Mietshaus in Berlin
Hintergrund

Vonovia und Deutsche Wohnen Was die Fusion für Mieter bedeutet

Stand: 25.05.2021 15:55 Uhr

Vor allem auf dem Berliner Markt spielen die Konzerne Vonovia und Deutsche Wohnen eine wichtige Rolle. Ihre nun verkündeten Fusionspläne kommen überraschend. Doch zumindest für Bestandsmieter ändert sich wenig.

Von Lothar Gries, tagesschau.de

Die am Pfingstwochenende bekannt gewordenen Pläne für einen Zusammenschluss der beiden führenden deutschen Wohnungskonzerne, Vonovia und Deutsche Wohnen, haben für Überraschung gesorgt, aus verschiedenen Gründen.

Zwar ergebe die Gründung eines Konzerns mit 550.000 Wohnungen strategisch Sinn. Doch sei der gewählte Zeitpunkt nur wenige Monate vor der Bundestagswahl heikel, argumentieren Branchenbeobachter. Denn im bevorstehenden Wahlkampf werden die Themen Miete und bezahlbarer Wohnraum in den Städten eine wichtige Rolle spielen. Dabei stehen beide Konzerne ohnehin schon seit Jahren am Pranger - gelten sie doch in vielen Orten als die wichtigsten Preistreiber bei gleichzeitig nachlassendem Service.

Volksbegehren zur Enteignung in Berlin

In Berlin läuft seit Monaten eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Enteignung von Deutsche Wohnen & Co. Der Bestand von Unternehmen, die mehr als 3000 Wohnungen halten, soll verstaatlicht werden. Betroffen wären 200.000 Wohnungen - die meisten davon gehören der Deutsche Wohnen. Von den rund 175.000 benötigten Unterschriften waren Ende April nach Angaben der Initiative bereits 130.000 gesammelt. Kommt die nötige Zahl zusammen, können die Berliner dann parallel zur Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl am 26. September abstimmen. Allerdings dürfte ein entsprechender Beschluss auf hohe verfassungsrechtliche Hürden treffen.

Fusionsplan von Vonovia und Deutsche Wohnen

Andreas König, RBB, tagesschau 20:00 Uhr

Ein Zusammenschluss der beiden Konzerne dürfte jedenfalls die Kritik an privaten Wohnungsunternehmen weiter anfachen, schätzen Beobachter. Zumal der Berliner Senat um den Regierenden Bürgermeister Michael Müller im Kampf gegen steigende Mieten jüngst eine herbe Niederlage einstecken musste. So hat das Bundesverfassungsgericht den von der rot-rot-grünen Koalition vereinbarten Mietendeckel wieder kassiert, weil Berlin als Land keine gesetzlichen Regelungen zur Miethöhe verabschieden darf. Das ist Sache des Bundes.

Ein Prozent Mietsteigerung pro Jahr

Vonovia-Chef Rolf Buch ist sich der Berliner Problematik bewusst und wirbt deshalb um Unterstützung des Regierenden Bürgermeisters. In den nächsten drei Jahren sollen die Mieten in Berlin maximal um ein Prozent pro Jahr steigen, in den darauffolgenden beiden Jahren nicht stärker als die Inflationsrate.

Zudem sollen die Kosten für die Sanierung des Wohnungsbestandes zum Energiesparen nicht voll auf die Mieter umgelegt werden. Unabhängig davon ist der Konzern verpflichtet, bestehende Mietverträge weiter einzuhalten. Für die Mieter der Deutsche Wohnen hätte die Übernahme deshalb keine unmittelbaren Konsequenzen.

Das Logo des Wohnungskonzerns Vonovia ist an einem Gebäude zu sehen

Vonovia verfügt derzeit über 400.000 Wohnungen - nach einer Fusion hätte der Konzern etwa 550.000.

Um die Kritiker zu besänftigen, bietet der fusionierte Konzern dem Berliner Senat rund 20.000 Wohnungen in der Hauptstadt zum Kauf an. Das würde die Stadt rund zwei Milliarden Euro kosten, schätzt der Finanzsenator. Von den gut 150.000 Wohnungen von Deutsche Wohnen liegen 113.000 in Großraum Berlin, bei Vonovia sind es 43.000 von mehr als 400.000. Insgesamt gibt es in Berlin derzeit 1,63 Millionen Mietwohnungen.

Kartellamt dürfte genau hinschauen

Eine marktbeherrschende Stellung haben die beiden Konzerne damit in der Hauptstadt zwar nicht, aber ihr Marktanteil liegt deutlich höher als auf Bundesebene. Vonovia kommt in Deutschland wegen des fragmentierten Marktes nur auf einen Marktanteil von gerade einmal 1,5 Prozent. Der Anteil der fusionierten Konzerne mit 550.000 Wohnungen wird auf zwei Prozent geschätzt.

Dennoch werde das Bundeskartellamt sich die Fusionspläne nach den Worten von ZEW-Präsident Achim Wambach wie schon beim ersten Versuch des Zusammenschlusses 2015 genau anschauen. Damals sei eine mögliche Übernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia in der ersten Phase der Untersuchung freigegeben worden, da beide nur einen relativ geringen Anteil am Wohnungsbestand hierzulande hatten, sagte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Weil es aber viele unterschiedliche Märkte gebe, würden sich die wettbewerblichen Prüfer die Folgen der Übernahme genau anschauen und untersuchen, ob ein Zusammenschluss zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs führe, sagte Wambach, der Mitglied der Monopolkommission ist. Dieses unabhängige Gremium berät die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften in Fragen der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung. Damit könnte sich die Haltung der Kartellbehörden als größere Hürde erweisen als zunächst gedacht.

Wie verhalten sich die Aktionäre?

Unklar ist auch, wie sich die Aktionäre der Deutschen Wohnen verhalten werden. Damit die Fusion vollzogen werden kann, muss mindestens die Hälfte von ihnen das Angebot annehmen. Vorstandschef Michael Zahn ist zuversichtlich, dass es diesmal gelingen wird, anders als vor fünf Jahren die nötige Zustimmung der Aktionäre zu bekommen. "Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass sehr viele Aktionäre dieses Angebot annehmen werden", sagte Zahn in einer Telefonkonferenz. Die Offerte sei fair und attraktiv.

Der Deutsche-Wohnen-Chef verwies darauf, dass es bei den Aktionären große Überschneidungen in den beiden Unternehmen gebe. So gehören der US-Vermögensverwalter Blackrock (jeweils rund zehn Prozent) und der norwegische Staatsfonds zu den größten Anteilseignern sowohl von Vonovia als auch von Deutsche Wohnen.

Auch Branchenbeobachter äußerten sich optimistisch. Die Mehrheit der Aktionäre von Deutsche Wohnen dürfte das Kaufgebot annehmen, da es angemessen attraktiv sei und Bar-Offerten im Allgemeinen gut angenommen würden, schrieb Analyst Kai Klose von der Hamburger Berenberg Bank. Nach Einschätzung von Vonovia-Chef Buch wird Deutsche Wohnen dennoch börsennotiert bleiben, weil nicht alle Aktionäre ihre Anteile andienen dürften.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 25. Mai 2021 um 16:00 Uhr.