Krise der Schweinehalter Letzter Ausweg Ausstiegsprämie?
Niedrige Schweinepreise und Forderungen nach mehr Tier- und Umweltschutz: Schweinehalter stehen unter massivem Druck. Nun schlagen Branchenvertreter sogar eine Ausstiegsprämie vor.
Mit jedem verkauften Schwein machten die Landwirte derzeit Verlust, klagt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied. Die katastrophale Marktlage sei für viele Betriebe existenzbedrohend. Auch der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), Torsten Staack, stellt fest: "Wir haben hier eine tiefgreifende strukturelle Krise, die nun schon seit anderthalb Jahren andauert."
Die Stimmung unter den Landwirtinnen und Landwirten, die Ferkel aufziehen oder Schweine mästen, ist miserabel. Kurzfristig fordert die Interessengemeinschaft der Schweinehalter deshalb Überbrückungshilfen vom Staat. Darüber möchte die Branche unter anderem heute bei einem Krisentreffen mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julian Klöckner sprechen.
Schweinepreise sinken, Tierschutzforderungen steigen
Während die Schweinepreise in den Keller rauschen, steigen Erwartungen an Tier- und Klimaschutz. Landwirtinnen und Landwirte sollen ihre Ställe umbauen, um ihren Tieren mehr Platz und Auslauf zu ermöglichen. Zudem sollen sie umweltschonender wirtschaften. All das kostet und setzt die Betriebe unter Druck. Viele fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
Seit Jahren wird dort zwar über eine nachhaltigere Tierhaltung diskutiert, aber noch steht nicht fest, ob die Bauern beim Umbau ihrer Ställe stärker unterstützt werden sollen und wenn ja, wie genau. "Bis heute fehlt ein tragfähiges Finanzierungskonzept", heißt es aus dem Deutschen Bauernverband. Doch darüber wird voraussichtlich erst nach der Bundestagswahl entschieden.
Ausstiegsprämie als möglicher Ausweg
Vielen Schweinehalterinnen und -haltern erscheint die Perspektive derzeit so aussichtslos, dass inzwischen sogar öffentlich über eine Ausstiegsprämie diskutiert wird, also über Geld vom Staat, das den Abschied von der Tierhaltung erleichtern soll. Bisher wurde darüber eher hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Nun kommt der Vorschlag offiziell von der eigenen Interessenvertretung.
"Wir schlagen eine sogenannte Zukunftsprämie vor", erklärt Torsten Staack von der ISN gegenüber dem NDR. Diese soll sowohl Geld für eine Abwrackprämie, mit der Landwirte ihre alten Ställe abreißen oder umbauen könnten, als auch eine Ausstiegsprämie für diejenigen Berufskollegen enthalten, die mit der Tierhaltung aufhören möchten. Der Deutsche Bauernverband lässt die Frage, wie er die Idee einer Ausstiegsprämie bewerte, unbeantwortet.
Ursache für niedrige Preise: Schweinepest und Pandemie
Hauptgrund für die aktuelle Krise sind die niedrigen Schweinepreise. Während die Bauern Anfang 2020 noch 2,03 Euro pro Kilogramm Schwein bekamen, liegt der Preis heute nur noch bei 1,25 Euro. Nach verschiedenen Abzügen bedeutet das nach Angaben der ISN einen Tiefstpreis von rund 115 Euro pro Schwein.
Die Ursachen für die Preiskrise sind vielfältig. In Folge der grassierenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) sei etwa der Export von Schweinefleisch in viele Drittländer außerhalb der Europäischen Union nicht mehr möglich gewesen, erklärt das Bundeslandwirtschaftsministerium. Länder wie China hatten aus Angst vor der Tierseuche den Import von Schweinefleisch aus Deutschland nach dem ersten Fall hier im Land untersagt.
Insbesondere für den Verkauf sogenannter Schlachtnebenprodukte wie etwa Ohren, Pfoten und Köpfe, die hier keinen Absatz fänden, sei der Export von größter Bedeutung, so Staack. "Alleine aus diesem Grund ist der Export zur Verwertung des gesamten Schweins und damit auch aus Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit zwingend notwendig", meint er.
Für Schweinefleisch erhalten Landwirte in Deutschland derzeit etwa 40 Prozent weniger als im Vorjahr.
Überangebot an Schweinefleisch
Inzwischen hätten auch Spanien und andere EU-Länder Probleme mit dem Export nach China, sodass Überschüsse auf dem europäischen Binnenmarkt entstünden, erklärt ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Es steht also derzeit einfach zu viel Schweinefleisch zum Verkauf. Das Überangebot drückt die Preise. Deshalb sind die Kühllager nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) so "voll wie noch nie".
Dazu kommt, dass die Menschen in Deutschland immer weniger Schweinefleisch essen. Die Nachfrage sei rückläufig, schreibt das Agrarministerium in Berlin. Außerdem hätten geschlossene Restaurants und fehlende Großveranstaltungen den Absatz einbrechen lassen, so der Deutsche Bauernverband. Davon hätten sich die Betriebe bis heute nicht erholt.
Greenpeace: Tierhalter und Regierung "mitverantwortlich"
Der Agrarexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Martin Hofstetter, findet allerdings, die Schweinehalter seien für die aktuelle Misere "maßgeblich mitverantwortlich". Sie hätten ihre Tierbestände bis vor wenigen Jahren massiv ausgebaut. Damit hätten sie nicht rechtzeitig Vorsorge für Schwankungen im Markt getroffen.
Greenpeace kritisiert aber auch die Bundesregierung. Die Große Koalition habe es versäumt, rechtzeitig Anreize zu setzen, damit Tierhalterinnen und Tierhalter mit mehr Tierschutz weniger Masse produzieren könnten. Damit hätte man nach Ansicht der Organisation das Angebot frühzeitig senken und Preise stabilisieren können.
Um Klima, Umwelt und Tiere zu schützen, fordert Greenpeace schon länger, die Zahl der Nutztiere in Deutschland zu halbieren - unter anderem durch schärfere Gesetze für die Tierhaltung und die Düngung, durch mehr Kontrollen und ein Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in Ställen.
Das Thünen-Institut - eine Bundesforschungseinrichtung des Bundeslandwirtschaftsministerums - hält eine Reduktion der Tierzahlen dagegen für den falschen Ansatz. Ein verringertes deutsches Angebot würde ziemlich schnell dazu führen, dass das Fleisch aus anderen Ländern importiert würde. "Dem Klimaschutz wäre damit nicht gedient", heißt es aus dem Institut.
Das Thünen-Institut plädiert vor allem dafür, die Ernährungskompetenz mit Bildungsangeboten der Menschen zu erhöhen, denn noch werde zu viel Fleisch gegessen. Auch das Bundesumweltministerium schreibt auf Nachfrage des NDR, grundsätzlich sei ein "verringerter Fleischkonsum" mit einem entsprechenden Abbau von Tierbeständen angezeigt und entspräche auch den gesundheitsbezogenen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).