Betriebsratswahl im Werk Grünheide Die Kluft zwischen Tesla und IG Metall bleibt groß
Tesla-Beschäftigte haben einen neuen Betriebsrat gewählt. Neun Listen standen zur Abstimmung. Doch das Ergebnis wird unterschiedlich interpretiert - und der Streit über einen Tarifvertrag dürfte weitergehen.
"Ihr habt in der kurzen Zeit einen fantastischen Wahlkampf mit einem klaren und überzeugenden Programm für bessere Arbeitsbedingungen bei Tesla geführt." So kommentiert der zuständige IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze kurz nach Bekanntgabe des vorläufigen Wahlergebnisses das Abschneiden der Gewerkschaftsliste "IG-Metall-Tesla Workers GFBB". Sie hat 39,4 Prozent der Stimmen erhalten.
Rund 12.500 Beschäftigte waren in den vergangenen Tagen aufgerufen, ihre Arbeitnehmervertreter in dem Werk des Elektroauto-Herstellers in Grünheide zu wählen. Laut Tesla beteiligten sich nahezu 80 Prozent der Belegschaft an der Abstimmung.
Heftige Kritik von der Gewerkschaft
Die Interpretation von Unternehmensseite zum Ergebnis ist eine andere: Knapp 60 Prozent der Stimmen seien an nicht gewerkschaftlich organisierte Listen gegangen, 23 der 39 Sitze würden demnach mit Kandidaten von diesen Listen besetzt. So schreibt dann auch Tesla-Werksleiters André Thierig kurz nach der ersten Stimmenauszählung auf "X": "Unsere Belegschaft hat sich mehrheitlich gegen einen gewerkschaftlichen Betriebsrat ausgesprochen."
Wie groß die Kluft zwischen dem Management des Grünheider Werks, dem bisherigen Betriebsrat und der Gewerkschaft ist, zeigen die unterschiedlichen Blickwinkel auf das heutige Wahlergebnis. Heftige Kritik an Arbeitsbedingungen, Bezahlung und dem Umgang mit den Beschäftigten hatte die Gewerkschaft im Wahlkampf geübt. Dem stand die Überzeugung des Managements gegenüber, dass der eigene Weg der bessere sei für das Unternehmen und die Belegschaft.
Bisheriger Betriebsrat "managementnah"?
Wie bereits bei der ersten Betriebsratswahl 2022 hat es auch dieses Mal Streit gegeben. Ursprünglich sollte die Abstimmung im Februar stattfinden - für die Gewerkschaft zu kurzfristig und zu wenig Zeit, um Kandidatenlisten aufzustellen. Denn: Anfang des Jahres hatte das Werk zwei Wochen lang schließen müssen. Laut Tesla waren die Lieferketten aufgrund der Überfälle von Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe unterbrochen worden. Vor Gericht konnte die Gewerkschaft dann einen Wahltermin im März durchsetzen.
Vor zwei Jahren überraschte Tesla die IG Metall bereits mit der ersten Betriebsratswahl noch vor dem Produktionsstart. Da nach Ansicht der Gewerkschaft von den damals knapp 2.500 Beschäftigten nur relativ wenige aus der Produktion abstimmungsberechtigt waren, schätzte die IG Metall den bisherigen Betriebsrat als eher "managementnah" ein.
IG Metall will Tarifvertrag
Die IG Metall hat sich von Anfang an für die Ansiedlung der Tesla-"Gigafactory" ausgesprochen und versucht sich seither auch in dem Werk in Grünheide als das zu etablieren, was sie ihrem Selbstverständnis nach ist: Die Interessenvertretung der Beschäftigten in der deutschen Autoindustrie.
In den zurückliegenden zwei Jahren seit Produktionsbeginn hat die IG Metall immer wieder kritisiert, dass die Tesla-Gehälter im Schnitt niedriger seien als bei anderen deutschen Autofirmen, dass die Arbeitsbelastung und die Zahl der Arbeitsunfälle hoch sei.
Die Gewerkschaft strebt an, einen Tarifvertrag mit Tesla abzuschließen und Arbeitsbedingungen durchzusetzen, ähnlich wie bei den deutschen Autobauern. Das lässt sich auch aus dem 10-Punkte-Programm ablesen, mit dem die Gewerkschaft und ihre Liste zur Betriebsratswahl angetreten sind. Längere Taktzeiten und angemessene Bandpausen werden da gefordert, besserer Unfallschutz, mehr Meinungsfreiheit und natürlich ein Tarifvertrag. Die Haltung der Gewerkschaft steht damit gegen die Firmenphilosophie des US-Elektroautoherstellers, in der zu viel gewerkschaftlicher Einfluss nicht vorgesehen ist.
"Wir konzentrieren uns auf uns selbst"
Und so ist Tesla auch gegen eine Tarifbindung in der Fabrik in Grünheide. "Wir konzentrieren uns auf uns selbst, um schnell und ohne unnötige Eskalation zu Lösungen für unsere Mitarbeiter zu kommen", begründete Werksleiter André Thierig seine Haltung Anfang des Jahres gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. So biete das Unternehmen andere Vorteile für die Belegschaft, wie kostenlosen Laden von E-Autos und kostenlose Shuttles.
Ein Tarifvertrag sei unnötig, hieß es auch bei einer Betriebsversammlung mit Firmen-Chef Elon Musk. Die bisherige Betriebsratsvorsitzende Michaela Schmitz verwies in einem rbb-Interview kurz vor der Wahl auf 17 Vereinbarungen, die man in den zurückliegenden zwei Jahren mit der Unternehmensleitung getroffen habe - auch ohne einen Tarifvertrag. Darunter seien Gehaltsanpassungen von 18 Prozent für die unteren Einkommensgruppen, eine Inflationsprämie von 3.000 Euro und Zuschläge für die Produktionsarbeiter.
Mehrere bisherige Betriebsratsmitglieder wiesen im rbb-Interview zudem die Kritik der IG Metall zurück. "Dass Unfälle bei Tesla passieren, ist Realität", sagt etwa Betriebsrat Stefan Gierschner: "Was aber definitiv nicht stimmt, ist, dass weggeguckt wird und versucht wird, irgendwelche Sachen unter den Teppich zu kehren."
Bereits Ende März soll die neue Arbeitnehmervertretung ihre Tätigkeit aufnehmen. "Wir werden unsere erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat fortsetzen", teilte eine Tesla-Sprecherin dazu mit. Die IG Metall wird wohl versuchen, mit mehr Einfluss im Betriebsrat auf einen Tarifvertrag hinzuarbeiten. Dafür müsste das Management allerdings mitspielen, und das ist derzeit nicht zu erwarten.