Vorbeugen gegen Mangellage? Anteil von LNG an Gasimporten bleibt gering
Um russische Gasimporte zu ersetzen, hat die Bundesregierung Milliarden in eine neue LNG-Infrastruktur investiert. Bislang ist der LNG-Anteil an den Einfuhren allerdings ziemlich gering.
Über die milliardenschwere LNG-Infrastruktur zum Import von verflüssigtem Erdgas führt bisher nur einen kleinen Teil der deutschen Gasimporte. Das geht aus Daten der Bundesnetzagentur hervor. Danach wurden seit der Eröffnung des ersten deutschen LNG-Terminals in Wilhelmshaven vor einem Jahr bis Anfang Dezember 2023 etwa 65,7 Terawattstunden LNG importiert. Insgesamt summierten sich Deutschlands Gasimporte in dieser Zeit auf 933,4 Terawattstunden. Der LNG-Anteil liegt danach bei sieben Prozent.
Die Bundesregierung hatte für dieses Jahr LNG-Importkapazitäten von 13,5 Milliarden Kubikmetern Gas in Aussicht gestellt. Das entspricht mehr als 130 Terawattstunden und damit dem Doppelten dessen, was bisher tatsächlich an LNG importiert wurde.
"Wichtiger Baustein für sichere Energieversorgung"
Die Ampelkoalition hatte die Einfuhr vorangetrieben, weil das verflüssigte Erdgas maßgeblich dazu beitragen sollte, Deutschlands Energieversorgung zu sichern und eine Gasmangellage zu verhindern.
"Auch wenn wir die Kapazitäten der LNG-Terminals heute noch nicht vollständig ausschöpfen müssen, sind die Terminals ein wichtiger Baustein für eine unabhängige und sichere Energieversorgung in Deutschland", sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). "Aktuell können wir günstiger Pipeline-Gas beziehen. Jedoch ist die Lage an den Energiemärkten noch immer angespannt. Daher ist es wichtig, dass wir die LNG-Terminals haben."
Die drohende Gasmangellage im vergangenen Winter habe man noch vor Augen, sagte Andreae weiter. Die Regierung habe daher gut gehandelt, solche Situationen vorsorglicher zu vermeiden.
Mangellage derzeit unwahrscheinlich
Aktuell halten die Gasspeicherbetreiber eine Gasmangellage in Deutschland im Winter für immer unwahrscheinlicher. Dies ist das Ergebnis von verschiedenen Szenarien, die die Initiative Energien Speichern (INES) vorstellte. Gasmangellagen könnten zwar nicht vollständig ausgeschlossen werden, ihr Auftreten sei aber als weniger wahrscheinlich einzustufen. Hierzu hätten auch die relativ milden Temperaturen im November beigetragen, heißt es.
Vor einem Jahr war die Sorge in Deutschland noch groß, dass es nach dem Lieferstopp Russlands Engpässe geben könnte. Im Fall einer Gasmangelage hätte etwa die energieintensive Industrie mit Abschaltungen rechnen müssen.
Anfang Dezember waren die Gasspeicher den Betreibern zufolge zu 96 Prozent gefüllt, ein überdurchschnittlicher Wert. INES-Geschäftsführer Sebastian Heinermann sagte: "Trotz der zuletzt kalten Temperaturen und damit stark angestiegenen Gasverbräuche, werden wir aller Voraussicht nach gut durch diesen Winter kommen."
Wilhelmshaven ist das bedeutendste Terminal
Die Bundesregierung hat rund zehn Milliarden Euro für die Bereitstellung der LNG-Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Das LNG-Terminal im niedersächsischen Wilhelmshaven war am 21. Dezember 2022 das erste in Deutschland, das Gas ins Netz eingespeist hat. Mit einer Einspeisung von 42,6 Terawattstunden ist es bisher auch das bedeutendste deutsche LNG-Terminal, wie aus Daten von Europas Gasinfrastruktur-Betreibern (GIE) hervorgeht, auf die auch das Bundeswirtschaftsministerium verweist.
Brunsbüttel in Schleswig-Holstein trug demnach seit Ende März 12,8 Terawattstunden bei. Hinzu kommt seit Ende April ein privates Terminal in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) mit 6,7 Terawattstunden.
Proteste gegen Rügen
Ein viertes LNG-Terminal wird am Samstag in Stade an das Land Niedersachsen und den Betreiber übergeben. Zwei weitere schwimmende Terminals sollen 2024 in Wilhelmshaven und auf Rügen folgen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat jüngst formal Einwendung gegen das geplante LNG-Terminal auf Rügen eingelegt und die Bundesregierung aufgefordert, das Projekt zu stoppen.
Perspektivisch sind auch stationäre Anleger geplant, auch, um in Zukunft möglichst klimaschonend erzeugten Wasserstoff importieren zu können. Kritiker befürchten jedoch, dass mit der LNG-Infrastruktur größere Kapazitäten für fossile Energie geschaffen werden als nötig wäre, um die früheren Gasimporte aus Russland zu ersetzen. Neue fossile Infrastrukturprojekte würden die dringend notwendige Energiewende blockieren, argumentiert etwa die DUH.
USA ist wichtigster LNG-Lieferant
Das meiste Gas importierte Deutschland in diesem Jahr mit rund 390 Terawattstunden (TWh) aus Norwegen, gefolgt von den Niederlanden (knapp 232 TWh) und Belgien (knapp 197 TWh). Aus Russland floss wegen des Ukraine-Kriegs kein Gas mehr direkt nach Deutschland.
Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Global Witness ist die Menge an LNG, das aus Russland von EU-Staaten importiert wird, in den ersten sieben Monaten des Jahres um 40 Prozent gegenüber demselben Zeitraum im Jahr 2021, also vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine, angestiegen.
Das meiste LNG kommt aus den USA
Den weitaus größten Teil des LNG mit 84 Prozent bezog Deutschland nach Angaben des Branchenverbands BDEW aus den USA. Dort wird das Gas häufig mit der umstrittenen Fracking-Methode gewonnen, die als klima- und umweltschädlich gilt. Auch der Transport per Schiff und das vorherige Herunterkühlen um das LNG transportfähig zu machen sind sehr energieintensiv. Nach Angaben von Statista sind die USA nach Australien und Katar das weltweit drittgrößte Exportland von LNG.
Die Herkunft der einzelnen Tanker und die Zusammensetzung des transportierten LNG sind laut BDEW aber nicht immer eindeutig bestimmbar.