Die EU und der Tsipras-Rücktritt "Wir sind nicht überrascht"
Der Tsipras-Rücktritt - schon wieder ein Grund, Reformen in Griechenland zu verzögern? Die EU-Kommission gibt sich gelassen. Nein, überrascht sei man nicht. Klar sei, dass Griechenland die vereinbarten Reformen einhalten müsse.
Mit einem Lächeln begrüßt die Sprecherin der EU-Kommission die versammelten Journalisten. Und sie will vor allem eine Botschaft vermitteln: Wir sind nicht überrascht, was da in Athen passiert. Kommissionspräsident Juncker habe häufiger mit Premier Tsipras und auch dem griechischen Präsidenten telefoniert - und deshalb habe man die Neuwahlen erwartet. Außerdem gelte: Die Verträge sind gemacht und Griechenland muss sich an seine Reformzusagen halten. Punkt.
"Deutliche Verlangsamung" bei den Reformen?
Wesentlich mehr in die Karten schauen lässt sich da schon der Chefkoordinator der Euro-Finanzminister, Thomas Wieser. Im Österreichischen Rundfunk macht er klar, dass die Neuwahlen Konsequenzen für den Prozess haben werden - wenn auch eher kurzfristig: "Ich denke, dass es für die nächsten vier, fünf, sechs Wochen zu einer sehr, sehr deutlichen Verlangsamung der Reformumsetzungsschritte in Griechenland kommen wird. Die Regierung muss ihr Amt niederlegen, es gibt eine Interimsregierung, die natürlich nicht die politische Legitimation hat, jetzt wesentliche neue Schritte zu setzen."
Ganz so nachsichtig will man im Europaparlament nicht sein. Dessen Chef des Auswärtigen Ausschusses, der deutsche CDU-Abgeordnete Elmar Brok, betont im ZDF, wie er die Sache sieht: Selbst in den nächsten Wochen könne sich die Übergangsregierung in Athen doch nicht dahinter verstecken, dass sie nur eine Übergangsregierung ist. "Die Regierung ist ja im Amt, wie jede Regierung im Amt ist. Das heißt, es sind eine Vielzahl der gesetzgeberischen Beschlüssen gefasst worden, die muss eine Administration durchführen. Und ich finde gut, dass die Wahlen jetzt stattfinden, relativ schnell, weil wir dann sehen, bevor die Überprüfung im Oktober kommt, wie es weitergeht, dass wir dann Klarheit haben und zwar für einen längeren Zeitraum."
Hoffen auf entspannteres Arbeiten
Genauso rechnen viele in Brüssel: Sie alle gehen davon aus, dass Alexis Tsipras diese Neuwahlen gewinnt - eben ohne den bisherigen linken Flügel von Syriza, der immer wieder quer schoss. Und wenn er dann noch mit einer weiteren pro-europäischen Partei in eine Koalition muss, dann könnte das doch für längere Zeit ein entspanntes Arbeiten bringen, hofft man hier. Oder wie es ein führender Beamter aus dem Umfeld von Kommissionschef Juncker formuliert: Diese Neuwahlen können zu mehr Unterstützung für das Reformpaket führen.
Doch es gibt auch mahnende Stimmen - einer der Vizepräsidenten des Europaparlaments, FDP-Mann Alexander Graf Lambsdorff, warnt etwa im Deutschlandfunk: Dadurch dass Tsipras sich mit den Reformen weit in die Mitte des politischen Spektrums bewegt hat, könnte der Schuss auch nach hinten losgehen. "Die griechischen Wähler sehen eine große Ähnlichkeit in der Mitte des politischen Spektrums, dort, wo jetzt Syriza hingerückt ist. Das kann dazu führen, dass die Extreme gestärkt werden und dann haben wir keinen pflegeleichteren Ministerpräsidenten Tsipras so er denn dann wiedergewählt wird -, sondern einen, der von rechts und von links stark unter Druck steht."
"Griechenland muss sich an Vereinbarungen halten"
Wie auch immer es ausgeht. Eurogruppenchef Dijsselbloem mahnt per Kurznachrichtendienst Twitter: "Griechenland muss sich an die Reform-Vereinbarungen halten, so oder so." Denn Konsens ist in Brüssel: Kommt Athen den gemachten Versprechungen nicht nach, dann wird wohl der europäische Geldhahn wieder zugedreht. Im Oktober wollen sich die europäischen Finanzminister das nächste Mal zusammensetzen, um offiziell zu überprüfen, ob Griechenland noch auf dem Reformweg ist oder nicht.