Versicherungen müssen Unisex-Tarife anbieten Der kleine Unterschied spielt keine Rolle mehr
In der EU dürfen keine Versicherungen mehr verkauft werden, bei denen Männer und Frauen wegen ihres Geschlechts unterschiedliche Preise zahlen müssen. Unisex-Tarife sind dann Pflicht. Hintergrund ist ein EuGH-Urteil. Es gibt zwar noch kein Gesetz dafür in Deutschland - das macht aber nichts.
Von Birgit Schmeitzner, BR-Hörfunkstudio Brüssel
Die Umstellung der Tarife geht auf einen Richterspruch zurück. Im März 2011 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden: Versicherungen dürfen bei der Berechnung der Beiträge und der Risikofaktoren künftig nicht mehr zwischen Männern und Frauen unterscheiden - zumindest bei den Neuverträgen. EuGH-Präsident Vassilios Skouris stellte klar: Am 21. Dezember 2012 erlischt die Ausnahmegenehmigung. Denn, so urteilten die höchsten europäischen Richter: Gleichberechtigung geht vor.
Eine moderne Versicherung unterscheidet nicht zwischen Männern und Frauen sondern behandelt alle Kunden gleich, meint auch die EU-Kommissarin für Justiz, Viviane Reding. Auch wenn das die Höhe der Beiträge verschieben wird. "Frauen werden etwas mehr zahlen bei der Autohaftpflichtversicherung und etwas weniger zahlen bei Lebensversicherung und den Gesundheitsversicherungen."
Beim Auto müssen Frauen also künftig das Risiko der Männer mittragen - die statistisch gesehen mehr Unfälle bauen und deshalb bisher höhere Prämien gezahlt haben. Im Gegenzug werden die Männer bei der Vorsorge für das Alter, für Krankheit oder Pflegebedürftigkeit den Frauen gleichgestellt - die bisher Risikoaufschläge zahlen mussten, weil sie länger leben und weil bei ihnen in einer Schwangerschaft zum Beispiel teure Operationen wie ein Kaiserschnitt anfallen können. All diese Unterschiede sind jetzt also verboten, die Versicherer müssen Unisex-Tarife anbieten.
Teure Gleichmacherei?
Verbraucherschützer befürchten nun, dass sich das insgesamt nicht ausgleicht, sondern letztlich alle Versicherten mehr Beiträge zahlen. Eine Sorge, die Kommissarin Reding versteht. Sie geht aber davon aus, dass sich die Höhe der Prämien mit der Zeit wieder einpendelt. Und sie erwartet, dass die Branche Beitragssenkungen an die Bürger weitergibt, die sich aus den neuen Unisex-Tarifen ergeben. Reding glaubt nicht, dass generell alles teurer wird. Und wenn doch? "Die nationalen Stellen werden das kontrollieren. Konsumentenschützer und industrielle Kontrollorganisationen werden sich ansehen, was passiert. Und Europa wird die Sache sehr genau verfolgen."
Fühlt sich also ein deutscher Verbraucher benachteiligt, kann er Verbraucherschutz-Organisationen oder das Kartellamt einschalten.
Übrigens: In Deutschland gibt es zwar Probleme bei der Umsetzung in geltendes Recht. In der vergangenen Woche hatte der Bundesrat dies zunächst gestoppt. Europarecht steht in diesem Fall aber über nationalem Recht. Und so müssen die Versicherungen den Stichtag 21. Dezember trotzdem einhalten und dürfen ab sofort nur Neuverträge mit Einheitstarifen für Männer und Frauen anbieten.