Eine Karnevalströte liegt am Straßenrand

Rosenmontagsfeiern abgesagt Kein Helau, kein Alaaf - kein Geld

Stand: 15.02.2021 10:46 Uhr

An Fastnacht und Karneval fallen Umzüge und Partys dieses Jahr aus - ob in Mainz, Düsseldorf oder Köln. Der Schaden für Gastronomie, Einzelhandel und Hotels geht Experten zufolge in die Milliarden.

In diesem Jahr fällt vor der Gaststätte "Zum Heringsbrunnen" in der Mainzer Altstadt kein Konfetti vom Himmel. Normalerweise zieht der Rosenmontagszug mit seinen Prinzengarden und Schwellkopp-Trägern direkt an der Kultkneipe vorbei. Später am Tag drängen sich die Fastnachter dann um den Tresen. "An Altweiberfastnacht, Fastnachtssamstag und Rosenmontag machen wir eigentlich einen 13. Monatsumsatz", sagt Wirt Michael Schollmayer. Mehr als 1000 Liter Bier strömen im Heringsbrunnen allein an diesen drei Tagen aus dem Zapfhahn. In diesem Jahr: kein Tropfen.  

"Es war schon an Weihnachten abzusehen, dass es keine Straßenfastnacht geben wird", sagt Schollmayer. Der Ausfall komme daher nicht überraschend, aber schmerze dennoch. "Wir haben keine Außenbestuhlung. Deswegen haben wir an Fastnacht immer unser Sommerloch stopfen können", erzählt der Gastronom. Die finanziellen Rücklagen reichten nur noch für wenige Monate. 

Heringsbrunnen

Bleibt in diesem Jahr leer: Die Kultkneipe "Zum Heringsbrunnen" in Mainz.

In einer ähnlich prekären Lage befinden sich viele Hoteliers. Matthias Sieber-Wagner ist Direktor eines Mainzer Hotels und Vorsitzender der städtischen Hotel-Werbegemeinschaft. "Fastnacht ist eine der stärkste Buchungszeiten", sagt er. "Das ist ein bedeutender Ausfall für uns." Zurzeit seien die Betten nur zu 5 bis 15 Prozent belegt.

In anderen Jahren seien die Hotels in der Innenstadt vor allem an den Fastnachtswochenenden sehr gut ausgelastet: 10.000 Gäste übernachten gewöhnlich an den närrischen Tagen in der Stadt. Eine Berechnung der Hochschule Mainz ergibt: Den ansässigen Händlern, Gastronomen und Hoteliers entgehen damit 40 Millionen Euro. Es sei zu befürchten, dass viele Betriebe und Firmen Pleite gingen und ihr Geschäft im nächsten Jahr gar nicht mehr existiere, sagt die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz. 

Auch der Transportbereich betroffen

Was der Ausfall von Fastnacht, Karneval und Fasching für ganz Deutschland finanziell bedeutet, hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln errechnet. "Der Schaden beläuft sich auf 1,5 Milliarden Euro", sagt Ökonom Christian Rusche. "Das heißt: Ein erheblicher Wirtschaftsfaktor fehlt." 160 Millionen Euro brechen demnach dem Hotelgewerbe weg. Rund 660 Millionen Euro sind es in der Gastronomie. Weil viele Partygäste in die Karnevalshochburgen anreisen, sei auch der Transportbereich mit 240 Millionen Euro betroffen. Im Einzelhandel leide besonders die Kostümbranche. 

Von einer "Vollkatastrophe" spricht Björn Lindert. Er ist Geschäftsführer des Kostümhändlers Deiters. Das Unternehmen nahe Köln ist nach eigenen Angaben Marktführer in der Branche. An bundesweit 31 Standorten verkauft Deiters Verkleidungen, Schminke, Party-Accessoires. 700 Mitarbeiter wären eigentlich an diesen Tagen im Einsatz. Dieses Jahr werden keine Saisonkräfte beschäftigt, die Filial-Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. "Im laufenden Wirtschaftsjahr haben wir Einbußen von 90 Prozent", sagt Lindert.

Hoffen auf die nächste Saison

Zwei Drittel seiner Einnahmen erzielt das Unternehmen nach eigenen Angaben zur Karnevalszeit. "Was jetzt zum Teil noch über unseren Online-Shop reinkommt, ist ein Tropfen auf den heißen Stein", meint der Geschäftsführer. "Karneval ist natürlich auch darüber hinaus für das gesamte Unternehmen ein Highlight. Das tut schon weh." Lindert bleibt da nur die Hoffnung auf die nächste Session. "Es sollte irgendwann - vielleicht Richtung Herbst - etwas Normalität zurückkehren. Denn kein Unternehmen kann zwei Jahre ohne Einnahmen überleben." 

In Mainz ist Kneipenwirt Michael Schollmayer nicht nur wegen der finanziellen Lage frustriert. "Was natürlich auch fehlt, ist die Geselligkeit und der Frohsinn - das, was eigentlich die fünfte Jahreszeit ausmacht". Er geht aber nicht davon aus, dass schon nächstes Jahr wieder Fastnacht wie gewohnt gefeiert wird: "Die Leute werden auch auf lange Sicht das Gedränge meiden. Es wird alles etwas ruhiger werden." Schollmayer glaubt, dass das auch Vorteile hat - man denke nur an die Anwohner. Aber weniger Einnahmen dürfte das für ihn in jedem Fall bedeuten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 15. Februar 2021 um 12:00 Uhr.