Deutsche Industrie Erster Verlust für Siemens seit 2010
Siemens hat in den vergangenen Monaten einen Milliardenverlust eingefahren. Es ist das erste Minus für den Konzern seit fast zwölf Jahren. Grund sind Probleme mit dem Windkraft-Geschäft und der Rückzug aus Russland.
Die hohen Abschreibungen auf die Beteiligung an Siemens Energy sowie weitere Belastungen im Zusammenhang mit dem Rückzug aus Russland haben dem deutschen Industriekonzern Siemens im dritten Geschäftsquartal einen Milliardenverlust eingebrockt. Das Unternehmen senkte deshalb heute seinen Ergebnisausblick.
Nach Steuern stand ein Fehlbetrag von rund 1,5 Milliarden Euro zu Buche, nach einem Gewinn von knapp 1,5 Milliarden Euro im Vorjahr, wie Siemens mitteilte. Es ist nach Angaben des Unternehmens der erste Verlust seit dem vierten Quartal 2010.
Probleme mit Siemens Gamesa
Siemens hatte auf Siemens Energy wegen der schwachen Entwicklung 2,7 Milliarden Euro abschreiben müssen. Die Aktie von Siemens Energy war zwischen Januar und Juni um 40 Prozent gefallen. Dem Energietechnologie-Hersteller - der unabhängig ist und seit Ende 2020 an der Börse - macht die Krise seiner spanischen Tochtergesellschaft Siemens Gamesa zu schaffen. Der Windkraftanlagenhersteller schreibt trotz hoher Nachfrage hohe Verluste. Auf dem Markt herrscht aktuell ein starker Preiskampf, dazu kommen Managementfehler.
Die auf Russland bezogenen Belastungen bezifferte der Siemens-Konzern zudem auf knapp 600 Millionen Euro. Damit hat der Ausstieg aus dem russischen Markt, der insbesondere die Zugsparte betrifft, Siemens nach Angaben von Finanzvorstand Ralf Thomas bislang rund 1,1 Milliarden Euro gekostet.
Schlechtere Aussichten
Siemens senkte seine Ergebnisprognose für das laufende Geschäftsjahr 2021/22 (per Ende September). Das Unternehmen erwartet ein Ergebnis je Aktie von nur noch 5,33 bis 5,73 Euro, nach 8,32 Euro im Vorjahreszeitraum. Zuvor war Siemens von 8,70 bis 9,10 Euro ausgegangen.
Dabei will Siemens durch den Verkauf von Unternehmensteilen mehr erlösen als zunächst geplant. Die erwarteten Gewinne bezifferte der Konzern auf etwa 2,2 Milliarden Euro, nach zuvor in Aussicht gestellten 1,5 Milliarden Euro. Die Umsatzprognose wurde bestätigt.
Hoher Auftragsbestand
Siemens verwies ansonsten auf eine "starke Wachstumsdynamik" vor allem im Industriegeschäft. Der Konzern erhielt im dritten Geschäftsquartal neue Aufträge im Wert von 22 Milliarden Euro. "Unser Auftragsbestand erreichte mit 99 Milliarden Euro erneut einen Rekord - und er hat eine hohe Qualität", sagte Vorstandschef Roland Busch.
"Es war kein einfaches Quartal", sagte Busch. Der Konzern hat wie nahezu die gesamte Wirtschaft mit Engpässen bei den Lieferketten sowie steigenden Arbeits- und Einkaufskosten zu kämpfen. In China belasteten die coronabedingten Lockdowns die Produktion. Seit Juni verzeichne das Unternehmen hier jedoch eine starke Erholung. Höhere Kosten will Siemens durch Preiserhöhungen und Effizienzsteigerungen auffangen.
Gas-Knappheit trifft Siemens kaum
Einem möglichen Gasengpass blickt Siemens gelassen entgegen. "Derzeit sehen wir nur geringe direkte Auswirkungen auf unsere Fabriken, weil unsere Produktion nicht energieintensiv ist", so Busch. Den Strombedarf in Europa decke Siemens zu fast 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. "Wir haben vorausschauend eingekauft und langfristig vorgesorgt", sagte der Vorstandschef.
Erdgas werde nur in einigen nachgelagerten Bereichen der Produktion genutzt. "Und falls das Gas knapp wird, haben wir vorbeugende Maßnahmen getroffen, um unsere Produktion aufrechtzuerhalten."
Sorgen wegen Kosten im Einkauf
Mehr Sorgen machen Busch die gestiegenen Kosten im Einkauf und für das Personal. Die Preise würden erhöht, die Produktivität müsse gesteigert werden, um die inflationären Effekte auszugleichen. "In den nächsten Monaten werden die Geschäfte bei den Ausgaben besonders diszipliniert sein, um die Margen zu halten", kündigte Busch an.