ITA statt Alitalia Italiens neue Airline geht an den Start
Nach einem Vierteljahrhundert wickelt Italien seine Fluggesellschaft Alitalia ab. Die neue staatliche Airline ITA soll die Dauerverluste beenden - mit kleinerer Flotte, weniger Personal und niedrigeren Löhnen.
Alles neu? Nicht wirklich. Vieles bei Italiens neuer Airline ITA wirkt, als hätte kurz vor dem Start jemand schnell mal rübergepinselt. Die Flugzeuge der ITA? Alles bisherige Alitalia-Maschinen. Die Beschäftigten? Überwiegend von der Alitalia übernommen. Die Uniformen der Flugbegleiter? Stammen von Alitalia. Sogar die Flugnummern der ITA sind mit dem Kürzel AZ die der Alitalia.
Trotzdem beginnt jetzt offiziell ein anderes Kapitel. Nach Jahren des finanziellen Siechtums wird Alitalia als Konkursfall abgewickelt, stellt 75 Jahre nach Gründung den Flugbetrieb ein. In mehr als einem Viertel dieser Zeit - durchgehend seit 2002 - hat Alitalia Jahr für Jahr Verluste eingeflogen. Allein in den drei Vor-Corona-Jahren von 2017 bis 2019 verbrannte Alitalia 1,3 Milliarden Euro Steuergelder. Jede italienische Regierung machte finanzielle Klimmzüge, um die Airline zu erhalten.
"Teuer, aber ein Familienmitglied"
Der neue Regierungschef Mario Draghi hat damit jetzt Schluss gemacht, wenn auch wehmütig. "Einer in meinem Alter, ist derart häufig, fast immer mit der Alitalia geflogen, dass ich sie als eine Art Familienmitglied angesehen habe", erinnerte sich der 74-Jährige vor einigen Monaten an die Airline. "Ein bisschen teuer, aber ein Familienmitglied."
Parallel zum Ende der Alitalia hat Rom eine neue Fluglinie zu gründen. Die ITA ist zunächst zu 100 Prozent in der Hand des italienischen Finanzministeriums. Da es sich formell um ein neues Unternehmen handelt, startet Italiens neuer Staatsflieger schuldenfrei. Und bekommt von der Regierung als Anschubfinanzierung 1,35 Milliarden Euro.
Alitalia-Maschinen am Flughafen Rom-Fiumicino: Jahrzehntelang war die Gesellschaft ein nationales Symbol. Doch zuletzt flog sie nur noch Verluste ein.
Die Konkurrenz, namentlich Ryanair-Chef O’Leary, schäumt. Aber Brüssel hat grünes Licht gegeben für den Start der ITA. Arianna Podesta, Sprecherin von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, verteidigt die Entscheidung der Kommission. "Ich bin überhaupt nicht damit einverstanden, dass die getroffene Entscheidung nicht in Einklang stehen soll mit den Wettbewerbsregeln", sagt Vestager. "Die italienische Seite hat der Kommission einen Plan vorgelegt, der verschiedene Elemente zusammengefügt, die der Kommission erlaubt haben, eine wirtschaftliche Diskontinuität festzustellen."
Nur ein Viertel der Belegschaft ist dabei
Was bedeutet: Brüssel segnet ab, dass es sich beim Übergang von Alitalia zu ITA nicht um ein Hütchenspiel, sondern um den Start eines neuen Unternehmens handelt. Die Milliarden-Anschubfinanzierung, heißt es, sei "marktkonform". Bedingung der EU-Kommission war unter anderem, dass ITA den Markennamen Alitalia nicht automatisch übernehmen darf.
Auch das Treueprogramm Millemiglia - und damit die Kundenliste der Alitalia - darf ITA nicht haben. Das Handling musste gleichfalls größtenteils abgegeben werden. Indes konnte sich die neue Gesellschaft am Donnerstag die Marke Alitalia und die Internetseite Alitalia.com zu einem Preis von 90 Millionen Euro sichern. Zuvor waren hierfür 290 Millionen Euro verlangt worden, doch das wollte niemand bezahlen.
Vor allem aber ist die ITA, zumindest zum Start, eine radikal kleinere Fluggesellschaft als die Alitalia. Statt der bisher etwa 10.500 Beschäftigten plant die neue Airline zunächst nur mit rund einem Viertel, mit 2800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dagegen haben die Gewerkschaften in den vergangenen Wochen mehrfach protestiert. "Es wird Plan des Neubeginns genannt", sagt Antonio Amoroso, Chef der Basisgewerkschaft CUB Trasporti. "Aber in Wahrheit ist es ein schwerwiegender Plan des Stellenabbaus."
Neuer Chef ist Turnaround-Spezialist
Die ITA-Crew soll zudem deutlich weniger verdienen die bisherigen Alitalia-Beschäftigten. Pilotinnen und Piloten bekommen nur noch ungefähr 50 Prozent ihres jetzigen Gehalts, Flugbegleiterinnen und -begleiter rund 65 Prozent.
Auch die Flotte der ITA ist deutlich kleiner als die der Alitalia. Statt mit 120 Maschinen geht die neue Airline mit 52 an den Start, will aber in absehbarer Zukunft zulegen. Bei Airbus ist schon eine Bestellung von 28 Fliegern angekündigt. Bis 2025 will die ITA ihre Flotte auf insgesamt 105 Flugzeuge aufstocken. Es sollen überwiegend Maschinen der neusten Generationen sein, die weniger Kerosin verbrauchen und leiser sind - und ausschließlich vom europäischen Hersteller Airbus stammen, um Kosten für Schulung und Unterhaltung zu senken.
Die reine Airbus-Flotte ist ein Mosaikstein im Konzept des ITA-Vorstandschefs Alfredo Altavilla. Der 58 Jahre alte Manager hat Erfahrung in der Wiederbelebung totgesagter Unternehmen. Altavilla war an der Seite von Sergio Marchionne, als dieser von einigen Jahren den Turnaround beim italienischen Autobauer Fiat schaffte.