Lohnnebenkosten sollen sinken Sarkozy macht mit Agenda 2010 Wahlkampf
In einem großen TV-Interview aus dem Elysée-Palast erklärte Präsident Sarkozy den Franzosen, wie er die Arbeitslosigkeit senken will: mit der Methode Schröder. Die Lohnnebenkosten sollen sinken. Sarkozy berief sich dafür immer wieder auf die Agenda 2010 - und bog die Fakten in seinem Sinne.
Von Johannes Duchrow, ARD-Hörfunkstudio Paris
Sechs Fernsehsender, darunter die beiden größten, hatten sich mehr oder weniger freiwillig zusammengetan, um den Staatspräsidenten im Elysée zu interviewen. Das Thema hatte Nicholas Sarkozy selbst festgelegt: die Arbeitslosigkeit in Frankreich. "Wenn die Lohnnebenkosten bei uns teurer sind als bei unserem Nachbarn, wie wollen Sie dann die Arbeitsplätze erhalten?" skizzierte der Präsident das Problem.
Vor zwei Wochen hatte Sarkozy die Sozialpartner eingeladen, um mit ihnen verschiedene Lösungsansätze zu diskutieren. Das Interview diente dazu, den Franzosen 80 Tage vor der Präsidentschftaswahl seine Entscheidungen mitzuteilen.
Vor allem sollen die Arbeitgeber 13 Milliarden Euro weniger Sozialabgaben zahlen. "Diese 13 Milliarden finanzieren wir mit zwei Mitteln: zum einen, indem wir die Mehrwertsteuer um 1,6 Prozentpunkte erhöhen", kündigte Sarkozy an. "Und wir erhöhen die Sozialversicherungssteuer auf Kapitalmarkteinkommen. Denn die Wohlhabensten sollen sich an dieser Arbeit beteiligen." Außerdem werde Frankreich ab August als erstes Euro-Land eine Finanztransaktionssteuer einführen.
Vorbild Gerhard Schröder
Bei mehreren seiner Vorschläge beruft sich Sarkozy auf den ehemaligen deutschen Kanzler Gerhard Schröder und dessen Agenda 2010. Deutschland war Sarkozy immer wieder Vergleichsmaßstab in seinem Interview, mit deutlich niederigerer Arbeitslosigkiet vor allem bei Jugendlichen und weniger Sozialabgaben.
Mehrere von Sarkozys Vergleichen allerdings wurden von Experten schon kurz nach dem Interview widerlegt, entsprachen sie doch nicht den Zahlen, die die OECD regelmäßig ermittelt. Auch mit Geschichtlichen Fakten nahm es Sarkozy nicht so genau. "Am Tag, als in Frankreich die 35-Stundenwoche durchgesetzt wurde, haben sich in Deutschland die Gewerkschaften zusammengesetzt und gesagt: Endlich eine gute Nachricht für die Arbeitsplätze in Deutschland", behauptete der Präsident. Sarkozys Begründung: die Gewerkschaften hätten sich gefreut, weil Deutschland seitdem ranklotzte während Frankreich absacke.
Kein klares Wort zur Kandidatur
Die Nachricht, die eine Mehrheit der Franzosen von ihm erwartete, kam allerdings nicht: Ob er bei der Präsidentschaftswahl für eine weitere Amtszeit kandidiert oder nicht, will Sarkozy erst zu einem späteren Zeitpunkt sagen. Bis zum 16. März hat er dafür noch Zeit
Gewerkschaften und vor allem die Sprecher des sozialistischen Präsidentschaftskandiaten François Hollande haben das Interview unmittelbar kritisiert. Parteisprecher Benoît Hamon beispielsweise meinte: "Ich habe vor allem einen Kandidaten gesehen, der die Mittel des Präsidenten für seinen Wahlkampf nutzt. Im großen und ganzen sagt Sarkozy doch: Ich kann nichts für die Situation."