Großproteste in Berlin Massenhaft gegen TTIP
In Berlin haben mehrere Zehntausend Menschen gegen die geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada demonstriert. Die Veranstalter sprachen von 250.000 Teilnehmern, die Polizei von 150.000. Es war die bislang größte Protestveranstaltung gegen TTIP und Ceta.
Am Ende waren es deutlich mehr Menschen, als von den Veranstaltern erwartet. Mit 50.000 Teilnehmer hatten die Organisatoren der Demonstration gegen die geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada gerechnet. Angemeldet hatten sie vorsorglich 100.000. Mindestens 150.000 seien es geworden, meldete die Polizei, die die Veranstaltung mit etwa 1000 Beamten begleitete.
Nach Angaben der Veranstalter waren es sogar 250.000 Menschen, die in Berlin protestierten. "TTIP und Ceta stoppen - Für einen gerechten Welthandel!" - unter diesem Motto stand die Großdemonstration, zu der ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen sowie Globalisierungskritikern aufgerufen hatten. Auch Grüne und Linkspartei unterstützen den Protest.
Die Kritiker der Abkommen befürchten unter anderem sinkende Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards sowie eine Schwächung demokratischer Institutionen.
"Wir sind hier, weil wir die Zukunft nicht den Märkten überlassen, sondern die Demokratie retten wollen", sagte Auftaktredner Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands. Der Demonstrationszug startete am Vormittag vor dem Berliner Hauptbahnhof und zog durch das Regierungsviertel zur Siegessäule im Tiergarten.
Buhrufe für Gesine Schwan
Auf der Abschlusskundgebung sprachen unter anderem der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, und die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan. Diese erntete Buhrufe, als sie erklärte, trotz aller Kritik an dem Abkommen nicht für einen Abbruch der TTIP-Verhandlungen zu sein.
Der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh forderte in seiner Rede eine Handelspolitik, "die Armut überwindet und den Menschen dient". Internationale Verträge müssten transparent verhandelt werden und den Schutz von Demokratie sowie Rechtsstaat gewährleisten. Sie dürften sich nicht an Konzerninteressen ausrichten. Die arme Bevölkerungsmehrheit in Lateinamerika, Afrika und Asien könne bei TTIP noch nicht einmal ihre Interessen formulieren und mitreden. Er erinnerte die EU an ihre Selbstverpflichtung, alle Verträge daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung diene.
Gabriel: Keine Absenkung der Standards
Zuspruch für TTIP gibt es aus der Bundesregierung und der Wirtschaft: In einem heute in mehreren Zeitungsanzeigen veröffentlichten offenen Brief warb der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel für das Freihandelsabkommen. Er versprach, dass es keine Absenkung der erreichten Standards geben werde.
Es gehe darum, die Regeln der Globalisierung selbst mitzugestalten, heißt es in dem Schreiben. "Scheitern wir, dann werden wir anderen folgen müssen", erklärte Gabriel. Zwar lobte Gabriel den Einsatz von Verbänden und Aktivisten für transparentere Verhandlungen. Nun müsse Europa aber "selbstbewusst und mutig seine Ideen von Freiheit im Handel und Verantwortung für die Menschen voranbringen".
BDI: "Wer nur blockiert, verliert."
Auch Vertreter der Wirtschaft warben um Zustimmung zu den Abkommen: "Wir Europäer müssen die Globalisierung gestalten wollen", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, in Berlin. "Wer nur blockiert, verliert." Ein faires und umfassendes Abkommen fördere Wachstum und Wohlstand in Europa. "Wir sollten aktiv die Regeln für den Welthandel von morgen mitbestimmen."
Der Präsident der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer, warnte ebenfalls vor einem Scheitern des Freihandelsabkommens TTIP. Er appellierte an die Gewerkschaften, "zu Sachlichkeit, Differenziertheit und Weitblick zurückzufinden". Der geforderte Verhandlungsstopp sei "mit Sicherheit der falsche Weg", sagte Kramer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Ein Scheitern von TTIP wäre nicht nur an unsere amerikanischen Partner, sondern an alle unsere Partner in der Weltwirtschaft ein fatales Signal."