Verbleibende Kaufhäuser Was geschieht jetzt mit den Galeria-Filialen?
Die neuen Eigner des Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof wollen 76 Filialen weiterbetreiben. Doch wie können sie langfristig überleben? Experten sagen: Es muss viel Geld fließen.
Bleibt es bei den geplanten Schließungen, wird der Kaufhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof ab September noch über 76 Standorte verfügen. Und stimmen die Gläubiger Ende Mai seinem gestern vorgelegten Insolvenzplan zu, will Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus das Unternehmen bis Ende Juli an die neuen Eigner NRDC und BB Kapital SA übergeben.
Auch wenn diese Schritte bewältigt sind, bleibt die beherrschende Frage: Was muss geschehen, damit die verbleibenden Standorte langfristig überlebensfähig sind - und damit die rund 11.400 Arbeitsplätze langfristig gesichert werden?
Spätestens seit der krisengeschüttelte Warenhauskonzern im Januar das dritte Insolvenzverfahren innerhalb von dreieinhalb Jahren beantragte, gehen die Meinungen darüber weit auseinander. Besonders die Unternehmenslenker und natürlich auch die neuen Eigentümer zeigen sich optimistisch.
"Die wirtschaftlichen Perspektiven von Galeria sind gut. Ich habe da keine Zweifel", erklärte etwa Denkhaus am Montag. Das Risiko einer erneuten Insolvenz in naher Zukunft sei gering und bewege sich "im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Risikos".
Konzept der Investoren steht noch aus
Wie die neuen Eigner die verbleibenden Häuser konkret wieder nach vorn bringen wollen, müssen sie voraussichtlich bis Ende Mai noch erklären. Handelsexperten sehen vor allem einen hohen Investitionsbedarf.
"Wir erwarten, dass die neuen Eigentümer in das Unternehmen investieren und gemeinsam mit den Beschäftigten ein tragfähiges Zukunftskonzept entwickeln", erklärt Marcel Schäuble, ver.di-Verhandlungsführer bei Galeria. "Zum Beispiel sind die aus dem letzten Insolvenzplan von René Benko zugesicherten 200 Millionen durch die Insolvenz der Signa ausgeblieben. Sie sind für die Neuausrichtung von Galeria zusammen mit Investitionen in Kassensysteme und IT eingeplant gewesen und bleiben das auch für eine abgesicherte Zukunft."
Skeptischere Töne sind vor allem von Experten der Handelswirtschaft zu hören. Seit Jahren vertritt etwa Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein den Standpunkt, dass das klassische Warenhauskonzept keine wirtschaftliche Zukunft mehr habe. "Der Kunde findet anscheinend das Warenhaus nicht mehr attraktiv", so der Fachmann. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre scheinen ihm Recht zu geben.
Know-how der Belegschaft
Auch Carsten Kortum von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn betont, dass das Geschäftsmodell von Galeria deutlich innovativer und digitaler ausgerichtet werden müsse, um eine Zukunft zu haben. Aber was ist konkret zu tun? "Stationärer Handel und Online-Handel bei Galeria dürfen nicht weiter parallel betrieben werden", so der Handelsexperte. Kundinnen und Kunden müssten beide Kanäle als eins sehen.
Was die verbliebenen Standorte betreffe, hätten einzelne "Leuchtturmfilialen" vor der Insolvenz gezeigt, wie Frequenz und Umsätze gesteigert werden können, erklärt Kortum. Hier hätten sich eine regionale Ausrichtung und "attraktive Sortimente als Kernleistung des Handels" bewährt.
Ver.di-Verhandlungsführer Schäuble verweist dabei auf das Know-how der Belegschaft: "Bei der Ausrichtung der Sortimente müssen die Beschäftigten einbezogen werden. Sie haben in der Vergangenheit viele Hinweise gegeben, die unbeachtet blieben."
Sortimente wie zum Beispiel Stoffe seien in vielen Filialen trotz großer Nachfrage stark verkleinert oder ganz aus dem Programm genommen worden. Auch Hinweise der Beschäftigten auf kommende Trends seien oft ungehört geblieben. "Hier wird Umsatz liegen gelassen", so Schäuble. "Solche Fehlentscheidungen müssen künftig vermieden werden."
Knackpunkt Investitionen
Bisher seien nur zehn der verbleibenden Standorte auf modernisierte Konzepte umgestellt worden, sagt Wirtschaftsprofessor Kortum. Bei den übrigen Häusern gebe es dagegen einen Investitionsstau: "Die Wende kann nur geschafft werden mit Investitionen in die 66 noch nicht auf aktuelle Konzepte umgebauten Filialen und ein langfristig ausgerichtetes Engagement, sicherlich aber nicht mit kurzfristigem Renditedenken."
Damit spielt der Experte auf die Praxis der bisherigen Investoren an, Filialen teilweise zu überhöhten Konditionen an Eigentümer zu vermieten, die zum Mutterkonzern gehörten. Damit seien dem Geschäftsmodell Finanzmittel entzogen worden, so Kortum. Hohe Mieten hatten bei der Entscheidung, welche Filialen weiterbestehen dürfen, eine große Rolle gespielt.
Die für den Umbau benötigten Mittel beziffert der Handelsexperte auf "einen hohen dreistelligen Millionenbetrag bis hin zur Milliardenhöhe". Da sich Fremdkapitalgeber nach der dritten Insolvenz zurückhalten werden, müssten die neuen Eigentümer entsprechende Eigenmittel mitbringen.
Mehr Auswahl - und mehr Service?
Doch nach den bisherigen Erfahrungen bleiben die meisten Beobachter hier skeptisch. "Nach einem Befreiungsschlag sieht es nicht aus, eher nach einer Fortführung bisheriger Konzepte", meint Kortum. "Die Kunden werden kurz- und mittelfristig wenig Veränderungen in den Handelsleistungen sehen und damit auch nicht mehr Auswahl, Service oder Erlebnis."
Wenn die neuen Eigner in den kommenden Wochen ihr Zukunftskonzept präsentieren, werden Beobachter also vor allem auf einen Punkt achten: Wie viel Geld sie konkret für die Modernisierung der Standorte in die Hand nehmen wollen.