Milchersatz im Trend Vegane Drinks mischen Milchbranche auf
Immer mehr Menschen verzichten auf klassische Kuhmilch und trinken pflanzliche Ersatzprodukte aus Soja oder Hafer. Von dem Boom profitieren Hersteller wie Oatly, der nun sogar an die Börse will.
Neben konventionell erzeugter Milch haben vor allem Bio- oder Weide-Milch einen festen Platz in den Kühlregalen von Supermärkten und Bioläden erobert. Aber auch wer ganz auf Kuhmilch verzichten will, kann auf immer mehr pflanzliche Alternativen zurückgreifen. Sie sehen zwar aus wie normale Milch, bestehen aber aus Wasser und Hülsenfrüchten, Getreide oder Nüssen. Auch so beworben werden dürfen sie laut EU-Verordnung nicht, da der Begriff Milch ausschließlich für Produkte tierischen Ursprungs steht. Selbst Verweise darauf könnten bald verboten werden.
Aber egal ob Soja-, Hafer-, Mandel-, Kokosnuss-, Cashew-, Erbsen- oder Pistazien-Drinks: Lange galten sie als Nischenartikel für Menschen mit Allergien oder Unverträglichkeiten wie einer Laktose-Intoleranz. Mittlerweile sind sie jedoch auch bei vielen anderen Verbrauchern beliebt - gerade bei Veganern. Jeder zehnte Liter Milch stammt inzwischen aus Ersatzprodukten.
Klassische Kuhmilch weniger beliebt
Rund eine Million Menschen und damit mehr als 1,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland seien Veganer, sagte Markus Keller, Geschäftsführer des Forschungsinstituts für pflanzenbasierte Ernährung, kürzlich im Deutschlandfunk. Zudem gebe es sehr viele sogenannte Flexitarier oder Flexiganer, die nicht komplett ohne tierische Lebensmittel leben, sondern lediglich ihren Konsum deutlich reduzieren wollen.
Auch aus diesem Grund trinken immer weniger Verbraucher klassische Kuhmilch. Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) lag der Pro-Kopf-Verbrauch im vergangenen Jahr bei knapp 50 Kilogramm pro Kopf. Zum Vergleich: 2014 betrug er laut Milchindustrie-Verband (MIV) noch 56,3 Kilogramm.
Der Markt für Ersatzprodukte wächst dagegen stetig und ist sogar größer als der für veganes Fleisch. Milchartikel, die auf Soja, Hafer oder Mandeln basieren, haben hierzulande einen Anteil von zehn Prozent. Bei Bio-Produkten ist bereits fast jedes dritte verkaufte pflanzlichen Ursprungs.
Oatly geht an die Börse
Einer Studie der ING Bank zufolge werden die Einnahmen in der Europäischen Union und Großbritannien von derzeit 3,4 auf fünf Milliarden Euro im Jahr 2025 steigen. Auch die Unternehmensberater der Boston Consulting Group rechnen für 2035 mit einem fünfmal so hohen weltweiten Absatz wie heute.
Als Marktführer bei den populären Alternativen von Milch wird oft Oatly genannt. Der schwedische Konzern, der seit März exklusiv mehr als 15.000 Starbucks-Filialen in den USA mit Hafergetränken beliefert, strebt nun in New York an die Börse und wäre dort nach Beyond Meat der zweite Vegan-Produzent. In dieser Woche reichte die Firma bei der US-Börsenaufsicht SEC den Antrag für einen Börsengang ein. Medienberichten zufolge könnte Oatly eine Bewertung von zehn Milliarden Dollar erreichen, was sonst meist nur Tech-Konzerne schaffen.
Zwar erzielen die Schweden nach eigenen Angaben noch keine Gewinne und erwirtschafteten 2020 einen Verlust von 60 Millionen Dollar. Den Umsatz konnte das Unternehmen allerdings zuletzt auf 421 Millionen Dollar mehr als verdoppeln. Inzwischen füllen die Produkte die Regale in mehr als 20 Ländern. Auch in Deutschland ist Oatly die meist verkaufte Hafermilch, die umgangssprachlich weiter so bezeichnet wird.
