritze das Aus. Während beim Rüsselsheimer Hersteller Opel das Finanzloch noch größer ausfällt als befürchtet, beantragte Saab in Schweden Insolvenz. Bei den traditionsreichen Autobauern bangen zusammen an die 34.000 Menschen um ihren Arbeitsplatz.

Opel bestätigte erstmals, mehr als die bislang beantragten Staatsgarantien von 1,8 Milliarden Euro zu benötigen. Auf Basis der geänderten Rahmenbedingungen gehe man davon aus, "dass Opel einen Bürgschaftsrahmen von mehr als den ursprünglich diskutierten 1,8 Milliarden Euro in Europa benötigen" werde, teilte der bei Opel verantwortliche Geschäftsführer für Finanzen, Marco Molinari, der Nachrichtenagentur Reuters mit.

Die Höhe der benötigten Mittel bezifferte Opel nicht. Regierungskreise gehen von 2,6 Milliarden Euro aus, wie Reuters berichtet. Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" schreibt, der Finanzbedarf belaufe sich mittlerweile sogar auf 3,3 Milliarden Euro.

Der SPD-Kanzlerkandidat, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, sagte: "Wer Opel retten will, muss weiter denken als bis zum nächsten Kirchturm. Kein Werk ist für sich und einzeln überlebensfähig, weder in Deutschland noch anderswo. Wir müssen international und auf europäischer Ebene koordiniert vorangehen, damit Arbeitsplätze in Rüsselsheim, Kaiserslautern, Bochum und Eisenach dauerhaft gesichert werden können." Dafür sei eine überparteiliche Zusammenarbeit notwendig, so Steinmeier in der "Rheinischen Post".

"Ein neues Kapitel in der Saab-Geschichte"

Während in Deutschland weiter über eine Herauslösung von Opel aus dem GM-Mutterkonzern und über mögliche Staatshilfen gestritten wird, wurden für Saab in Schweden die Voraussetzung für einen solchen Schritt geschaffen. Saab erhielt in Stockholm als erster namhafter Autobauer im Zuge der Wirtschaftskrise Gläubigerschutz. Der defizitäre schwedische Hersteller verschafft sich damit Luft, um sich aus dem ebenfalls ums Überleben kämpfenden amerikanischen Mutterkonzern zu lösen. Das Insolvenzverfahren schützt den Autobauer in der Zeit der Restrukturierung vor den Forderungen seiner Gläubiger.

Die Produktion soll vorerst normal fortgesetzt werden. Saab-Chef Jan Ake Jonsson erklärte, die Neuorganisation habe das Ziel, ein "völlig unabhängiges" Unternehmen zu schaffen, das zukunftsfähig sei und offen für Investitionen. Man werde alle Optionen ausloten, auch einen Verkauf. Die Umorganisation solle innerhalb von drei Monaten umgesetzt werden und erfordere eine "unabhängige Finanzierung". Jonsson sagte, nach 20 Jahren unter einer ausländischen Mutter beginne nun "ein neues Kapitel in der Saab-Geschichte".

Der Staat hielt sich raus

Die schwedische Regierung hatte sich geweigert, Saab Finanzspritzen zu gewähren - auch, um zu vermeiden, dass das Geld schwedischer Steuerzahler beim angeschlagenen Mutterkonzern GM versickert. Jetzt schloss das schwedische Innenministerium Kreditgarantien nicht mehr aus, falls Saab eine Perspektive habe.

Saab hat im vergangenen Jahr 94.000 Autos abgesetzt und beschäftigt 4000 Mitarbeiter. Von der Insolvenz sind nicht nur die Jobs bei Saab betroffen, sondern laut Gewerkschaften auch 11.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern in Schweden gefährdet. Das Unternehmen fährt seit mehreren Jahren hohe Verluste ein. Saab steht seit 2008 zum Verkauf.

Partner-Suche unausweichlich

Branchenexperten bezweifelten, dass Saab eine Chance als eigenständiges Unternehmen hat. Der Autobauer muss sich nach Ansicht des Automobilexperten Willi Diez von der Fachhochschule Nürtingen nun dringend einen neuen Partner suchen. "Bis auf Porsche kenne ich kein Unternehmen von vergleichbarer Größe, dass alleine auf dem Markt bestehen kann", sagte er tagesschau.de.

Opel vor ähnlichen Problemen

Auch bei den Planspielen für die Rettung der deutschen GM-Tochter Opel wird eine Trennung von General Motors diskutiert. Sollte sich Opel vom maroden Mutterkonzern lösen, stünde der Rüsselsheimer Autobauer vor einem ähnlichen Problem wie Saab, sagte Diez weiter. Opel produziert zwar mit rund 1,5 Millionen Autos pro Jahr etwa mehr als zehnmal so viele Fahrzeuge wie Saab. "Aber auch Opel braucht einen Partner", sagte er. Vorstellbar ist für ihn ein indisches oder chinesisches Unternehmen, das versucht Zugang zum europäischen Markt zu bekommen.

Rettung im Zusammengehen?

Die Insolvenz von Saab versetzt Branchenexperten zufolge auch Opel einen Schlag. Denn General Motors hat in den vergangenen Jahren die Verflechtung seiner europäischen Töchter energisch vorangetrieben. Die Deutschland-Zentrale von Saab residiert am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim. Und auch viele Opel-Händler bieten seit einigen Jahren zusätzlich Saab-Fahrzeuge an. In den vergangenen Jahren entwickelten Ingenieure für bestimmte Modelle von Opel und Saab gemeinsame Plattformen.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer warnt im ARD-Mittagsmagazin: "Opel ist nicht gerettet, wenn Saab Insolvenz anmelden muss." Im Gegenteil: Die Brisanz der Probleme werde größer. "Das, was bei Saab passiert ist, wirft zusätzliche dunkle Schatten auf Opel", sagte Dudenhöffer.

Branchenexperten spekulieren seit längerem darüber, ob die Kooperation den beiden angeschlagenen Autobauern die Rettung bringen könnte. Die Frage ist höchst umstritten. Einige Experten halten ein Zusammengehen der beiden aufgrund der bestehenden engen Verflechtungen schlicht für unvermeidbar. Andere sehen in einem Zusammenschluss der taumelnden Töchter keinen Sinn.

Mit der Opel-Krise beschäftigt sich auch der Bericht aus Berlin - am kommenden Sonntag, den 22.2., um 18:30 Uhr im Ersten