Jedes fünfte Danone-Produkt soll vegan sein
Doch es gibt große Konkurrenz. Durch Übernahmen ist der französische Joghurtkonzern Danone, Hersteller bekannter Marken wie Activia, Dany Sahne oder Actimel, zum weltgrößten Anbieter pflanzlicher Milcherzeugnisse aufgestiegen. Vor rund vier Jahren kaufte das französische Unternehmen den Vegan-Pionier WhiteWave Food und holte sich damit die Marken Alpro und Provamel ins Haus, die in Deutschland insgesamt den Markt für Milchalternativen anführen.
Danone ist mit seiner Marke Alpro der Marktführer für Milchalternativen.
Denn der Milchriese hat ehrgeizige Ziele: "Jedes fünfte Danone-Produkt in Deutschland wird bis 2025 pflanzlich sein", sagte Deutschlandchef Richard Trechman jüngst dem "Handelsblatt". Derzeit werde das Werk in Ochsenfurt bei Würzburg umgebaut, um auch dort vegane Artikel produzieren zu können.
Zahlreiche Firmen schließen auf
Daneben sind weitere Milchverarbeiter in das Geschäft eingestiegen. So lockt Ehrmann mit Pudding aus Kichererbsen, Müller Milch bietet pflanzenbasierte Drinks an und selbst Dr. Oetker testet veganen Pudding. Auch der Haferflockenhersteller Kölln hat Haferdrinks im Programm. Lebensmittelketten wie Aldi, Lidl oder REWE haben längst eigene vegane Getränke in den Regalen.
Die Molkereigenossenschaften Deutsche Milchkontor und Arla wollen ebenfalls nachziehen - trotz Kritik der Bauern und damit verbundenen Sorgen vor einer weiter sinkenden Nachfrage der klassischen Kuhmilch. Vor zwei Jahren gründete die Molkerei Schwarzwaldmilch mit der Black Forest Nature GmbH ein gemeinsames Startup. 2020 kam schließlich ihr Bio-Haferdrink Velike auf den Markt.
Apropos Startups: Zahlreiche junge Firmen haben die Chance erkannt und stellen pflanzliche Produkte her. Beim Berliner Startup Vly sind zuletzt überraschend die bekannten Samwer-Brüder von Rocket Internet als Investor eingestiegen.
Gesund und nachhaltig?
Milchersatzprodukte gelten als gesund und nachhaltig. Doch ist das wirklich so? Der Haferdrinkhersteller Oatly verweist zumindest auf die Nachhaltigkeit seines Produktes. Ein Liter des Hafergetränks verursache im Vergleich zur Kuhmilch 80 Prozent weniger Treibhausgasemissionen, eine 79 Prozent geringere Landnutzung und einen um 60 Prozent niedrigeren Energieverbrauch.
Das bestätigt auch eine Studie der Universität Oxford aus dem Jahr 2018. Forscher werteten die Daten von knapp 40.000 Bauernhöfen in aller Welt aus. Im Vergleich mit Soja-, Hafer-, Reis- und Mandeldrinks rutschte die Kuhmilch sowohl beim CO2-Ausstoß als auch beim Wasser- und Flächenverbrauch auf den letzten Platz.
Ein Liter entspreche einem Treibhauseffekt von rund drei Kilo Kohlendioxid, ein Liter Soja- oder Mandelmilch dagegen nur ein Drittel beziehungsweise ein Viertel so viel. Auch beim Tierschutz schneiden die Pflanzengetränke natürlicherweise gut ab. Ganz makellos fällt aber auch deren Bilanz nicht aus. Etwa bei Mandelmilch verweisen Experten auf den hohen Wasserbedarf.
Ob pflanzenbasierte Artikel gesünder sind als tierische Milch, ist umstritten. Einige halten normale Milchprodukte für ein Grundnahrungsmittel und unersetzlich, weil sie notwendige Proteine, Kalzium und B-Vitamine beinhalten. Andererseits sind die kalorienärmeren Alternativen oft damit angereichert und haben einen niedrigeren Fettgehalt. Zudem sind darin oft kein Cholesterin, Wachstumshormone oder Pestizide zu finden. Die Inhaltsstoffe können allerdings je nach Hersteller variieren.